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Esser (Foto): Die AZF ist eine reine Verkaufseinheit – kein politischer Faktor. Aber sie hat natürlich indirekt ihre Funktion. Denn über die Verkaufserlöse signalisieren wir auch die Bedeutung von ARD und ZDF im Werbemarkt. Je mehr Umsatz wir machen, desto schwerer wird es, auf uns zu verzichten. Nicht nur wegen des Geldes, sondern auch, weil es viele Kunden gibt, die aus gutem Grund bei uns, beziehungsweise ausschließlich bei uns werben. Fragen Sie in der Wirtschaft rum: Keiner will auf uns verzichten. Jeder Euro, der mit gutem Grund in die öffentlich-rechtliche Werbung investiert wird, sorgt dafür, dass Unternehmen eine einzigartige Zielgruppe erreichen, die es bei privaten Sendern so nicht gibt und er sorgt umgekehrt dafür, dass Werbung bei ARD und ZDF nicht verzichtbar sind. Das Werbeverbot in Frankreich hat außerdem gezeigt auch, dass die Gelder nicht zu den Privaten wandern, sondern aus dem Markt verschwinden. Zudem dreht man dort gerade die Beschlusslage wieder und belässt die TV-Werbung vor 20 Uhr bei den Öffentlich-Rechlichen.
Strauch: Warum sollen wir Werbung, die die Lebensrealität der sozialen Marktwirtschaft abbildet und die einem an jeder Ecke begegnet, aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen verbannen? Es entlastet die Gebühren, die Wirtschaft möchte es und die Zuschauer stört es nicht. Nur der Politiker meint, dem Interesse von zwei Wirtschaftsunternehmen folgen zu müssen: IP Deutschland und SevenOne Media. Das Absurde ist doch, dass von Wettbewerbsverzerrung die Rede ist, obwohl selbst das Kartellamt sagt, dass wir in einem duopolisitschen Markt eben dieser beiden Unternehmen leben.
Welche Rolle spielt das Sponsoringverbot, das ab 2013 in Kraft treten soll? Ist das ein Kompromiss, mit dem sie letztlich leben können?
Strauch: Im Gegenteil! Das Sponsoringverbot ist der Tod auf Raten. Wenn in meiner Kauleiste erstmal ein Zahn fehlt, ist das Risiko recht groß, dass die anderen Zähne auch bald rausfallen. Wir werden durch das Sponsoringverbot geschwächt, denn es ist eine bewusste politische Entscheidung, ARD und ZDF langfristig werbefrei zu machen. Man kann das Thema nicht isoliert betrachten. Wir sind ohnehin im Wettbewerbsdruck mit den Kommerziellen. Wenn jemand bei uns für mehrere Millionen Euro das Wetter sponsort und noch einen Millionenbetrag im klassischen Budget hat, falle ich ohne Sponsoring in der Rabattallokation direkt mehrere Stufen ab.
Esser: Die Verwerfungen und die Uninformiertheit sind in diesem Bereich sehr ausgeprägt. Gerade beim Thema Sportrechte. Man sollte die Komplexität des Themas grundlegend und nicht nur an der Oberfläche diskutieren. Viele Politiker wussten zum Beispiel nicht, dass das Sponsoringverbot auch die Paralympics betrifft. Ein mögliches Sponsoringverbot ruft erhebliche Schäden für die Sportlandschaft hervor, da sie die Finanzierung der Verbände bis hinunter in die Leistungszentren berührt. Hier wird ohne Not ein bewährtes Finanzierungsinstrument herausgerissen, während auf der anderen Seite den privaten Sendern beim Product Placement Tür und Tor geöffnet wird. Das ist nicht nachvollziehbar.
Ist das letzte Wort schon gesprochen? Wie lautet Ihre Prognose für das kommende Jahr – geschäftlich und medienpolitisch?
Strauch: Wirtschaftlich wird das Jahr wird für uns ähnlich positiv verlaufen wie 2010. Die Konjunktur wird anhalten – das ist für uns alle sehr wichtig. Allerdings werden wir das Ergebnis von 2010 nicht erreichen, da dieses Jahr ein großes Sportjahr war, was für ARD und ZDF immer eine wichtige Erlösquelle ist. Politisch könnte ich mir vorstellen, dass der Rundfunkänderungsstaatsvertrag die Länderparlamente nicht ohne Nachbesserungen passieren wird – Stichwort Sportsponsoring. Das wird noch einige Schleifen ziehen.
Esser: Zumal auch Wahlen sind. Die Werbediskussion ist in erheblichem Maß durch den Druck privater Lobbyisten geprägt. Wir merken aber, dass Wirtschaftsunternehmen und Verbände verstanden haben, was bei weiteren Einschränkungen passieren würde und machen ihrem Ärger gegenüber der Politik Luft. Für die wirtschaftliche Entwicklung bin ich ähnlich zuversichtlich wie Kollege Strauch – hier wird vieles davon abhängen, wie sich der Euro-Raum stabilisieren kann.
Herr Esser, Herr Strauch, vielen Dank für das Gespräch.