Mit Sat.1 und dem geplanten Best Ager-Kanal müsste Ihnen doch eine Referenzzielgruppe 20-59 entgegenkommen...

Ich sage es mal so: Der ganze Markt arbeitet erfolgreich mit 14-49, die Diskussion ist also müßig. Und wenn Sie mit Werbetreibenden sprechen, stellen sie fest, dass diese ihre Zielgruppen sowieso viel spezifischer fassen..

Richtig, aber das Argument lässt sich ja so oder so auslegen: Wenn eh nach genaueren Kriterien gebucht wird, dürfte die Anpassung eines Richtwertes an die demografische Entwicklung doch kein Problem darstellen...

Ich sehe es anders als Sie. Warum brauche ich dann 20-59, wenn alle eigentlich sehr zufrieden sind mit 14-49? Das ist auch das Feedback, das ich aus dem Werbemarkt bekomme. Im Großen und Ganzen, für den allgemeinen Tabellenstand der Spielstärke der Sender reicht das aus und wenn es um den Aspekt der Kampagnen-Planung geht, spielen diese Richtwerte ohnehin eine untergeordnete Rolle. Von daher hat der Markt kein Interesse daran, die Zielgruppe zu ändern.

 

 

Und das sehr junge ProSieben trägt seinen Teil zu der Entscheidung bei. Aber wechseln wir das Thema. Wir sprachen vorhin schon über Programminvestitionen. Kann es sich ProSiebenSat.1 leisten, komplett auf Fußball zu verzichten?

Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten, wie man denkt, weil man sich in einem Wettbewerb mit anderen Sendern befindet. Wie Sie wissen, haben wir uns um die Rechte für die Champions League bemüht und in diesem Match hat das ZDF den Zuschlag bekommen. Wir müssen immer auf eine Situation eingestellt sein, in der wir auch mal ein Jahr ohne Fußball sind, auch ohne große Fußball-Rechte. Deshalb muss man immer darauf eingestellt sein, Events aus eigener Kraft zu schaffen. Das haben wir bei unserer Programmauswahl für das Jahr 2012 berücksichtigt – deshalb gibt es einige Events mehr im Bereich Fiction und Show. Sat.1 kann es sich leisten, ohne Fußball-Rechte zu sein, könnte vom richtigen Paket aber auch profitieren. Nur der Wettbewerb gegen die Öffentlich-Rechtlichen ist an dieser Stelle besonders unfair geworden.

Dann frage ich konkreter nach: Interessiert sich ProSiebenSat.1 für die Bundesliga-Rechte? Noch konkreter: Bieten Sie mit?

Wir schauen uns jedes Sport-Recht an und wägen ab, ob das für uns wirtschaftlich Sinn macht und uns weiter bringt. Die Bundesliga ist ganz ohne Zweifel ein sehr, sehr interessantes Produkt. Es ist an der Stelle aber immer gut, wenn man sie nicht haben muss, wenn man also auch ohne diese Rechte erfolgreich Fernsehen machen kann.

Stichwort Champions League-Rechte: Wer ist eigentlich unberechenbarer, der Werbemarkt oder die Öffentlich-Rechtlichen?

Der Werbemarkt, wenn Sie damit die Teilnehmer und unsere Kunden meinen, ist eigentlich sehr verlässlich. Er ist nur leider nicht unabhängig von der Konjunktur, von daher liegt die Unsicherheit eher in den Rahmenbedingungen, in denen sich der Werbemarkt bewegt. Die Öffentlich-Rechtlichen sind mittlerweile in ihrem aggressiven Kaufdrang sehr berechenbar geworden, was den Wettbewerb nicht leichter macht. Wir können diesen Wettbewerb gegen die Öffentlich-Rechtlichen, die finanziell immer deutlich stärker aufgestellt sind, nur durch Kreativität gewinnen.

Der Klage über die Expansion der Öffentlich-Rechtlichen stehen Rekord-Renditen bei den privaten Fernsehsendern gegenüber. Wie dramatisch ist die Situation aus Ihrer Sicht?

Das duale System ist gut, aber der Expansionsdrang der Öffentlich-Rechtlichen in mehrerlei Hinsicht könnte zu einer Verschiebung des Gleichgewichts führen. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass wir bisher immer kreative Antworten gefunden haben und wir liegen ja auch ganz klar vorne, gerade bei den kommerziellen Zielgruppen. Aber das führt ja gerade nicht dazu, dass die Öffentlich-Rechtlichen sich auf ihren Auftrag beschränken würden, sondern ganz im Gegenteil, sie versuchen natürlich weiter zu expandieren und das ist die gefährliche Entwicklung zusammen genommen mit anderen Entwicklungen, die wir ja auch auf der Uhr haben und die vielleicht auch noch gefährlicher für das Privatfernsehen werden könnten.

Was meinen Sie?

Wenn Sie künftig auf einem Bildschirm verschiedene Teilnehmer haben, die völlig anderen Regularien unterliegen. Wenn Internet und Fernsehen über das gleiche TV-Gerät nebeneinander existieren, darf der eine alles und dem anderen sind Ketten angelegt. Das geht nicht. Aus eigener Kraft können wir daran nichts ändern. Wir können dafür nur ein Bewusstsein und eine Öffentlichkeit schaffen und die Politik anrufen, dieses Thema zu lösen. Sowohl das der Öffentlich-Rechtlichen, als auch das des unregulierten Wettbewerbs des Online-Bereichs.

Wobei die Öffentlich-Rechtlichen letztlich nichts Anderes tun als die Privaten: Die Grenzen des Möglichen austesten und ausnutzen. Ein unternehmerisch nachvollziehbares Verhalten, wenn man es auch moralisch anders bewerten kann, gerade wegen der Gebührenfinanzierung...

Moment! Die öffentlich-rechtlichen Sendern sind eben gerade keine Unternehmen, sondern komplett durchfinanzierte, konjunkturunabhängige öffentliche Anstalten. Natürlich können Sie ein Kind, das zu viel Schokolade isst, nicht dafür verurteilen, wenn es Zugang zu schier unbegrenzter Schokolade hat. Dann muss eben die Schokolade rationiert werden, das  ist auch viel gesünder (lacht). Es gibt im öffentlich-rechtlichen System hervorragende Fernsehmacher und die Öffentlich-Rechtlichen machen in manchen Bereichen auch ein gutes Fernseh-Programm. Nur: Die Spielregeln, die dieses duale System geschaffen haben, müssen der veränderten Wirklichkeit angepasst werden. Das ist die Aufgabe, die die Politik in Deutschland über die nächsten Jahre hat.

Herr Bartl, herzlichen Dank für das Gespräch