Die Grenzen verschwinden also allmählich?

Genau das ist unser Ziel. Ich sage immer: Fiction geht auch für die Hälfte – und es gibt große Sender, die in diese Richtung bereits ihre Fühler ausstrecken. Die Fiction-Budgets liegen im Vergleich zu Factual- und selbst Showformaten so hoch, dass es für die Sender immer unwahrscheinlicher wird, Profit damit zu machen. Mit der ersten Ausstrahlung rechnet sich eine Serie in den seltensten Fällen. Deshalb gibt es ja bei den Privatsendern kaum noch eigenproduzierte Fiction. 

Und bei den Fiction-Produzenten schrillen sämtliche Alarmglocken...

Das kann gut sein, aber darin besteht ja auch eine Riesenchance. Wenn es uns gelingt Dramaserien für deutlich geringere Budgets zu produzieren, schaffen wir damit auch neue Sendeplätze für dieses Genre und das ist wiederum gut für die gesamte Produktionslandschaft. Ausserdem glaube ich fest daran, dass der Fiction etwas weniger Korsett gut täte.

Wie meinen Sie das?

Wenn wir es hinbekommen, unser Scripted Reality Know-How das auf gelenkter Improvisation beruht, auf die klassische Fiction zu übertragen, und dadurch die Authentizität zu erhöhen, dann ließe sich erreichen, dass die Zuschauer fiktionale Stoffe viel intensiver berühren als bisher. Für mich als Produzent bedeutet das Geld einzusparen durch Verschlankung der Produktionsstruktur. Gleichzeitig muss man die richtigen Schauspieler kombinieren und Mut zur Improvisation haben.

Das klingt nach einem ziemlichen Durcheinander.

Unsere Drehbücher bieten allen Beteiligten viel Spielraum und ich behalte mir immer das Recht vor, am Set wichtige Entscheidungen zu treffen und auch mal etwas ganz anders zu machen. Ich versuche am Set den „Zauber der Einmaligkeit“ herzustellen, ein Ping-Pong zwischen Schauspielern, das man weder detailliert in einem Drehbuch aufschreiben noch beliebig oft wiederholen kann.  Genau genommen sind wir bei der Scipted Reality sogar etwas schlechter dran als die Kollegen der Fiction.

Wieso das?

Wenn man sich einen Film anschaut, verzeiht man den Schauspielern ihren manchmal doch recht unnatürlichen, fiktionalen Tonfall. Da behauptet ja auch niemand, dass es echt ist, es trägt klar das Label der Fiction. Sobald ich aber eine gescriptete Dokumentation mache, die nicht authentisch wirkt, habe ich ein Problem. Deswegen muss ich die Darsteller dazu bringen, möglichst echt zu klingen, und diesen Moment muss ich dann auch auf Band haben. Der lässt sich nämlich nicht beliebig oft wiederholen. Deshalb verwende ich vor Ort so viele Kameras.

Aber immerhin hat's ja nun für den Samstagabend gereicht...

(lacht) Vor diesem Sendeplatz habe ich Respekt. Das ist eine Herausforderung und es hätte andere Programm-Tage gegeben, die mir ehrlich gesagt etwas lieber gewesen wären. Unterm Strich bin ich einfach sehr froh, dass ich diese schönen Projekte nach meinem Geschmack umsetzen durfte. Wenn ein Sender jemandem vertraut, der mit viel Herzblut an eine Sache herangeht, dann investiert der Produzent viel mehr als er müsste. Ein derartiges Vertrauen habe ich bei RTL II-Programmdirektor Holger Andersen gespürt. Auch die Zusammenarbeit mit Kai Sturm und Vox, für die wir „Schneller als die Polizei erlaubt“ machen, basiert auf einem gereiften Vertrauensverhältnis.

Das fing ja mal mit realen Fällen an...

Wir sind an einen Punkt gekommen, an dem wir die Sende-Versorgung mit ausschließlich echten Fällen nicht mehr halten konnten und haben dann versucht, die Geschichten zu scripten. Erst war es eine Mischform, inzwischen geschieht alles nach Drehbuch.

Bei „Mieten, kaufen, wohnen“ verhält es sich ähnlich. Das tut in dieser Sendung aber auch keinem weh...

Das ist eine schwierige Diskussion – was tut eigentlich weh? In meinen Augen ist Scripted Reality sogar das ehrlichere Fernsehen. Wir führen keine Menschen vor und wir sagen ganz offen, dass alles ausgedacht ist. Bei „Schneller als die Polizei erlaubt“ steht das vor jedem Fall in einer Bauchbinde für 5 Sekunden: „Handlung dieses Falls nachgestellt“. Selbst wenn die Hinweise noch größer und noch länger eingeblendet wären, würde das die Leute meiner Meinung nach nicht vom Einschalten abhalten. Schließlich machen wir keine Reportagen, und wir machen keine News, wir machen Unterhaltung. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger!

Herr Schmidt, herzlichen Dank für das Gespräch.

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