Sie haben schon drei Mal den Deutschen Fernsehpreis gewonnen und sind mit dem "heute-journal" in dieser Woche erneut nominiert. Warum hat die Sendung Ihrer Meinung nach den Preis erneut verdient?
Ich finde, dass wir mit hoher Regelmäßigkeit gute Sendungen machen. Nicht jede Sendung gelingt zu 100 Prozent – ehrlich gesagt gelingt das in den meisten Fällen nicht. Nur bei ganz wenigen Ausgaben sagen wir, dass wirklich alles perfekt gelaufen ist. Aber wir haben ein am Markt erfolgreiches Produkt, das nicht nach guten Quoten fischt, sie aber trotzdem bekommt. Und zwar mit Qualitätsnachrichten. Dieses Mal geht es beim Fernsehpreis um den Publikumspreis und da geht es immer auch um Beliebtheit.
Ist Beliebtheit überhaupt ein Kriterium für eine Nachrichtensendung?
Ein Nachrichtenmagazin sollte nicht in erster Linie beliebt sein. Es sollte angesehen sein und gerne eingeschaltet werden. Ganz sicher ärgern sich die Menschen auch über Dinge, die sie bei uns sehen. Das ist gut so, sofern es kein Ärger über schlechte Arbeit ist, sondern Ärger über Themen, die wir aufdecken. Ein Stein des Anstoßes kann sich dann als Edelstein erweisen.
Die Quoten des "heute-journals" sind gestiegen und Ihre Sendung ist für viele Zuschauer ein echter Einschaltimpuls. Wie groß ist daran eigentlich der Anteil des Moderators?
Das klingt immer nach aufgesetzter Bescheidenheit, aber es ist in meinen Augen eine ganz vernünftige, professionelle Einschätzung: Kein Moderator kann es schaffen, in den vier oder fünf Minuten, in denen er auf dem Bildschirm ist, eine halbe Stunde zu verkaufen, die aus langweiligen Berichten besteht. Wir können Aufmerksamkeit wecken, aber dann kommen die Stücke. Entscheidend sind die Autoren, die sie machen, aber auch das Team, das die Gestaltung der Sendung steuert. Da bin ich Spieler in einer Mannschaft. Aber ein brauchbarer, hoffe ich mal.
Eigentlich schade, dass man die Menschen im Hintergrund so wenig sieht. Wenn ich an amerikanische Nachrichtenstudios denke, dann sieht man dort im Hintergrund die Redaktion. Da bekommt man einen Eindruck von den zahlreichen Menschen, die hinter einer solchen Sendung stehen. Das kommt nahezu allen deutschen Nachrichtensendungen abhanden.
Das stimmt, allerdings finde ich diese oft inszenierten Abläufe merkwürdig. Menschen verhalten sich anders, wenn Sie wissen, dass Kameras auf sie gerichtet sind. Und sie bemerken selbst in professionellsten Studios, dass im Hintergrund jemand darauf achtet, ob das Rotlicht an ist oder nicht. Deshalb verstehe ich vollkommen, wenn die Kolleginnen und Kollegen kein Interesse daran zu haben, sich jeden Tag in ein Schaufenster zu setzen. Wenn wir unsere Redakteure danach aussuchen würden, ob ihnen das gefällt, wären professionelle Kriterien plötzlich im Hintergrund.
Gibt es denn in all den Jahren als "heute-journal"-Moderator etwas, das Sie über Ihre Zuschauer gelernt haben?
Die Zuschauer sind sehr viel anspruchsvoller und belastbarer als wir denken. Einige Sendungen, von denen wir dachten, sie seien grau und schwer gewesen, weil wir den Zuschauern viele Fakten oder viel Not zumuteten, hatten überraschend hohe Einschaltquoten. Von uns wird nicht Larifari erwartet, sondern dass wir die Welt so zeigen, wie sie ist. Und Gott sei Dank haben wir ein Millionenpublikum, das genau das auch sehen will. Das sind längst nicht alle Fernsehzuschauer und nicht jeder unserer Zuschauer schaltetet jeden Tag ein. Und doch kommen Tag für Tag dreieinhalb, vier, manchmal mehr Millionen Zuschauer zusammen, die sich genau dafür interessieren. Dafür kann man nur dankbar sein. Und wir müssen das unbedingt weiter machen. Die amerikanischen Medien merken gerade wie schnell die Zuschauer den Geschmack dafür verlieren, wenn man ihnen so etwas nicht mehr regelmäßig bietet. Dort sehen sie sich solche Sendungen nicht mehr an. Obwohl es dringend notwendig wäre.
Und trotzdem sprechen wir auch in Deutschland über eine tendenziell rückläufige Wahlbeteiligung. Das sind Millionen Nichtwähler. Kann der Journalismus eine Rolle dabei spielen, diese Politikverdrossenheit zumindest ein Stück weit zu bekämpfen?
Nein. Für die Gestaltung der Politik und das Interesse daran ist immer noch die Politik zuständig. Wir sind Transmissionsriemen. Wir können Themen an die Öffentlichkeit bringen, nicht aber etwas aufjazzen, wenn das Land in Wirklichkeit von einer konzeptions- und ideenlosen Politik erfüllt ist. Eine tolle Moderation oder ein schöner Film können die Menschen nicht plötzlich dafür interessieren.
Was ärgert Sie eigentlich mehr: Die oft wechselnden Sendezeiten Ihrer Sendung oder dass die Ihrer Meinung nicht mehr ganz so zeitgemäße "Tagesschau" deutlich mehr Zuschauer erreicht als das "heute-journal"?
Ich ärgere mich über unnötige Verschiebungen der Sendung, die aber in letzter Zeit weniger vorkommen. Dafür bin ich dankbar. Dass die "Tagesschau" mehr Zuschauer hat als wir, ist völlig in Ordnung. Das ist eine ganz andere Sendung zu einer ganz anderen Tageszeit. Ich wünsche der "Tagesschau" jeden Erfolg.
Herr Kleber, herzlichen Dank für das Gespräch.