Was braucht denn eine Geschichte, um es heute ins "Auslandsjournal" zu schaffen?

Das hat sich sehr verändert. Es gibt natürlich auch noch die Hochglanz-Geschichten aus fernen Welten. Überwiegend sind es aber Beiträge, die nah an Menschen und ihrem Alltag sind und einen nach Möglichkeit die Welt dahinter besser verstehen lassen. Oder - die Relevanz für das eigene Leben haben. Kürzlich hatten wir einen Beitrag über eine chinesische Provinz, in der 5.000 Firmen Plastikmüll aus aller Welt recyceln, auch aus Deutschland. Dort arbeiten die Chinesen aber unter furchtbaren Bedingungen, mit giftigen Substanzen und verseuchtem Wasser. Also, wir sammeln fleißig und umweltbewusst Plastikmüll - und sorgen damit indirekt für weitere Umweltvergiftung und Gesundheitsschäden. Das zu wissen, ist für jeden Verbraucher relevant.

Wo Sie gerade China ansprechen: Wie oft begegnen Reporter heutzutage eigentlich noch Zensur?

Gerade in China ist es ein zäher Kampf. Zensur existiert noch vielerorten - in Syrien beispielsweise oder auch in Iran, wo es gerade erst leichter zu werden scheint überhaupt ein Journalistenvisum zu bekommen. Tendenziell aber schwindet die Macht von Zensur. Unsere Welt ist transparenter geworden. Gerade durch die sozialen Netzwerke lässt sich eine bestimmte Öffentlichkeit kaum noch unterdrücken.

Dadurch entsteht eine wahre Bilderflut, wenn wir an Facebook oder YouTube denken. Welchen Einfluss hat das eigentlich auf Ihre Sendung?

Wir erleben ja einen täglichen Tsunami an Informationen und Bildern, da haben Sie recht. Gleichzeitig kennen wir oft die Quelle nicht. Das erhöht den Anspruch an die richtige Einordnung durch die Kollegen. In Zukunft wird es nicht mehr so wichtig sein, die pure Information zu liefern - die kriegen wir auf allen möglichen Kanälen. Wir müssen aber die Frage beantworten, was hinter diesen Bildern und Ereignissen steckt.

Sie haben eben selbst gesagt, dass es gar nicht mehr so sehr darum geht, schöne Bilder aus fremden Ländern in die Wohnzimmer zu transportieren. Investigative Reportagen dürften aber doch im Ausland viel schwerer zu bewältigen sein als im politischen Berlin.

Die inhaltliche Einordnung ist im "Auslandsjournal" das Entscheidende. Investigative Geschichten stehen für uns nicht im Mittelpunkt, sind aus dem Ausland auch extrem schwierig, weil man als Ausländer in vielen Ländern kein wirklicher Player ist. Es ist für die dortigen Oppositionellen schlicht nicht so interessant, einem Deutschen Informationen zu geben. In Berlin ist das anders, das habe ich jahrelang bei "Frontal 21" erlebt. Da bekommen Sie viele Sachen zugesteckt - einfach, weil man dem politischen Gegner schaden will. Wenn das aber "nur" irgendwo im Ausland läuft, dann ist das für Informanten meist strategisch zu wenig zielgerichtet. Dennoch gelingt auch Investigatives immer wieder, etwa unserem Kollegen Johannes Hano, der eine extrem kritische Dokumentation über die Atomindustrie und Fukushima gemacht hat, die gerade erst für den Emmy nominiert war.

Zum 40. Geburtstag bekommt das "Auslandsjournal" ein neues Studio und einen neuen Anstrich. Warum ist das nötig gewesen?

Wir sind doch alle als Zuschauer anspruchsvoll und wollen nach einer gewissen Zeit etwas Neues sehen. Auch eine 40-Jährige Sendung braucht ab und an neue Kleider. Wir haben Vorspann und Studio digital hochwertig überarbeitet, wir müssen dem Auge ja etwas bieten, wenn's der Moderator schon nicht tut. (lacht)

Bleibt denn die prägnante Musik?

Ich kann Sie beruhigen: Die Musik bleibt. Es gibt keine dramatischen Veränderungen. Uns war es wichtig, vertraute Elemente zu behalten.

Die Zuschauerzahlen sind zuletzt auch gestiegen. Das hängt sicher mit dem besseren Sendeplatz zusammen, womöglich aber auch mit dem Moderator.

Es hat sich tatsächlich sehr bewährt, die Sendung eine halbe Stunde vorzuziehen. Wir liegen aktuell bei fast elf Prozent Marktanteil. Das ist für ein Spartenmagazin bemerkenswert. Quoten wie vor 40 Jahren schaffen aber selbst wir nicht mehr. (lacht)

Herr Koll, herzlichen Dank für das Gespräch.