Herr Everding, bis Ende letzten Jahres haben Sie sich um Factual Entertainment gekümmert, jetzt als Chef von Classica um klassische Musik. Was hat Sie an der Aufgabe gereizt?
Es gibt vier Gründe. Erstens Jan Moijto. Mit einem Überzeugungstäter und Profi wie ihm zusammenzuarbeiten, ist eine besondere Herausforderung und Freude. Der zweite Grund: Wie Factual Entertainment ist die audiovisuelle Darstellung von klassischer Musik eine thematische Nische, aber dieses Genre erreicht Millionen von Menschen auf eine besondere Art und Weise. Der dritte Grund: Für einen Sender ist das Programm entscheidend und Classica kann durch die Produktion der Unitel Classica und den jahrelang aufgebauten Programmstock vom Besten und aus dem Vollen schöpfen. Und der vierte Grund ist auch nicht zu verschweigen: Meine Leidenschaft für die klassische Musik, gewachsen aus meinen familiären Wurzeln.
Welche Erkenntnisse haben sie gewinnen können, nachdem Sie den Sender übernommen haben?
Fernsehsender befinden sich immer einer Entwicklung. Wenn man sieht, was in den vergangenen vier Jahren bei Classica an neuem Programm hinzugekommen ist und mit welchen Partnern man kooperiert, dann ist das sehr beeindruckend. Nun geht es für uns darum, den nächsten Schritt zu machen. Wir wollen dem Zuschauer noch intensiver unsere Stärken aufzeigen. Mit der neuen Programmierung, den neuen Programmformaten und der optimierten Kommunikation werden wir unserem Publikum ein Angebot machen, dass der Devise folgt: Classica ist gleich beste klassische Musik im Fernsehen.
Für wen machen Sie denn eigentlich Programm? Classica wird ja international ausgestrahlt…
Es gibt sicher territoriale Unterschiede, aber bei der Klassik handelt es sich um einen internationalen Inhalt. Dadurch ist es nicht nötig, große Unterscheidungen zu machen. Wir sprechen da gerne vom Homo Classicus. Natürlich sind viele ältere Menschen unter unseren Zuschauern, aber ich bin eigentlich darüber erstaunt, wie viele Junge dabei sind. Da ist unglaublich viel Bewegung drin.
Welche Fernsehmärkte sind für Classica am wichtigsten?
Der deutschsprachige Raum ist sehr wichtig, weil die Klassik dort eine besondere Bedeutung hat. Gleichzeitig ist die Entwicklung in Asien sehr spannend, und wir sind dort gut aufgestellt. Gerade Korea hat sich gut entwickelt.
Als Sie Ihren Job antraten, war zu lesen, dass es eine ihrer wichtigsten Aufgaben der Ausbau der Verbreitung sei. Meinten Sie damit den deutschen Markt oder neue internationale Märkte?
In Deutschland gibt es noch Raum zur Entwicklung. Wir sind im Moment bei Sky, Unitymedia und Entertain. In Europa sind wir in 19 Ländern verbreitet und wir schauen uns momentan vor allem an den Rändern um. Generell wollen wir Kolumbus folgen. Es ist eine unserer Hauptaufgaben, im Westen weiter zu wachsen.
Sie haben gerade ein neues Design angekündigt. Warum der Relaunch?
Wir wollen die Marke stärker positionieren. Dank klassischer Musik haben wir die einmalige Chance, unsere Zuschauer über Grenzen hinweg so emotional anzusprechen wie kaum ein anderer Sender. Meist gibt es ja z.B. Sprachbarrieren. Gleichzeitig können wir in unserer Kommunikation noch viel mehr anbieten. Die Zuschauer wollen wesentlich mehr wissen als nur die Handlung, sie wollen beispielsweise den Bühnenbildner oder den Regisseur kennenlernen. Wir wollen in einen Dialog eintreten. Genau da setzen wir auch mit dem Design an. Ab dem 28. Mai in einem neuen Kleid.
Woher bezieht Classica eigentlich seine Inhalte? Wie bestücken Sie das Programm?
Die uns verbundene Produktionsfirma Unitel Classica ist der renommierteste, größte und etablierteste Klassik-Produzent der Welt. Unter der Führung von Ernst Buchrucker werden bis zu 60 Produktionen pro Jahr verwirklicht, und Classica profitiert immens davon. Daneben kaufen wir auf dem freien Markt zu, um unser Angebot abzurunden. Ein wichtiger Programmanteil kommt außerdem aus der Konvertierung von 35mm Produktionen aus dem umfangreichen Programmstock der Unitel. Wir verfolgen hierfür einen Dreijahres-Plan, mit dem Ziel, weitere Schätze für den Sender zu heben.
Gibt es eine bestimmte Handschrift, die Sie im Laufe der Jahre bei Eigenproduktionen entwickelt haben?
Diese Frage kann ich nicht beantworten. Aber was ich von der Produktion gelernt habe, ist: Es reicht es nicht, ein paar Kameras aufzustellen und die Handlung auf der Bühne abzufilmen. Der Anspruch ist ein höherer. Wir reden von acht bis 14 Kameras, einem Regisseur, der das Stück und die Produktion bis ins kleinste Detail kennt. Es werden neben der eigentlichen Aufführung auch Proben aufgenommen, ehe alles in die Postproduktion kommt und schließlich mit den Künstlern abgesprochen wird. Ich erkenne eine Handschrift mit zwei Merkmalen: Qualität und Leidenschaft. Und das sehen Sie bei Classica.
Herr Everding, vielen Dank für das Gespräch.