Herr Nagel, mit "Diese Kaminskis" machen Sie für ZDFneo eine Serie über Bestatter. Wie oft sind Sie eigentlich bereits auf "Six Feet Under" angesprochen worden?

Menschen brauchen immer Schubladen. Und die haben wir bei unserem Pitch gerne bedient. "Six Feet Under" meets "Die Ludolfs" - das waren die Schlagworte, mit denen wir unsere Serie vorgestellt haben. Vergleichbar sind "Diese Kaminskis" und "Six Feet Under" natürlich nicht. Es ist ja schließlich auch nicht jede Krimiserie wie ein "Tatort" angelegt. Wenn überhaupt gibt es Parallelen zum "Tatortreiniger", weil beide Serien etwas Morbides haben und auch wir in dieser schrägen Lücke zu verorten sind. Aber die Machart der Kaminskis ist dennoch ganz anders.

Worin liegt der Reiz des Morbiden?

Das hat zunächst mal damit zu tun, dass es ein Thema ist, das für viele fremd ist. So gesehen bin ich also genauso befangen wie jeder andere auch. Als wir den "TVLab"-Piloten drehten, kam unser Ausstatter Georg Kuhn zu mir und meinte: "Du, ich hab schon mal 'nen Sarg gekauft" und fragte dann, ob er den erst mal in unserem Büro abstellen könne. Das war eine wahnsinnig schräge Vorstellung! Ich schaue doch nicht drei Wochen lang auf einen Sarg! (lacht) Nach unserem Piloten hätte ich erst mal eine Woche im Kindergarten arbeiten müssen, quasi als Ausgleich. (lacht)

Dabei ist Ihnen doch eigentlich nichts fremd...

Nicht wirklich. Tatsächlich habe ich schon immer gerne ungewöhnliche Themen in die Comedy gebracht. Als wir für Comedy Central einst "Kargar trifft den Nagel" gemacht haben, war es unser Ziel, den Schmutz in die deutsche Comedy zu bringen, etwa durch Selbstmordattentäter-Sketche oder Outtakes von Geiselvideos. Das Spannende sind doch gerade die Ränder der Gesellschaft. Man muss die Minderheiten und Figuren allerdings mit Liebe verfolgen. Sonst funktioniert es nicht.

Spannend bei den "Kaminskis" ist, dass die Serie mit halb-dokumentarischen Doku-Elementen daherkommt. Wieso gerade dieses Stilmittel?

Mein Kollege Torsten Fraundorf kam mit der Idee an, eine Dokusoap über drei Bestatter machen zu wollen, die so bescheuert sind wie die Ludolfs. Finde solche Typen mal. Ganz davon abgesehen, dass es ja auch noch die Angehörigen gibt, die gerade andere Sorgen haben, als sich von einem Kamerateam begleiten zu lassen.

Eine Beerdigung ist tatsächlich kein Schrottplatz.

Na ja, wenn da jemand meine Lichtmaschine haben will, dann ist das doch etwas anderes als wenn ich eine Urne für meine Frau aussuchen muss. Also haben wir gemeimsam mit Rainer Marquass von Eyeworks verschiedene Ideen entwickelt, wie man womöglich mit Drehbüchern und gecasteten Typen nachhelfen kann. Am Ende kam eine fiktionale Serie heraus, die jedoch mit Doku-Elementen arbeitet.

Wie schwer war es, das ZDF von diesem Konzept zu überzeugen?

Nicht so schwer, wie man denken mag! Ursprünglich hatten wir drei Ideen fürs "TVLab" eingereicht. Nach zwei Absagen waren wir zunächst ziemlich enttäuscht - umso überraschender kam die Zusage für die "Kaminskis". Wegen des morbiden Charakters hatten wir dieser Serie eigentlich die geringsten Chancen ausgerechnet.

Diese Kaminskis - Wir legen Sie tiefer!© ZDF/Marcel Haupt

Fiktionale Produktionen sind teuerer als eine klassische Dokusoap und gewissermaßen Neuland für ZDFneo. Hat sich das finanzielle Korsett beim Dreh bemerkbar gemacht?

Ich habe in der Vergangenheit mal gescherzt, dass ich in einem Interview mit DWDL.de einmal den Satz unterbringen möchte: "Fiction geht auch für ein Viertel". (lacht) Aber im Ernst: Natürlich bekommt man sinkende Budgets zu spüren. Im Falle der "Kaminskis" kamen wir klar, weil wir an vielen Ecken gespart haben. Man benötigt ja auch keine fünf Catering-Wagen für eine gute Produktion, auch wenn man manchmal das Gefühl hat, das Essen sei für die Leute wichtiger als die Gage. (lacht) Man kann jedoch auch mit kleineren Budgets sinnvolle Sachen anstellen, selbst Stunts oder Verfolgungsszenen. Da hat natürlich auch der Dokusoap-Ansatz geholfen, dessen Aufwand nicht mit dem klassischer Serien vergleichbar ist.

Worin liegt denn die größte Schwierigkeit beim Vermischen von Fiktion und Scripted Reality?

Es ist häufig passiert, dass am Set ein geschriebener O-Ton gesprochen wurde, den wir dann doch weggelassen haben. Stattdessen sollten es die Schauspieler improvisieren. Das war im Zweifel vielleicht weniger lustig, aber echter - und kam aus diesem Grund wesentlich unterhaltsamer daher. Authentizität war uns ohnehin sehr wichtig. Deshalb habe ich am Set alle, auch die Gastschauspieler, ausschließlich in ihren Rollennamen angesprochen. Damit wollten wir erreichen, dass wirklich jeder in seiner Rolle bleibt.

Sie selbst hat es in der Vergangenheit immer wieder vor die Kamera gezogen. Wie wichtig ist Ihnen das?

Gar nicht! Bei den "Kaminskis" spielte das sowieso keine Rolle. Da wäre ich auch völlig fehl am Platz gewesen. Es hilft als Regisseur allerdings, wenn man selbst schon mal vor der Kamera stand und ahnt, wie man eine Szene spielen könnte. Das macht es manchmal auch für die Schauspieler leichter, auch wenn sie das häufig furchtbar nervig finden. Ich weiß, wovon ich spreche. (lacht)

Zum Schluss noch eine inhaltliche Frage: An welchen Schrauben wurde im Vergleich zum "TVLab"-Piloten gedreht?

Wir sind insgesamt filmischer geworden und haben uns mehr auf die Figuren konzentriert. Im "TVLab" sind wir noch ziemlich auf die 12 gegangen. Damals wollten wir den Doku-Charakter möglichst lange aufrechterhalten und haben darauf verzichtet, gleich mit Gags zu beginnen. Die Leute sollten sich das erst einmal in Ruhe anschauen und nach ein paar Minuten sehen, dass das ja gar nicht echt sein kann, weil es so absurd ist. Viele hatten damit aber auch Probleme, wie man an einigen Reaktionen gesehen hat, in denen es hieß: "Hä, macht ZDFneo jetzt auf RTL II?!"

Herr Nagel, vielen Dank für das Gespräch.