Und wie lautet Ihr Rezept?
Tietjen: Ein guter Moderator lässt sich auf den Gast ein, bleibt auch mal bei dessen Themen – vorausgesetzt die Sachen sind interessant. In solchen Momenten schadet es nicht, die Zettel wegzuschmeißen. Meistens entwickeln sich dann die besten Gespräche.
Bommes: Wenn jemand nur das erzählt, was der Zuschauer eh schon weiß, dann läuft etwas schief. Man sollte Raum lassen für Überraschungen und im Gespräch offen sein für neue Richtungen.
Tietjen: Die schlimmsten Moderatoren sind diejenigen, die sich an ihren Fragen festkrallen und dabei nicht merken, dass ihr Gesprächspartner die nächste Frage längst beantwortet hat. Aber was machen jene Herrschaften? Sie arbeiten die notierten Fragen kompromisslos ab. Boah, so was macht mich wahnsinnig!
Bommes: Das ist aber auch ein Erfahrungswert. In deinen ersten Jahren als Moderatorin ist Dir so etwas möglicherweise auch passiert. Wer aufgeregt ist, hält sich an seinem Gerüst fest.
Tietjen: Na klar! Ich meine ja auch routinierte Moderatoren. Ich will jetzt keine Namen nennen, aber es gibt einige Kollegen, die ihren Fragenkatalog grundsätzlich rigoros einhalten. Nur so nebenbei: Meine erste Frühstücksfernsehsendung werde ich nie vergessen. Ich musste Klaus Töpfer interviewen, er war damals (überlegt)...
Bommes: In deinen Anfangsjahren? Damals war Herr Töpfer noch Student, oder?
Tietjen: Ey! Das war Anfang der Neunziger, mein Lieber! Töpfer war zu jener Zeit Bundesumweltminister. Ich war total verkrampft, wusste nicht, wie ich das Gespräch führen sollte und dachte nur: „Lieber Gott, lass ihn ganz, ganz lange reden, dann muss ich weniger Fragen stellen. (lacht)
Bommes: Mir ist auch mal etwas Schlimmes passiert. Ich interviewte einen Mann, der dafür bekannt ist, selten Interviews zu geben: „Noka“ Serdarusic, er war damals Trainer des THW Kiel. Am Ende des Interviews sagte er: „So, und deshalb werde ich, äh, überlegen, äh, wie das jetzt weitergeht - mein Vertrag läuft ja aus.“ Ich sagte nur „Danke“ und wünschte ihm alles Gute. Dabei realisierte ich nicht, dass er mir soeben eine bis dahin geheime Info erzählt hatte. Nachdem die Kamera ausgeschaltet war, sagte er mir: „Hast Du nicht verstanden, was ich Dir eben gesagt habe?“ Ich fragte ihn sofort: „Können wir nicht noch mal...“, da unterbrach er mich schon mit einem klaren „Nein“. Ich war während des Interviews derart aufgeregt, dass mir die Sache einfach durchrutschte. Passiert!
Frau Tietjen, Sie sagten mal, Sie seien ungeduldig und voreilig und würden deshalb manche Menschen ungerecht behandeln. Wie gehen Sie mit Gästen um, die gern viel und lange reden?
Tietjen: Denen falle ich ins Wort, da bin ich knallhart. Wer nur 15 Minuten Zeit hat, kann den Gast nicht fünf Minuten antworten lassen. Ich mag es ohnehin nicht, wenn Leute dozieren.
Bommes: Stell' Dir mal vor, Du hättest nur fünf Minuten für ein Interview. Im „Sportclub“ sprach ich mal mit Klaus Allofs (früher Manager des SV Werder, jetzt VfL Wolfsburg, d. Red.). Der Klub hatte einige Male hintereinander verloren. Allofs wusste genau, wie er den obligatorischen Nachfragen entgeht und ahnte, dass wir für die Schalte nur wenige Minuten eingeplant hatten. Seine erste Antwort dauerte dann zwei Minuten. (Tietjen lacht) Ich habe nur gedacht: Du abgezockter Profi! (lächelt)
Schauen Sie sich eigentlich selbst gern Talkshows an?
Tietjen: Ja, das treibt meinen Mann manchmal fast in den Wahnsinn, er sagt dann: „Mensch, du sabbelst beruflich den ganzen Tag, weshalb schaust du dir am Abend diese Talkshows an?!“
Was antworten Sie ihm?
Ich mag das. Es entspannt mich, interessanten Unterhaltungen zu lauschen. Außerdem will ich gern sehen, was die Kollegen so anstellen.
Ihre Lieblingstalkshow?
Tietjen: Ich gucke mir gern die Sendung des Kollegen Lanz an. Er ist ein ausgezeichneter Talkmaster. Markus stellt gute und überraschende Fragen. Und er kann zuhören. Sehr gut machen das auch die wunderbaren Kollegen Barbara und Hubertus (NDR-Talkshow, d. Red.); in deren Sendung herrscht immer eine tolle Stimmung.
Bommes: Ich kann nicht behaupten, dass ich mehrmals die Woche Talksendungen schaue. Die Faszination dafür geht im Arbeitsalltag ein wenig verloren. Man weiß halt, wie das Geschäft läuft. 98 Prozent der Deutschen schauen fern, um sich zu entspannen. Für mich dagegen ist es eher anstrengend, weil ich darauf achte, was die Kollegen machen und mir zugleich denke, wie ich es angehen würde.
Und welche Sendungen schauen Sie sich gern an?
Bommes: Ich gucke gern den „Tatort“ und Serien.
Tietjen: Eins noch: Ich hasse Politik-Talkshows. Dieses Format langweilt mich. Immer dieselben Leute, die herumschreien und sich gegenseitig ins Wort fallen, nee!
Bommes: Wie heißt noch mal die Sendung von Wolfgang Bosbach? Die gucke ich gern! Da ist doch auch häufig Anne Will zu Gast ist, oder? (Tietjen lacht) Im Ernst: Ich bin ein großer Fan von Anne Will.
Apropos Fan: Wie reagiert der typische Harburger, wenn er Sie auf dem Wochenmarkt trifft?
Tietjen: Der typische Harburger ist sehr bodenständig, nicht geschwätzig, zuverlässig und absolut patriotisch, was das Leben südlich der Elbe angeht. Ich werde dort seltener angesprochen als nördlich der Elbe. Die Leute haben sich offenbar an mich gewöhnt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Harburger zu 80 Prozent Privatfernsehen schauen (lacht).
Wie erleben Sie das im Hamburger Westen, Herr Bommes?
Bommes: NDR- und ARD-Gebiet, ganz klar! Es gibt Samstage, an denen ich 15 Mal hintereinander zur HSV-Krise Stellung beziehen muss. In den vergangenen zwei Jahren ist es für mich im Übrigen an Montagen desöfteren schwierig gewesen: Ich wurde ständig auf die Quizsendung des Vortages angesprochen. „Na, Herr Bommes, das musste doch Antwort D sein, richtig?“ Das Problem: Ich konnte die Antworten gar nicht mehr wissen, weil die Sendung ein Jahr zuvor aufgezeichnet wurde. In solchen Momenten steht man dann blöd da und lächelt nur noch.