Sie sagten gerade, Phoenix sei aktueller geworden. Als Nachrichtensender versteht sich Phoenix aber trotzdem nicht.

Hirz: Die einzigen Nachrichtensendungen sind die Übernahmen von „Tagesschau“ und „heute-journal“, jeweils mit Gebärdensprache. Aber wir sind trotzdem immer da, wenn sich wichtige Dinge ereignen, bieten zudem Analysen und Hintergründe. Nachrichten wären die komprimierte, journalistisch bearbeitete, sehr kurze Form. Dafür gibt es andere Angebote wie Tagesschau 24. Von denen grenzen wir uns deutlich ab – gewissermaßen ein Stück Aufgabenteilung.

Macht es das für Sie einfacher oder schwerer, die lange Strecke befüllen zu müssen?

Kolster: Sowohl als auch. Wir hätten aber gar nicht die Kapazitäten, um Nachrichten produzieren zu können. An manchen Tagen mit sehr langen Ereignisstrecken denkt man durchaus mal, dass es nicht schlecht wäre, eine Nachrichtensendung in komprimierter Form einschieben zu können. Aber es fehlt uns nicht wirklich. Wir haben auch nicht den Eindruck, dass der Zuschauer das vermisst. Es ist ohnehin schon schwer genug, das jetzige Programm zusammenzustellen, weil man stets darauf achten muss, überall parat zu sein. Es kommt häufig vor, dass Pressekonferenzen eine Stunde vorher anberaumt werden. Da müssen wir uns ziemlich beeilen. Darin sehen wir unseren Auftrag, nicht bei den Nachrichten.

Durch Smartphones und Tablets ist man heutzutage ja ohnehin schneller informiert denn je.

Hirz: Genau das meinte ich mit der veränderten Erwartung des Publikums. Da sind wir Opfer der Dynamisierung. Man ist nicht mehr der einzige, der Aufmerksamkeit auf bestimmte Dinge lenkt. Das setzt uns unter Zugzwang. Schon deswegen kann man – anders als in den 80ern oder 90ern – nicht mehr bis morgen oder übermorgen warten. Wenn etwas passiert, muss man sofort hin. Da hilft's eben nicht, wenn man eigentlich ein Sonderprogramm eingeplant hat.

"Unser Publikum will sich nicht an brisanten und spektakulären Bildern berauschen."
Michael Hirz

In vielen Situationen müssen Sie sich daher trotzdem mit der Nachrichten-Konkurrenz messen lassen.

Hirz: Das tun wir auch gerne. Die Terroranschläge in Paris zu Jahresbeginn haben gut gezeigt, worin die Unterschiede liegen. Während sich die einen an Verfolgungsbilder klammerten, haben wir viel stärker versucht, die Geschehnisse einzuordnen.

Kolster: Wir merken, dass bei solchen Ereignissen der Gang zunächst zu den Nachrichtenkanälen geht. Aber wenn der Hype über die ersten Bilder verflogen ist, landen dann doch viele bei uns. Wir müssen nicht immer die Ersten sein, uns geht es um seriöse und vor allem geprüfte Informationen. Die Dauerschleife der Ereignisbilder hat sich irgendwann ausgesendet.

Hirz: Unser Ehrgeiz ist ohnehin ein anderer. Unser Publikum interessiert sich eher dafür, wie es zu solchen Ereignissen gekommen ist, und will sich nicht an brisanten und spektakulären Bildern berauschen. Das können die Kollegen gerne bieten. Sie müssen das dann allerdings auch mit sich und ihrem Berufsethos ausmachen.

Sie sind mit Ihrer Strategie sehr erfolgreich. Der Marktanteil liegt bei mehr als einem Prozent und ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.

Kolster: Wir haben mit einem Marktanteil von 1,2 Prozent sogar gerade unser bestes erstes Quartal hinter uns gebracht.

Abgesehen von den Ereignisstrecken – womit erreichen Sie die Zuschauer?

Kolster: Die Dokumentationen standen bei den Marktanteilen meist an erster Stelle, aber auch die Gespräche und die Ereignisse haben aufgeholt. Natürlich gibt es innerhalb der einzelnen Programmsäulen Highlights – bei den Gesprächen ist etwa der „Internationale Frühschoppen“ eines der Formate, die besonders gut eingeschaltet werden. Und im Falle der Ereignisstrecken brachte uns zum Beispiel der Prozess um Uli Hoeneß oder die Berichterstattung zum G7-Gipfel Marktanteile von drei oder vier Prozent. Aber auch bei Pressekonferenzen mit Putin schalten die Zuschauer gezielt ein.

Zum Schluss müssen wir noch auf den Sitz des Senders zu sprechen kommen. Was spricht eigentlich für Bonn, wo doch mitunter die ganze Welt auf Berlin schaut?

Hirz: Nächste Frage. (lacht)

Kolster: Das ist eine politische Entscheidung, die mit dem Weggang von ARD und ZDF im Rahmen des Regierungsumzugs gefallen ist. Die Deutsche Welle und wir sind in Bonn geblieben. Wir müssen aber auch in Berlin vertreten sein, weil wir ganz eng an die Politik gebunden sind. Das hat Vor- und Nachteile. Darüber können wir lange diskutieren.

Dann drehen wir's mal um: Was hat Bonn, was Berlin nicht hat?

Hirz: Was eben als Nachteil genannt wurde, ist gleichzeitig auch ein Vorteil. Durch die Distanz zu dem sehr hektischen Betrieb in Berlin verändert sich ein Stück weit der Blick darauf. Man ist ein wenig gelassener, was für die Beurteilung von Ereignissen gelegentlich nicht verkehrt ist.

Kolster: Nicht Teil der berühmten Berliner Käseglocke zu sein, hat Vorteile. So sehen wir das alles eben aus dem Bonner Blickwinkel – und das tut uns ganz gut, weil man dann auf dem Teppich bleibt.

Hirz: Das ist dann wirklich das ganze Bild – um mit unserem Slogan zu sprechen. (lacht)

Frau Kolster, Herr Hirz, vielen Dank für das Gespräch.