Aber steckt hinter dem Boom der On-Demand-Angebote nicht auch der Wunsch gucken zu können was ich will, wann ich will? Brauche ich da noch ein Medium, das Fernsehen planbar macht?

Westendorp: Bastian Pastewka hat ja oft schon seine Liebe zu Programmzeitschriften und dem damit verbundenen Prinzip Vorfreude geäußert. Wir verkaufen ein Stück weit über Vorfreude auf Fernseh-Highlights und kultivieren sie auch. Ganz Deutschland ist derzeit noch Pastewka, und das wird sich auch so schnell nicht ändern. Das kann Print besser als jedes digitale Info-Angebot. Immer wenn ich gefragt werde, ob unsere eigenen digitalen Angebote von „TV Movie“ - die von meinen Kollegen verantwortet werden - nicht dem gedruckten Heft Konkurrenz machen, sage ich: Nur bedingt.

Inwiefern?

Westendorp: Eine Programmzeitschrift auf dem Couchtisch gibt einen schnelleren Überblick übers TV-Programm als jedes digitale Angebot. Mit „TV Movie Digital XXL“ bilden wir 121 Sender ab. Versuchen Sie mal, sich da auf einem Smartphone-Bildschirm schnell einen Überblick zu verschaffen. Da ist das Blättern in einer Programmzeitschrift ohne jeden Zweifel schneller. Die Apps sind dafür wiederum unschlagbar, wenn ich beispielsweise ad hoc wissen will, was gerade läuft. TVmovie.de hat seinen Peak kurz vor der Primetime und unsere Tablet-Apps haben die höchste Nutzung dann ab 20.15 Uhr - in der klassischen Second Screen-Nutzung. Es gibt also verschiedene Nutzungsszenarien zwischen Print und Digital. Und das ist auch gut so.

Ja und sicherlich auch bezogen darauf, wo sich das große Geld verdienen lässt. Da ist Print doch ungleich profitabler für Sie als die digitalen Angebote und wird das zumindest in den nächsten Jahren noch bleiben.

Westendorp: Ich würde es mir wünschen. Ich bin für Print zuständig. Ich wünsche allen Kollegen viel Erfolg, aber in dem Fall muss ich ein bisschen egoistisch sein.

Bleiben wir im Print und sprechen nochmal über das SpinOff „InSerie“. Die zweite Ausgabe liegt jetzt vor. Mit welchen konzeptionellen Gedanken haben sie das Heft eigentlich entwickelt?

Westendorp: Wir haben die rasant steigende Nutzung dieser Subscription-Video-on-Demand natürlich aufmerksam verfolgt und parallel dazu relativ überrascht festgestellt, dass es keinerlei Überblick gibt, welche Serie bei welchem Anbieter verfügbar ist und welche Staffeln zu sehen sind. Es fehlte Markttransparenz. Jetzt kann ich mich glücklich schätzen, hier so viele leidenschaftliche Kolleginnen und Kollegen zu haben, die aus privatem Interesse schon sehr tief im Thema waren.

Meißner: Es fehlt an Orientierung. Einmal über die verschiedenen Anbieter hinweg, aber auch bei den Angeboten selbst. Netflix bietet mir jetzt groß „Narcos“ an, aber welche anderen eigenproduzierten Serien Netflix in diesem Jahr allein schon gestartet hat - diese Informationen muss man sich zusammensuchen oder per Zufall auf die einzelnen Produktionen stoßen. Und dann gibt es Serien, die im Free-TV wegen schlechter Quoten irgendwo ins Nirvana verlegt werden wie zuletzt „Homeland“. Solche großartigen Produktionen verdienen es, Aufmerksamkeit zu bekommen. Nur weil sie im Free-TV nicht funktionierten, müssen sie ja nicht schlecht sein.

In Serie Listing

"In Serie" will mit Listings Übersicht ins Angebot der SVoD-Angebote bringen

In welcher Frequenz könnte „InSerie“ denn in 2016 erscheinen? Weiterhin zweimal im Jahr als punktuelle Marktübersicht?

Meißner: Also ich könnte mir so Einiges vorstellen.

Westendorp: Wir schauen uns diesen Markt weiter genau an. Wir sehen, dass der Markt wächst und sehen von Apple die ersten Signale, in diesem Geschäft auch mitmischen zu wollen. Mit immer mehr Plattformen und immer mehr guten Serien wird der Bedarf für ein Magazin wie „InSerie“ sicher eher steigen als abnehmen. Die vorläufige Frequenz, zweimal im Jahr zu kommen, ist für uns natürlich auch Gelegenheit, weiter zu lernen. Das ist ja ein völlig neues Zeitschriften-Genre, das wir hier ausprobieren.

Die zweite Ausgabe von „InSerie“ stellt - so bewirbt es das Cover - wieder die 220 besten Serien vor. Doppelt sich das nicht mit der Erstausgabe, die das Gleiche versprach?

Westendorp: Wir haben uns natürlich diese Frage auch gestellt und hatten den journalistisch etwas freieren Mantelteil für die zweite Ausgabe größer geplant, aber es stellte sich am Ende heraus, dass es noch viel zu viele starke Serien gibt, die wir portraitieren wollten. Aber natürlich wird sich das in den kommenden Ausgaben nicht in der gleichen Form wiederholen lassen, wenn wir die Frequenz erhöhen sollten. Genügend Stoff gibt es für einen stärkeren Mantelteil. Da profitieren wir dann auch davon, dass „TV Movie“ immer schon Setvisits gemacht und exklusive Interviews geführt hat. Wir haben als einzige Programmzeitschrift eine eigene Hollywood-Korrespondentin, die exklusiv für uns arbeitet. Diese Zugänge helfen auch „InSerie“, bei den Lesern zu punkten.

In Serie Innenseite© Bauer Media Group

"In Serie" bringt zu den Serien Inhaltsangaben, Bewertungen und Zusatzmaterial wie Interviews

Wie erklären Sie Kollegen aus anderen Märkten eigentlich, dass wir in Deutschland ein derart großes Angebot an Programmzeitschriften haben? Nirgendwo auf der Welt gibt es mehr Titel in diesem Segment…

Westendorp: (lacht). Das ist wirklich schwer. Das ist eine typisch deutsche Eigenheit. Wie Miriam Meißner gerade ja auch schon sagte: Netflix und Amazon beispielsweise mussten diese Besonderheit im deutschen Markt erst einmal verstehen lernen. Der deutsche Fernsehmarkt ist eben auch anders: Wir haben schon sehr lange einen sehr großen Free-TV-Markt mit einem sehr starken öffentlich-rechtlichen Angebot und dementsprechend sehr früh den Bedarf nach Übersicht gehabt. In Großbritannien wiederum gibt es ohne Pay-TV nur wenig Auswahl. Da geht ohne Pay-TV nichts.

Und trotz der Unterschiede wird so gerne mit Großbritannien verglichen…

Westendorp: Sie meinen die Bundesliga?

Ja.

Westendorp: Ja, die Bundesliga träumt immer wieder von ähnlichen Erlösen wie in Großbritannien. Aber dort ist die Premier League nun mal quasi exklusiv im Pay-TV. Wir können aber nicht jaulend zur Premier League nach Großbritannien rüberschauen und sagen, wir wollen genauso viel TV-Geld bekommen wie die Vereine drüben, um im europäischen Wettbewerb mithalten zu können - und gleichzeitig jedes Mal, wenn die kurz nach Abpfiff laufende „Sportschau“ angetastet werden soll, aufschreien.

Blicken wir angesichts eines möglicherweise großen Umbruchs in der Mediennutzung mal zurück: Welche weiteren Meilensteine gab es für die „TV Movie“?

Westendorp: Es gab schon so einige Meilensteine bei „TV Movie“ - immerhin feiern wir nächstes Jahr schon unseren 25. Geburtstag. Die Geschichte von „TV Movie“ begann in einer Zeit, in der RTL nach Deutschland gezogen ist und durch die Privatsender plötzlich viel mehr Hollywood-Filme im Fernsehen zu sehen waren. Dann kam die zweite Generation der Privatsender mit RTL II, Vox und Kabelkanal. Das Pay-TV hat in Deutschland auch bekanntlich viele Anläufe gebraucht. Premiere damals mit einem einzigen Kanal. Daraus hat sich ja einiges entwickelt bis hin zu der im deutschen Fernsehen eingesetzten Fragmentierung. Dazu kommt jetzt die Herausforderung der non-linearen Programmanbieter. Aus unserer Sicht ist es nie wirklich langweilig geworden im deutschen Fernsehen.

Dafür sorgt ja im Zweifel auch mal „TV Movie“ - mit fragwürdigem Clickbaiting mit Krebserkrankung. Wie sehr ärgert sowas? Zu verantworten hatte das zwar die Bauer Xcel Media, aber ihr Name wird nun mal mit „TV Movie“ verbunden…

Westendorp: Also erst einmal: Ich bin grundsätzlich sehr zufrieden mit der Arbeit meiner Kollegen, die Online verantworten. Dazu muss man wissen, dass wir eine Trennung zwischen Print und Online praktizieren. Da gibt es unterschiedliche Strategien im Markt. Bei Bauer wird das getrennt gemanagt, weil man unterschiedliche Zielgruppen erreichen will und dafür eine entsprechend individuelle Ansprache sucht. Es gab diesen Fall, bei dem die Kollegen übers Ziel hinausgeschossen sind. Das war etwas, was sicherlich auch aufs Print-Produkt und die Marke „TV Movie“ zurückfällt. Wir haben das noch am gleichen Abend korrigiert und uns sofort entschuldigt. Dieser Ausrutscher tut mir sehr leid – das sage ich auch stellvertretend für die Digitalkollegen, da wir uns in der Sache vollkommen einig sind. Eine solche Geschichte sollte sich nicht wiederholen.

Herr Westendorp, Frau Meißner, herzlichen Dank für das Gespräch.