Und wie geht ihr mit den Reaktionen eures Publikums um? Bei den Worten "RTL II" ist nicht jeder eurer Fans begeistert…

Arno: Das ist richtig. Bei RTL II You war es aber so, dass wir einfach zwei Formate von uns sublizenziert haben. Wir waren der Herr der Inhalte und haben diese Sendungen bereits vorher produziert. Wir verstanden dennoch die Sorgen der Fans und haben uns deswegen in einer "Moinmoin"-Ausgabe vor die Kamera gesetzt und unseren Zuschauern erklärt, was es mit dieser Kooperation auf sich hat. Auf RTLII laufen ja nicht nur Horrorformate wie "Frauentausch", sondern durchaus auch Vice-Dokus oder spannende Serien wie "Game of Thrones".  

Etienne: Das ist doch der entscheidende Punkt: Wenn du mit deiner Community redest und Transparenz bietest, kannst du viele unnötige Probleme aus dem Weg räumen. Man darf seinen Zuschauern nichts vorlügen und sie für doof verkaufen – das sind sie nämlich nicht. Wir haben klar gesagt, dass wir Geld für diese Partnerschaft bekommen. Geld, das unseren Sender finanziert. Manchmal muss man eben Entscheidungen treffen, die in erster Linie den wirtschaftlichen Erfolg sichern und erst in zweiter Linie der Selbstverwirklichung dienen. Damit sind wir bisher sehr gut gefahren, weil wir eben auch kein Projekt annehmen würden, hinter dem wir nicht stehen. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass nichts besser wird, wenn man nur hatet. Wenn RTL II You zu uns kommt und sagt "Hey, wir finden euch cool, würdet ihr uns helfen, cooler zu werden?", kann man natürlich sagen "Nee, mit euch wollen wir nichts zu tun haben". Oder man kann sagen "Okay, lasst uns versuchen, was auf die Beine zu stellen". Wir gehen lieber den Weg der Konstruktivität, anstatt stur Dinge abzustempeln. Wenn RTL II dieses Image verlieren soll, muss ja etwas anders gemacht werden und dabei wollten wir helfen.  

Wann läuft man Gefahr, zu viele Partner zu haben? Irgendwann könnte die Marke Rocket Beans trotz der Transparenz in Gefahr sein.

Arno: Da muss man dann aber auch unterscheiden, ob es Auftragsproduktionen für Dritte sind, oder diese Formate zusätzlich noch auf unserem Sender laufen sollen. Wenn man sich nämlich Branded Content anschaut, wollen Marken mit ihrer Botschaft in unseren redaktionellen Freiraum gelangen und da ist es ganz klar, dass wir hier unsere Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzen dürfen. Generell suchen wir uns nur Kooperationspartner aus, die zu unserem Kosmos und unserer Community passen. Mit Adobe, Expert, Jägermeister und Vodafone haben wir uns da bisher sehr gut aufstellen können. Unser Zuschauer ist durchschnittlich zwischen 25 und 29 Jahre alt, überwiegend männlich und interessiert daran, unser Schaffen aktiv und interaktiv mitzugestalten. Das ist sehr attraktiv für diverse Marken und hier sehe ich durchaus noch Potential für weitere Kooperationen, ohne dass wir uns dabei verbiegen müssen – im Gegenteil! Außerdem holen diese Kooperationen zusätzliches Budget für unseren originären Content rein.

Etienne: Das Ding ist, dass wir im Haus ein großes Team bestehend aus kreativen Köpfen haben. Angebote, die nicht zu uns passen, haben gar nicht erst die Chance, abgenickt zu werden. Hier ist jeder mit dermaßen viel Leidenschaft und Identifikation dabei, dass selbst jemand mit vielen Scheinen und dem Angebot, eine Beauty-Sendung für ihn zu machen, keine Chance auf Erfolg hätte. Das würden auch unsere Zuschauer nicht akzeptieren. Wir sieben also automatisch alles aus, dass nicht zu uns passt. Außerdem gibt es auch Leute, die gewisse Formate besser machen können als wir. Wenn du "Das perfekte Promi-Dinner" produzieren möchtest, kommst du wahrscheinlich nicht zu den Rocket Beans. Das ist einfach nicht unser Metier, auch wenn wir mit unserer Erfahrung und unseren Production Units wohl alles machen könnten, was im Fernsehen läuft. Selbst wenn man sich unseren Branded Content anschaut, sieht man nicht nur reine Werbespots für die Marke, sondern auch unseren eigenen Touch. Du gehst ja auch nicht zu Quentin Tarantino und sagst "Dreh mir mal einen süßen Werbespot für Nivea", sondern du weißt, auf was du dich einzulassen hast: ein blutiges Spektakel (lacht). Wir haben einen Style etabliert, der für uns steht. Sollte also jemand sagen, dass er von uns einen Beauty-Blog haben möchte, bekommt er den wenn, dann im Rocket Beans und nicht im Bibi-Style.

Ist es eigentlich noch erstrebenswert, im Fernsehen zu laufen? Oder ist das Internet heutzutage viel lukrativer und angenehmer? 

Arno: Wir machen Bewegtbild und wir machen Unterhaltung. Ob unser Programm nun auf dem Smartphone, dem Smart-TV oder Tablet geschaut wird, ist doch eigentlich egal. Eingespielte Werbung kann man im Fernsehen natürlich noch teurer verkaufen, ist sie im Internet dafür aber auf den Zuschauer zugeschnitten.

Manche Sachen funktionieren im Netz offenscheinig aber auch besser, siehe "Chat Duell": Ein interaktives Format von euch, bei dem man am besten Leute braucht, die vor einer Tastatur sitzen. Oder könnte Interaktivität auch das lineare Fernsehen auffrischen?

Arno: Die Interaktivität wird ja auch schon im Fernsehen ausgetestet, mit dem "Quizduell" beispielsweise. Das "Quizduell" ist jedoch auf eine ältere Zielgruppe zugeschnitten und mir persönlich dadurch zu langsam erzählt. Die Talks mit den Gästen ziehen sich und der Entertainment-Faktor fehlt. Die Rocket-Beans-Zuschauer sind jedoch auch nicht die Zielgruppe, die die ARD ansprechen möchte. Aber ja, ich bin der Meinung, dass unser Format "Chat Duell" genauso gut im "echten" Fernsehen funktionieren würde. Dann hätte man eben einen Second Screen mit dem Smartphone, anstatt eine Tastatur vor sich. Es muss nur knackig aufbereitet werden. Unsere Formate funktionieren allerdings hauptsächlich durch redaktionelle Leidenschaft in der Umsetzung und nicht durch einen funkelnden Shiny-Floor. 

Apropos "Chat Duell": Gab’s da eigentlich keine Copyright-Beschwerden in Hinsicht auf das "Familienduell"? Ich erinnere mich vage an "Schröcks Fernsehgarten"…

Arno: (lacht) Bei "Schröcks Fernsehgarten" ging‘s ja darum, dass das Wort "Fernsehgarten" vom ZDF gesichert worden ist und jeder, der es in einem eigenen Sendungstitel verwendet, Post vom ZDF-Justiziariat bekommt. Daraufhin habe ich mit den Verantwortlichen telefoniert, die unser Format zwar lustig und gut fanden, aber keine Ausnahme machen konnten. Das war zwar etwas schade, aber verkraftbar. Beim "Chat Duell" ist es so, dass wir diverse "Familienduell"-Regeln geändert haben und es so keine Probleme geben sollte. Wir haben uns bei der Produktionsfirma Fremantle zwar nicht rechtlich abgesichert, aber uns wurde von einem CEO ein positives Feedback gegeben. Den ärgerlichsten Copyright-Vorfall hatten wir übrigens im letzten November bei unserem Relaunch, als wir vereinzelte Grafiken von einer Künstlerin aus Singapur unverändert in unser neues Design übernommen haben. Letztlich waren das nur zwei Planeten und ein Kometenschweif aus einem ganzen grafischen Bohnen-Universum, aber wir hatten Glück im Unglück, da die Künstlerin sehr gelassen mit uns kommunizierte und wir das in Ruhe wieder ändern konnten. Es war zwar ein blödes Missgeschick, das wir uns ganz klar auf die Kappe schreiben müssen, gleichzeitig aber auch ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass wir immer mehr im Licht der Öffentlichkeit stehen und alles, was wir machen, inzwischen genauer beobachtet wird. 

Versteht sich "Rocket Beans TV" mit all den neuen Formaten eigentlich immer noch als nischiger Nerd-Sender?

Arno: In Anbetracht der Themenbreite nicht unbedingt. Aber durch die Art, wie wir uns präsentieren, sind wir weiterhin Nische. Kaum einer, der kein Gamer ist, kannte Twitch als Ausstrahlungsort. Auch YouTube bleibt im Vergleich zum großen Fernsehen Nische.

Etienne: Wir reden über Themen, die uns und unsere Community interessieren. Klar hat Gaming einen hohen Stellenwert in unseren Leben, doch schauen einige von uns auch gerne mal Fußball, kochen extravagant oder gehen ins Kino. Es spricht also nichts dagegen, Sendungen über solche Themen zu machen. Wem ein bestimmtes Format nicht gefällt, der kann sich ganz einfach ein anderes aussuchen. Es ist ja auch immer eine Frage der Definition des Begriffs "Nerd". Man muss nicht nur gerne zocken, um ein Nerd zu sein. Es gibt auch Musik-Nerds oder Bücher-Nerds – Menschen, die ihr Hobby lieben. 

Siehst du dich eigentlich selbst als Nerd, Arno?

Arno: Als Gaming-Nerd nicht, nein. Ich bin aber ein Nerd, wenn es um Leidenschaftsfernsehen und gut gesetzte Unterhaltung geht. Das war ich bereits vor "Game One" mit Sendungen wie "Pimp my Bike" und bin ich auch heute noch.

Du bist also kein Gamer. Woher kam dann dein Vertrauen und das ganze Engagement, dass du in "Game One" und nun "Rocket Beans TV" gesteckt hast, wo anfangs nun mal nichts anderes thematisiert wurde?

Arno: Als ich Simon und Budi Ende 2005 kennengelernt habe, konnte ich sofort spüren, mit welch einer Leidenschaft sie hinter ihren Ideen stehen. Es war nie schwer, zu sehen, dass die Jungs alles daran setzen würden, um sich selbst zu verwirklichen. Außerdem hat die Chemie zwischen uns von Anfang an gestimmt. Wenn man das als Produzent spürt und hinter dem Konzept steht, ist es nicht zwangsläufig erforderlich, dass ich mich zu 100% mit der Thematik hardcoremässig auskenne. Außerdem war ich schon immer jemand, der gerne den unkonventionellen Weg gewählt hat. Nils und Etienne stießen dann 2009 zunächst als Online-Redakteure zu uns, als wir von Viacom den Auftrag bekommen haben, gameone.de mit Content zu füllen. Sie haben mich in meiner Entscheidung nur bestätigt. 

Du wirst deine Gründe haben, warum du nicht öfters vor der Kamera zu sehen bist. Ist es manchmal dennoch nicht etwas komisch, wenn jedermann Budi, Etienne, Nils und Simon kennt, bei dir aber erst mal nachfragen muss, was du eigentlich machst? 

Arno: Damit habe ich ehrlich gesagt überhaupt kein Problem. Ich habe mich inzwischen sogar daran gewöhnt auch mal vor der Kamera zu stehen und habe im Rahmen des Senders zig Interviews geführt und Vorträge gehalten. Ich bin auch der Meinung, dass es sich gut anfühlen kann, wenn man im Rampenlicht steht, doch nimmt mich das dann viel zu sehr ein und lenkt mich vom Wesentlichen ab. Ich bin Geschäftsführer und muss mich vor allem darauf konzentrieren meinen Beitrag zu leisten, dieses wahnsinnig schnell wachsende Konstrukt unserer Firma gemeinsam mit unserem unfassbar tollen Team in die richtige Richtung zu lenken. 

Gab es etwas in den letzten zwei Jahren "Rocket Beans TV", das ihr bereut?

Arno: Der Fehler, der mir auf als Erstes in den Sinn kommt, ist, dass es Zeiten gab, in denen wir uns vom Stress haben überrumpeln lassen und unserer Community, auch aus damaligem Personalmangel, nicht die nötige Aufmerksamkeit schenken konnten. Wir sind ein Community-Sender und verdanken unseren Zuschauern buchstäblich alles, was wir heute haben. Deswegen steht sie bei uns an erster Stelle.

Vielen Dank für das Gespräch Etienne und Arno!