Frau Emmelius, mit Funk wird ZDFneo, das junge Programme des ZDF, jetzt von links überholt. Für wen machen Sie eigentlich Programm?

ZDFneo ist offen für alle. Wir sind die jüngere, aber nicht junge Alternative zum Hauptprogramm. Der Fokus von ZDFneo ist da auch über die Jahre gleich geblieben, nur das Umfeld hat sich verändert. Als wir gestartet sind im Jahr 2009 war das Internet schon sehr präsent, aber die Fernsehnutzung noch fast ausschließlich linear. Das hat sich bekanntlich geändert und wir tragen dem mit Formaten, wie z.B. dem "Neo Magazin Royale", die auch im Internet funktionieren, Rechnung.

Es wirkt so als würde sich ZDFneo im Programm ein Stück weit weniger radikal und näher am Hauptprogramm positionieren.

Ja und nein. Bislang hatte ZDFneo eine gewisse Schnittmenge mit dem Hauptprogramm, dazu kommt jetzt mit Funk auch eine Schnittmenge hin zur noch jüngeren Zielgruppe. Das macht es für uns sehr spannend, weil wir nun noch besser eingebunden sind und zum Beispiel ja auch mit Funk zusammen gemeinsam Serien erwerben. Schlüssiger war das Programmangebot für alle Altersgruppen noch nie.

Schnittmenge ist eine schöne Formulierung. Man kann auch kritisieren: Die größten Erfolge feiert ZDFneo mit der Wiederholung von ZDF-Krimis. Erklärtermaßen sollte ZDFneo doch kein Wiederholungssender fürs Hauptprogramm werden.

Aufgrund unseres bewiesenen Erfolges und unseres aufgebauten und gepflegten Images können wir an der Stelle glaube ich inzwischen sehr gelassen sein. Am Anfang von ZDFneo war es sehr wichtig, ganz deutlich zu machen, dass dies keine Zweitverwertungsplattform ist. Deswegen ist der Sender mit einer Vielzahl von neuen Formaten und Experimenten gestartet. Wir haben - nicht mit jedem Format, aber einigen - geschafft, was uns niemand zugetraut hatte: Einen neuen, jüngeren Zugang zu finden.

Das klingt aber etwas mehr nach ZDFneo vor drei oder vier Jahren als dem heutigen Programmangebot.

Parallel zur Entwicklung von ZDFneo in den vergangenen Jahren hat das ZDF ebenso an sich gearbeitet und ist im Programm längst jünger als sein Image. Nur deshalb funktionieren inzwischen einige ZDF-Programmhighlights auch in unserer jüngeren Zuschauerschaft bei ZDFneo sehr gut. Aber das ist ja nur eine fiktionale Programm-Komponente. Neben unseren eigenen erfolgreichen Lizenzankäufen wie "Death in Paradies", "The Killer Inside", "100 Code", "No Offence", "Code 37", "Coppers", "Candice Renoir" oder demnächst "Outcast" und "Wayward Pines" kommt dazu mit "Tempel" unsere erste eigene Drama-Serie, und in der weiteren Entwicklung wollen wir für ZDFneo auch eigene Crimeserien produzieren und auch die Sitcomfarbe ausbauen. Damit sind wir dann fiktional sehr gut aufgestellt.

"Die Arbeit an einer fiktionalen Serie braucht seine Zeit."
ZDFneo-Chefin Simone Emmelius

Lassen Sie uns über "Tempel" reden. Wie kam es zur ersten eigenen Drama-Serie für ZDFneo?

Das war eine strategische Entwicklung. Wir haben mit Sitcoms ja bereits unsere ersten Versuche im Fiktionalen gewagt, weil das Genre per se eine recht junge Programmfarbe ist. Da haben wir in dem Feld zwischen Comedy und Sitcom auch viel gelernt bzw. lernen müssen. Dabei hat uns das TV-Lab sehr geholfen, weil es der Nährboden für Ideen und Entwicklungen war, abseits vorhandener Sendeplätze. Auch dank einer Serie wie "Blockbustaz" haben wir gemerkt, dass wir mit ZDFneo jetzt an einem Punkt unserer Entwicklung sind, bei der wir auf genügend Erfahrung und Reichweite zurückgreifen können, um lohnenswert in das teuerste Fernsehgenre zu investieren und unsere erste Drama-Serie zu beauftragen.

Die Entwicklung hat einige Zeit gebraucht. Was hat "Tempel" so anspruchsvoll gemacht?

Der Start der Akquise von Stoffen für eine eigene ZDFneo-Serie ist schon zweieinhalb Jahre her. Die Arbeit an einer fiktionalen Serie braucht seine Zeit. Man hätte die Grundidee von "Tempel" sicher auch als reine Männer-Serie konzipieren können, wenn man sich rein auf das Boxer-Milieu konzentriert hätte und damit eine Serie bekommen, die allein auf eine gewisse Coolness setzt. Aber wir hatten höhere Ambitionen für die erste eigene ZDFneo-Serie.

Können Sie die näher definieren?

Wir wollten die Relevanz aus dem deutschen Lebensalltag und eine breiter aufgemachte Story, die uns durch die Einbindung der Familie gelungen ist und "Tempel" zu einer sehr komplexen, aber dennoch schnell in halbstündigen Folgen erzählten Serie macht. Es geht um Heimat und Familie - zwei Begriffe, die sich modern interpretieren lassen, aber im Kern sehr vertraut sind.

Waren Sie bei der Stoffauswahl für die erste eigene Serie überrascht, mit welchen Ideen Produzenten auf Sie zukamen?

(lacht) Nein, die Zeit liegt hinter uns. Als ZDFneo gestartet ist, da kamen in der Tat viele Produzenten mit der Schublade voller Ideen, die schon einmal vom ZDF abgelehnt wurden. Aber inzwischen haben wir und auch die deutsche Produzentenlandschaft ein deutlich besseres Verständnis dafür, was ZDFneo ausmacht. Die Leitplanken für passende Ideen sind gesetzt und so gab es ein konkretes Briefing für unsere erste eigene Serie. Auf dieser Basis ist dann die Wahl auf "Tempel" gefallen und im intensiven Dialog mit Autoren und Produzenten ist die Serie dann entstanden und geformt worden zu dem, was jetzt on air und online geht.