Wenn Sie von Konsolidierung sprechen, dann soll die Zahl der Kanäle nicht unbedingt wachsen? Ich nehme an, irgendwann ist auch Ihr Budget endlich und für neue Ideen muss man auch manchen Tod sterben?

Florian Hager: Wir nutzen das Geld, was uns zur Verfügung steht, schon maximal möglich für Inhalte. Aber ich denke, dass wir mit den 60 Kanälen die wir derzeit haben - da werden einige neu kommen, andere gehen - schon an der oberen Grenze sind. Konsolidierung meint nicht, dass wir ausmisten wollen, um uns auf 20 Formate zu konzentrieren. Es geht eher darum zu gucken, ob man sich im Einzelfall für die Fortsetzung einer guten Idee oder Raum für eine andere, neue Idee entscheidet.



Eine Zwischenfrage: Sie arbeiten mit vielen YouTubern zusammen. Sollte man sich da auch mal wieder trennen, wem gehört denn dann der produzierte Content: Dem Gebührenzahler, der es bezahlt hat oder kann der YouTuber mit dem Bestand weiter arbeiten?

Florian Hager: Sollte der Fall eintreten, dass sich jemand aufgrund anderer Vorstellungen oder dem Wunsch, sich am Markt zu refinanzieren, trennen will, dann wären wir schon bereit unter Vorbehalt unsere Inhalte nicht zu löschen. Wir müssen uns natürlich das Recht vorbehalten, mit Beitragsgeld finanzierte Inhalte zu löschen falls sich Kanäle  z.B. in Richtungen entwickeln, die wir als Funk nicht vertreten können. Grundsätzlich sehen wir uns aber immer als Enabler.

Sophie Burkhardt: Wichtig ist bei Funk immer die Werbefreiheit und Nicht-Monetarisierung unserer Inhalte. Also da könnte man dann nicht nach einer Trennung den Content der dank Funk entstanden ist, nachträglich nochmal monetarisieren bei z.B. YouTube. Das geht nicht.

Das erste Jahr von Funk stand im Zeichen des Aufbaus, jetzt geht es um den Umbau?

Florian Hager: Ich glaube wir haben dabei schon viele Dinge gut gemacht und für nachhaltiges Wachstum angelegt. Wir werden weiterhin intensiv mit und an den Kanälen arbeiten, um sie nochmal weiter nach vorne zu bringen. Wir werden in der nächsten Phase auch Lücken schließen, die haben wir definitiv noch. Und wir wollen beobachten ob wir mit unseren Kanälen unsere angepeilte Zielgruppe auch in ihrer Vielfalt erreichen. Haben wir Inhalte für jeden? Nutzen wir die richtigen Plattformen?

Sophie Burkhardt: Es gibt auch Projekte, die länger brauchen und nie für das erste Jahr angedacht waren. Wir sind also immer noch dabei Ideen umzusetzen, die wir uns mal ausgedacht haben. Über das ZDF haben wir uns die Rechte für die vielfach gefeierte, norwegische Jugendserie „Skam“ gesichert, um sie für den deutschen Markt zu adaptieren. Und wenn man das ernsthaft umsetzen will, dann müssen wir jetzt erstmal durch die Schulen reisen in Deutschland, um bei Sprache und Themen richtig zu liegen und auch Darsteller zu finden. Das wird ein fiktionales Großprojekt für 2018.

Funk muss stets an zwei Fronten kämpfen: Neben der Zielgruppe geht es auch um die medienpolitische Überzeugungsarbeit. Sehen Sie Funk da als akzeptiert?

Florian Hager: Der Auftrag, die 14- bis 29-Jährigen zu erreichen, steht im Vordergrund, aber wir sind uns in der Tat immer bewusst gewesen, dass wir auch für das öffentlich-rechtliche System Erfahrungen sammeln, um einen Mehrwert zu verkörpern und eine interessierte Öffentlichkeit von dem, was wir da tun, überzeugen müssen. Also alle uns betreffenden Gremien und die Medienpolitik, die in den meisten Fällen raus sind aus dem Alter unserer Zielgruppe und auf andere Art und Weise vermittelt bekommen müssen, was wir hier tun.

Sophie Burkhardt: Ich glaube Funk war auch deshalb in weiten Teilen eine für ARD und ZDF neue Welt, weil wir im Netz andere Rahmenbedingungen haben als die Online-Angebote der Häuser. Da haben viele Lust etwas auszuprobieren, um die Mechaniken besser zu verstehen. Oft hören wir die Frage „Wir würden gerne etwas für Euch machen. Wonach sucht ihr denn eigentlich?“

Ja, wonach suchen Sie denn?

Florian Hager: Sport ist ein Riesenthema in der Zielgruppe, da sind wir noch längst nicht so aufgestellt wie wir es gerne wären. Wir reden da nicht von aktueller Sportberichterstattung sondern anderen Zugängen. Wie der Sport ist auch die Musik ein verbindendes Element - und ein Genre, in dem wir uns noch mehr vorstellen könnten. Ebenso beim Thema Politik, da haben wir jetzt zur Bundestagswahl recht viel gemacht. Das analysieren wir noch in Ruhe und entwickeln bereits etwas in Richtung Innenpolitik. Wir wollen natürlich auch noch mehr eigene Talente selbst aufbauen und wir müssen über den Wert von fiktionalen Staffelproduktionen nachdenken, weil diese Fernsehdenkweise im Netz schwierig ist: Da bleiben dann Kanäle sehr lange unbespielt bis eine neue Staffel vorliegt. Wie kann man das überbrücken? Live ist auch ein spannendes Thema inklusive der Interaktion, die um ein solches Event geschieht.

Sophie Burkhardt: Bei Formen und Plattformen stellt sich die Frage, wie wir Instagram noch besser für uns nutzen können. Wie erzählt man dort?

"Den Bereich der Lizenzserien werden wir in Zukunft nicht weiter ausbauen"
Florian Hager, Programmgeschäftsführer Funk

Gibt es rückblickend betrachtet eine Planung oder Annahme im Vorfeld, die sich dann in der Realität als völlig falsch oder anders erwiesen hat?

Florian Hager: Ich habe im Vorfeld befürchtet, dass es für uns am schwersten werden würde, die jungen Mädchen zu erreichen. Aber das erste Jahr hat etwas ganz anderes gezeigt: Wir haben derzeit noch am ehesten bei den Jungs Probleme, also bei den 14-16 Jährigen. Das hat mich sehr überrascht, aber natürlich freut mich dafür der Erfolg bei den Mädels. Der Erfolg dort liegt sicher auch daran, dass wir andere Rollenbilder zeigen.

Sophie Burkhardt: Ich finde den Aspekt der Facebook-Nutzung bei den Jungen spannend. Ja, es wird nicht so oder nicht mehr so intensiv genutzt wie andere Plattformen, aber über Facebook bekommt man ein wichtiges Grundrauschen und erreicht hin und wieder auch die größten Spitzenwerte genau dort, zum Beispiel mit dem „Jäger&Sammler“-Video zu Rechtsrock in Thüringen. Auch bei der YouTube-Nutzung gibt es interessante Altersunterschiede: Die Jüngeren abonnieren Kanäle, die Älteren nutzen YouTube selektiver und nutzen eher die Suche als sich automatisch informieren zu lassen. So kann man bei den Jüngeren aber auch interessante Übergänge gestalten und über einen Comedy-Kanal wie die „Junggesellen“ ein Schulwissensformat wie „musste wissen“ bekannter machen.

Letzte Frage: Welche Rolle spielen eigentlich die eingekauften Lizenzserien? Zum Start von Funk waren einige Serien dabei, seitdem kommt nicht mehr viel nach. Braucht es diesen Baustein von Funk überhaupt noch?

Florian Hager: Es nicht brauchen, ist vielleicht etwas hart gesagt, aber wir haben den Auftrag an uns immer so interpretiert, dass wir neuen Webvideo-Content erschaffen und diesen dort ausspielen wollen, wo sich unsere Zielgruppe aufhält. Es ging nicht darum, eine eigene Plattform für Lizenzprogramm aufzubauen. Einige unserer Serien haben im Marketing anfangs durchaus geholfen, und das kann auch in Zukunft immer mal wieder der Fall sein, aber den Bereich der Lizenzserien werden wir in Zukunft nicht weiter ausbauen.

Frau Burkhardt, Herr Hager, herzlichen Dank.