Herr Andrae, was haben Sie unlängst beim Deutschen Fernsehpreis mehr gefeiert: die Auszeichnung für Ihre Serie "Magda macht das schon" oder den Etappensieg des VDD in Sachen Nominierungs- und Einladungspolitik der Preisstifter?

Klingt das jetzt zu diplomatisch, wenn ich sage, dass beides ganz toll war? Natürlich ist der Preis eine schöne Belohnung, nachdem man zwei Jahre und mehr an einer Serie gearbeitet hat. Dass man für eine Arbeit, die man so gern macht und in der so vieles so prima geklappt hat, zusätzlich zum Zuspruch der Zuschauer auch noch die Anerkennung der Branche erhält – das ist das Größte. Und dann kam noch hinzu, dass wir als Verband mit unserem Protest eine ideale Spannungsdramaturgie aufbauen konnten. Diese schnelle Reaktion der Stifter und das fundierte Feedback waren ein voller Erfolg. Was mich besonders gefreut hat: Mit Kristin Derfler und Christian Lex standen dann ja sogar noch zwei Kollegen, die ursprünglich gar nicht eingeladen waren, als Sieger auf dem Podium.

Glauben Sie, dass die Haltung der Sender gegenüber Autoren wirklich nachhaltig in Bewegung gekommen ist? Oder ging es nur um die kurzfristige Vermeidung eines Shitstorms vor der Preisverleihung?

Das wird sich jetzt zeigen. Was ich merke, ist, dass das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit für unsere Themen ganz klar zunehmen. Es wäre unrealistisch, dass sich auf einen Schlag alles verbessern wird, was seit langem im Argen liegt. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir mit unseren Gesprächen und Aktionen Schritt für Schritt vorankommen. Erfreulicherweise breitet sich das Bewusstsein dafür aus, dass die Sache der Autoren auch die Sache der ganzen Branche ist. Sonst wäre es ein aussichtsloser Kampf, wenn die Branche insgesamt nicht kapieren würde, dass es hier um ihre Formate geht, mit denen sie schließlich Zuschauer gewinnen will.

Woran merken Sie in Ihrem Arbeitsalltag als Autor, dass das Standing der Berufsgruppe noch nicht da ist, wo es sein sollte?

Ich persönlich kann unter besonders privilegierten Bedingungen arbeiten, unter anderem, weil ich eine langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit meiner Produzentin Beatrice Kramm aufgebaut habe. Bei "Magda" kann ich von Leseproben bis zu Rohschnittabnahmen ungewöhnlich weitreichend in das Format hineinwirken. Das sind alles Vorteile, die sich viele Kollegen noch erkämpfen müssen. In meiner Funktion als Verbandsvorstand versuche ich natürlich, solidarisch zu wirken. Es wird nie völlig gleiche Bedingungen für alle geben. Aber wir müssen in der Breite dahin kommen, dass die Aufmerksamkeit für Autoren nicht mit der Abgabe des Drehbuchs endet und alle anderen damit machen können, was sie wollen. Die Haltung gegenüber dem Autor sollte doch sein: Wir wollen deine Expertise umfassend nutzen, denn du hast dir das Ganze ja ausgedacht.

Ihr Hauptkritikpunkt ist also, dass Autoren nicht ausreichend und nicht sinnvoll ins Gesamtwerk integriert sind?

Genau. Und das lässt sich dann auf viele Einzelpunkte herunterbrechen. Etwa auf die berüchtigten Regiefassungen, in denen sich Regisseure manchmal verewigen und drei Jahre Bucharbeit mit schnellen Strichen umwerfen. Dem wird von Sendern und Produzenten oft wenig entgegengesetzt. In solchen Fragen zeigt sich Respekt. Es geht ja nicht nur um das Wort "Wertschätzung", sondern darum, wie es gelebte Praxis wird. Für die Branche ist es gerade bei den heute so begehrten High-End-Serien schlicht unintelligent, wenn sie einen solchen Braindrain der Autorenkompetenz in Kauf nimmt.

Sind mehr Wertschätzung und Einbindung für Autoren momentan das wichtigere Ziel als mehr Geld?

Gefährliche Frage! (lacht) Ich glaube, man kann das eine nicht vom anderen trennen. Geld ist natürlich ein zentrales Thema, weil ausbleibende Honorarerhöhungen und ausbleibende Wiederholungshonorare über Jahre de facto zu Kürzungen für Autoren geführt haben. Man muss es sich erstmal leisten können, intensiv an Stoffentwicklungen zu arbeiten, wenn man nicht weiß, ob am Ende etwas daraus wird. "Magda" beispielsweise war eine Idee, die ich kurz vor Deadline noch in den RTL-Sitcom-Pitch eingebracht hatte. Für sowas braucht man einen langen Atem, und den hat man nur, wenn man ausreichend finanziert ist. Viele gute Kollegen sagen deshalb, Entwicklungsarbeit lohne sich in Deutschland nicht. Ich finde den Gedanken falsch. Aber da künstlerische Entfaltung allein noch nicht die Miete zahlt, müssen wir gemeinsam dafür kämpfen, dass Stoffentwicklung deutlich besser finanziert wird.

Wie viele deutsche Drehbuchautoren sind denn überhaupt bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen? Offenbar ist doch immer noch der Typus weit verbreitet, der gern im stillen Kämmerlein schreibt, das Buch abgibt, sein Honorar kassiert und mit dem nächsten weitermacht.

Ich habe da keine belastbaren Zahlen. Aus meiner Kenntnis vieler Kolleginnen und Kollegen würde ich schätzen, dass die Mehrheit nicht unbedingt Showrunner sein will. Das ist aber im US-Markt auch nur eine Minderheit der Autoren. Die meisten von uns möchten vor allem ihre Fantasie spielen lassen, Charaktere und Geschichten zum Leben erwecken – mal als Auftragsarbeit, mal als Eigenentwicklung. Vehement nach mehr Verantwortung drängen, wie in allen Lebensbereichen, meist nur wenige Leute. Aber es könnten definitiv mehr als jetzt sein, weil die Rahmenbedingungen im Moment einfach noch nicht offen dafür sind. Um einen solchen Autorentypus stärker heranzuziehen, braucht es von den Sendern stärkere Anreize und von den Hochschulen eine stärkere Ermunterung.

"Im deutschen Markt ist durch die Überbetonung der Regie und die Einmischung von Redakteuren in kreative Prozesse eine spezielle Schieflage entstanden"

Sebastian Andrae, Drehbuchautor und VDD-Vorstand

 

Sie haben vorhin das Wort "solidarisch" benutzt. Wie viel Solidarität erfahren Sie von Regisseuren oder Produzenten, wenn es um die Sache der Autoren geht?

Das ist eine heikle Frage, weil angehende Regisseure auf der Filmhochschule teilweise noch immer den "Auteur"-Gedanken eingeimpft bekommen. Es gibt ja fast kaum noch Regisseure, die nicht auf Hochschulen waren. Die begreifen sich dann oft als Erzähler im umfassenden Sinn und sind damit eigentlich meist selbst überfordert. Im Fernsehen ist es nicht ganz so krass wie im Kino, wo Regisseure dauernd selbst schreiben, aber auch im Fernsehen kommt es oft zum Verdrängungskampf auf Kosten der Bücher. Leider wird das von der Branche teilweise noch befördert, wenn zum Beispiel Festivals nur die Regisseure als Filmemacher einladen. Bei den Produzenten muss man stark differenzieren. Ich kenne viele, die ein sehr hohes Bewusstsein für die Leistung von Autoren haben. Sie sind aber oft erpressbar, weil sie wiederum von Zahlungen und Entscheidungen ihrer Auftraggeber abhängen.

Wie könnte es Ihrer Meinung nach besser laufen?

Für mich ist die engste Keimzelle in der Buchentwicklung die Einheit von Autor und Produzent. Eine fruchtbare Zusammenarbeit entsteht dann, wenn man sich gegenseitig wertschätzt, wenn man weiß, was die jeweils andere Seite kann, macht und durchsetzt. Leider wird diese Flanke in letzter Zeit vom fragwürdigen Vorgehen der Produzentenallianz belastet, deren Veröffentlichungen sich mitunter so lesen, als seien sie die wahren Urheber. Aber meine persönlichen Erfahrungen mit guten Produzenten zeigen mir, dass diese auf Vertrauen, unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte und Augenhöhe setzen.

Bleiben wir beim Stichwort Solidarität. Nahezu alle Gewerke von Masken- und Kostümbild bis zu Postproduction und technischen Dienstleistern klagen über mangelnde Vergütung und mangelnde Wertschätzung. Relativ gesehen, geht es den Autoren gar nicht so schlecht. Vor allem ist ihre öffentliche Wahrnehmung seit ein paar Jahren durch die Fokussierung auf High-End-Serien und ihre Creator förmlich explodiert.

Wir dürfen nicht in die Falle tappen, verschiedene Gewerke gegeneinander auszuspielen! Der notwendige Kampf der Autoren bedeutet nicht, dass wir den anderen Gewerken keine anständigen Produktionsbedingungen gönnen würden. Im Gegenteil: Wer als Autor versteht, was am Set abgeht, wünscht allen Menschen, die dort mit großer Kraft unsere Ideen umsetzen, bestmögliche Bedingungen. Unser Kampf unterscheidet sich insofern, als er auf die Anerkennung der wirklichen Urheberschaft abzielt. Da ist im deutschen Markt durch die Überbetonung der Regie und die Einmischung von Redakteuren in kreative Prozesse eine spezielle Schieflage entstanden. Und unter dieser Schieflage leidet eben genau eine Berufsgruppe: diejenigen, die nun mal ganz eindeutig für die Erfindung zuständig sind, aber durch bestimmte Branchenmechanismen aus diesem Bewusstsein herausgedrängt wurden. Uns geht es um die Erkenntnis, dass ein Film oder eine Serie nicht einfach aus dem Nichts entsteht, dass alle anderen Beteiligten auf Erzählungen zurückgreifen, die von uns stammen. Wenn es dann an die Umsetzung geht, haben wir selbstverständlich alle gemeinsam ein Interesse daran, dass vernünftige Arbeitsbedingungen am Set herrschen.

Herr Andrae, herzlichen Dank für das Gespräch.

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