Mit dem Namen Tom Clancy können direkt zwei Figuren verbunden werden. Die Spielfigur Sam Fisher aus "Splinter Cell" und Romanheld und James Bond-Kollege Jack Ryan. Letztgenannter wurde fürs Kino bereits mehrfach interpretiert. Nun kehrt der CIA-Analyst zurück – jedoch auf den häuslichen Bildschirm. In der Amazon-Serie "Tom Clancy's Jack Ryan" schlüpft der ehemalige "The Office"-Star und "A Quiet Place"-Produzent John Krasinski in die Haut des Agenten, um seine Anfänge zu zeigen. Doch soll die erste Staffel des Amazon-Originals nicht nur Jack Ryan in den Fokus stellen, sondern auch wichtige politische Themen.

Alec Baldwin, Harrison Ford, Ben Affleck, Chris Pine. Das alles sind große Namen, die bereits in die Rolle des Jack Ryan geschlüpft sind. Haben Sie Amazon damals sofort zugesagt, oder doch erst einmal überlegt?

Natürlich hab' ich gezögert. Das sind nicht einfach nur irgendwelche Schauspieler, sondern verdammt große Hollywood-Stars. Doch ich steige nicht in deren Fußstapfen, sondern in meine eigenen. Was mich drastisch von meinen Vorgängern absetzt, ist die Tatsache, dass wir eine achtteilige Serie gedreht haben und keinen zweistündigen Film. Haben Sie schon mal ein Tom Clancy-Buch in der Hand gehabt? Die sind teilweise verdammt dick. Da stecken dermaßen viele Details und Finessen drin, die ein Film in dem Maße gar nicht vereinen kann. Wir gehen also einen Weg, den die anderen gar nich gehen konnten. Ich für meinen Teil bin froh drum, weil ich so auch nicht zwingend mit Harrison Ford verglichen werden muss. (lacht)

Dennoch hatten wir bereits fünf "Jack Ryan"-Verfilmungen. In Kombination gleicht das ja auch schon einer Miniserie.

Absolut, doch in all den Filmen ist Jack Ryan bereits der krasse Held, der die Welt rettet. In unserer Serie reisen wir in die Vergangenheit und schauen uns genauer an, wie aus dem ruhigen CIA-Analysten dieser Action-Star werden konnte. Da er noch an PTSD aus seiner vorherigen Marine-Laufzeit leidet, bringen wir auch eine Facette seines Charakters auf den Bildschirm, die es so noch nie zu sehen gab. Unser Jack Ryan ist wirklich kleinlaut, verletzlich und teilweise auch gebrochen, ehe er zu Mr. "Jagd auf Roter Oktober" wird.

Die Hauptfigur setzt sich also von bekannten Versionen ab. Was ist mit der Serie an sich?

Jack Ryan jagt auch hier Terroristen. Doch wäre das Drehbuch so simpel, wie diese Aussage, hätte ich nicht zugesagt. Ich bin wohl nicht der Einzige, der der Meinung ist, dass es bereits zu viele Serien gibt, die so funktionieren. Was Amazons "Jack Ryan" unterscheidet, ist die Herangehensweise an Terrorismus. Terrorismus wird hier menschlich dargestellt. Damit meine ich nicht, dass er gerechtfertigt wird, sondern dass das Team wirklich tiefgehend die Motive dahinter erklärt und zu zeigen versucht, weshalb diese Leute tun, was sie tun. Es soll aufgezeigt werden, dass kaum etwas in dieser Welt schwarz-weiß ist und dass wir auch im Alltag mehr versuchen sollten, unser Gegenüber zu verstehen, anstatt nur auf unseren Standpunkt zu beharren. "Jack Ryan" lebt also von seiner Zwischenmenschlichkeit. Natürlich gibt es schlussendlich auch einen Bösewicht bei unserem Nahost-Konflikt. Das heißt jedoch nicht, dass ihre ganze Kultur böse ist.

Amazon hat eine zweite Staffel bestätigt, ehe die erste überhaupt gestartet ist. Wie groß ist so ein Ego-Push?

Offensichtlich fühlt sich so etwas überragend an. Es lässt einen vor allem viel entspannter in die nächsten Drehtage reingehen. Doch das gleicht sich damit aus, dass du wirklich immense Kräfte für die erste Staffel aufbringen musst. So eine Serie in erster Linie an den Start zu bringen, braucht einen ordentlich betriebenen Motor. Du musst dir das mal vorstellen: Ob Finanzen, Location, Versorgung oder Set-Requisiten – das Team fängt komplett bei Null an und muss sich erst einmal eingrooven. Bei kommenden Staffeln geht das dann natürlich besser. Ich bin aber auch der Meinung, dass dieser anfängliche Druck dafür sorgen kann, dass etwas richtig gutes entsteht. "Tom Clancy's Jack Ryan" ist das in meinen Augen gelungen und den Zuschauern wird’s hoffentlich genauso gehen.

Das ist etwas, was sich mit meinen Erfahrungen deckt. Sind Sie auch der Meinung, dass eigentlich erst die zweite Staffel darüber bestimmt, wie eine Serie bewertet werden kann?

Das kann natürlich nicht überall so verallgemeinert werden, doch mir geht es tatsächlich auch oft so. In einer ersten Staffel geht es vor allem darum, ein stabiles Fundament dafür zu bauen, was hoffentlich noch kommen wird. Wenn dieses Fundament für den Geldgeber oder für die Zuschauer nicht gut genug ist, hat eine Serie gar nicht erst die Chance, zu zeigen, was wirklich in ihr steckt. Eines der besten Beispiele ist für mich "Breaking Bad". Die erste Staffel ist bei weitem nicht die Beste, war jedoch essenziell dafür verantwortlich, die Storystränge auf die richtigen Bahnen zu bringen. Man überlege sich nur mal, wenn AMC "Breaking Bad" sofort abgesetzt hätte. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich mich so riesig über die Verlängerung freue. Der von mir verkörperte Jack Ryan bleibt nicht stringent die Persönlichkeit, wie ihn der Zuschauer zu Anfang kennenlernt. Er entwickelt sich rasant und fordert mir somit auch mehr ab, als staffellang die gleiche Figur.

Wie kann man sich ohne jegliche Militärerfahrung am besten auf solch eine Rolle vorbereiten?

Dass ich die CIA-Zentrale besuchen durfte, hat stark geholfen. Wobei ich anfangs wirklich gedacht habe, dass das der langweiligste Besuch aller Zeiten werden könnte. Einfach, weil ich der Meinung war, dass mir sowieso die ganze Zeit gesagt wird, dass wir da nicht reindürfen und dass mir auf jene Frage keine Antwort gegeben werden darf. Ich wurde aber überrascht. Es wurde geduldig auf meine Fragen eingegangen, während wir durch das Gebäude gelaufen sind.

Was hat Sie beim CIA am meisten fasziniert?

Es war diese einzigartige Team-Arbeit. Erst einmal fällt dir auf, dass es im gesamten Gebäude vielleicht zwei Türklinken gibt. Der Rest wird über Codes und Schlüsselkarten geregelt. Wenn du jedoch Teil des Department A bist, hast du keinerlei Zugriffe auf Department B. Nicht einmal richtigen Kontakt, wie ich es verstanden habe. Wenn dann an einem Fall gearbeitet wird, arbeitet jedes Department gesondert für sich an seinem Aufgabenkern. Erst danach werden die Ergebnisse von einer wiederum anderen Instanz zusammengetragen. Gleichzeitig wird innerhalb eines Departments auf jede Meinung gehört und jede Idee in Erwägung gezogen. Es ist verrückt, doch anscheinend funktioniert das ganze Konzept so wunderbar. Ich jedenfalls fande es toll zu sehen, dass die CIA als Konstrukt wie eine Maschinerie funktioniert, ohne die Menschlichkeit zu verlieren.

Und diese Menschlichkeit wurde in Tom Clancys Büchern nicht gefunden, oder weshalb basiert die Serie auf keinem seiner Romane?

Genau das ist eben nicht der Fall. Wir haben uns seine wundervollen Figuren herausgenommen und sie in ein Szenario gesetzt, dass auf den derzeitigen politischen Begebenheiten basiert. Wenn wir stringent einen seiner Romane abgefilmt hätten, hätten wir uns nur vergleichen lassen müssen. So aber haben wir den Geist Tom Clancys bei uns und können gleichzeitig wichtige Themen ansprechen, die in diesem Moment eine Rolle spielen.

Mr. Krasinski, vielen Dank für das Gespräch.

Die erste Staffel von "Tom Clancy's Jack Ryan" steht ab sofort bei Prime Video zum Abruf bereit.