Welche Rolle spielen die Influencer bei diego5?

Die Influencer spielen eine spezielle Rolle, weil sie von Anfang an die treibende Kraft auf dem Markt gewesen sind. Sie sind es, die auf einer Videoplattform kreativ Dinge ausprobiert haben und auch heute noch tun. Wenn es die Youtuber nicht gegeben hätte, wären wir mit dem Thema Digital Video heute nicht dort wo wir sind. Sie sind die Pioniere, die Digital Video neu denken.

Und wie geht es künftig weiter mit Influencern? Wie viel Musik steckt überhaupt noch drin? Die Goldgräberstimmung der ersten Jahre ist vorbei.

Der Markt der Influencer ist gewachsen und professionalisiert worden. Viele Influencer, die aus Spaß angefangen haben und plötzlich erfolgreich wurden, sind schon so groß und professionell, dass sie ein eigenes Management haben und viel Geld verdienen. Das hat aber nichts mehr mit den Anfängen zu tun. Die Goldgräberstimmung ist vorbei, das stimmt. Diese Entwicklung hat Vor- und Nachteile. Durch die Professionalisierung fühlen sich die Werbekunden wohler, sie haben Strukturen und wissen, was sie bekommen. Dadurch entsteht aber auch eine gewisse Distanz zu den Usern. Ich glaube aber, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist. Es werden sich künftig neue Plattformen und Kommunikationskanäle entwickeln, die kennen wir jetzt nur noch nicht. Wer hätte gedacht, dass TikTok so erfolgreich wird? Da schauen wir derzeit vor allem in den asiatischen Raum, aber natürlich kann so etwas auch aus Europa heraus entstehen.

Haben Sie eigentlich gar keine Ambitionen mehr, selbst als Journalistin zu arbeiten?

Es gibt Tage, da vermisse ich die journalistische Arbeit sehr, vor allem bei Großereignissen kribbelt es unter meinen Fingernägeln und dann würde ich auch gerne Live-Sendungen fahren. Aber ich bereue den Schritt nicht, es war genau das richtige für mich.

Ist Ihnen der Abschied vom Bildschirm damals schwer gefallen? Sie waren bundesweit bekannt und jeden Abend um 20 Uhr live zu sehen.

Nein, komischerweise ist mir das nicht schwer gefallen. Viele Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, haben ja große Probleme damit, wenn sie plötzlich nicht mehr relevant sind. Ich wusste zunächst ja auch nicht, wie es mir damit gehen würde. Aber es war nie ein Problem und ich konnte mich teilweise auch mal wieder wie ein Mensch fühlen, der alles tun und lassen konnte, ohne das jeder ständig dabei zuschaut.

"Es gibt Tage, da vermisse ich die journalistische Arbeit sehr, vor allem bei Großereignissen kribbelt es unter meinen Fingernägeln und dann würde ich auch gerne Live-Sendungen fahren."
Sandra Thier

Sie waren zehn Jahre lang das Gesicht der "RTL II News", wie haben Sie die Schlagzeilen rund um das Aus der Sendung in der bestehenden Form wahrgenommen?

Das hat mich nachdenklich gemacht, ich kenne nach wie vor einige Kollegen, die dort arbeiten. Ein paar Kollegen sind sogar von Anfang an mit dabei, die haben die gesamte Sendung mit aufgebaut. Für die ist im nächsten Jahr Schluss. Ich finde das sehr traurig, auch weil die Sendung ein Leuchtturm in der deutschen Fernseh- und Nachrichtenlandschaft war. Die "RTL II News" waren einzigartig standen für innovative Nachrichten, die schon immer anders waren. Es wurden die Themenwelten der jungen Menschen angesprochen, die Sendung hat die Jüngeren auf Augenhöhe abgeholt und war nie belehrend.

Es gibt damit künftig eine unabhängige Nachrichtenredaktion weniger in Deutschland.

Die Sender fahren immer stärkere Sparprogramme, Nachrichten sind für jedes Unternehmen teuer. Das führt dazu, dass die Redaktionen sparen müssen. Für den unabhängigen Journalismus ist das Aus der "RTL II News" in der bestehenden Form eine schlechte Nachricht, hier geht nun tatsächlich eine unabhängige und selbstständige Nachrichtenredaktion verloren.

Haben Sie zuletzt noch Kontakt zu ihren ehemaligen Kollegen gehabt und die Sendung gesehen?

Durch die Unternehmensgründung habe ich in den letzten vier Jahren wenig Kontakt zu den Kollegen gehabt. Das war immer nur ein loser Austausch. Hinzu kommt, dass ich seit vier Jahren kein klassisches Fernsehen mehr schaue.

Sandra Thier© RTL II
Sandra Thier hat die "RTL II News" bis 2014 moderiert. 

Es gab immer wieder Kritik an den "RTL II News", weil es dort nicht nur um harte Themen geht. Jetzt können Sie es ja sagen: Wie viel ist Information, wie viel Unterhaltung?

Für mich waren die "RTL II News" immer Nachrichten, meine Einstellung dazu hat sich nicht geändert. Es ist eine Sendung, die neben Innenpolitik und Wirtschaft auch über solche Themen berichtet, die in klassischen Nachrichtensendungen keinen Platz hätten. Damit hat sie eine ganze Generation geprägt. Ich finde auch, dass die "RTL II News" in manchen Gebieten innovativer Vorreiter waren, etwa dann, wenn wir damals über ein neues iPhone berichtet haben. Die Sendezeit ist eben begrenzt, lange Hintergrundreportagen konnte man sich da nicht erwarten. Tagesaktuell haben die Zuschauer aber alles mitbekommen.

Wie hat sich das Verhältnis von jungen Menschen zu Nachrichten generell verändert?

Das Nutzungsverhalten hat sich grundsätzlich verändert. Wenn ich unterhalten werden will, kann ich auf Streamingplattformen Serien und Filme schauen. Auf Instagram und Snapchat kann ich mich aber genau so gut über die neuesten Trend und Nachrichten informieren. Die Bandbreite, die Vielfalt ist größer geworden. Natürlich verschwimmen dann auch die Grenzen von Nachrichten, auch bei Influencern holen sich junge Menschen heute News.

Aber das ist kein Journalismus.

Da muss man unterscheiden. Journalistische Nachrichten müssen sich immer an gewissen Qualitätskriterien wie Relevanz und Aktualität messen lassen. Diese Punkte gibt es aber auch bei Instagram oder Facebook. Ich folge einem Influencer bei Instagram, der mir eine Hoteleröffnung zeigt - auch das ist ja eine Art Nachricht. Natürlich hat das nichts mit klassischem Journalismus zu tun. Aber da verschwimmen die Grenzen, was sind schon Nachrichten für jeden einzelnen?

Frau Thier, vielen Dank für das Gespräch!