Frau Müller, Herr Kromschröder, Ihr "Club der roten Bänder" war ein Riesenerfolg für Vox. Die Nachfolgeserie "Milk & Honey" läuft nicht halb so gut. Freuen Sie sich, dass die Ausnahmestellung des "Clubs" nachträglich unterstrichen wird, oder sorgen Sie sich, weil Sie 2019 mit "Wann sind wir da" den Staffelstab bei Vox wieder selbst übernehmen?

Gerda Müller: Nie im Leben würden wir uns über Misserfolg von Kollegen freuen. Der "Club" hat eine so spezielle, hochemotionale Zuschauerbindung aufgebaut, dass es jede Produktion, die direkt danach kommt, schwer gehabt hätte. Insofern finde ich völlig richtig, was Vox-Fiction-Chef Hauke Bartel gesagt hat: Weder inhaltlich noch quotenmäßig ist ein direkter Vergleich der beiden Serien sinnvoll.

Jan Kromschröder: Und das führt im Umkehrschluss auch nicht dazu, dass wir im Hinblick auf "Wann sind wir da" jetzt irgendwie nervöser würden. Nach zwei adaptierten Formaten wird das die erste originäre Vox-Serie und damit sowieso nochmal etwas ganz Neues. Schöpfer und Headautor Richard Kropf, der auch als Creative Producer an Bord ist, steht für eine eigene Handschrift. Deutlich andere Wege als beim "Club" gehen wir auch bei der Besetzung, wo wir mit Jürgen Vogel und Bettina Lamprecht ja bewusst auf bekannte Namen setzen.

Vermutlich sollte man dennoch keine allzu konventionelle Familienserie erwarten, oder?

Müller: Definitiv nicht. In meinen Augen ist es eine sehr zeitgemäße Familienserie, die mit wahnsinnig viel erzählerischer Wärme auf eine typisch deutsche Mittelstandsfamilie blickt und es dabei immer wieder schafft, Fragen des Lebens zu stellen: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Was sind unsere Ziele und Ideale? Wenn etwa der älteste Sohn statt der von allen erwarteten Basketballkarriere seine Liebe zum Balletttanz entdeckt, ist das eine wunderbare Möglichkeit, um zu untersuchen, was eine solche Entscheidung mit der gesamten Familie macht. Wir erzählen von Emanzipationsprozessen und wie sie das Gleichgewicht in der Familie verändern. Das lässt Raum für ebenso komische und groteske wie auch dramatische und dunkle Momente.

Momentan drehen Sie drei Serien gleichzeitig. Da dürften Sie viel Zeit an Sets verbringen.

Müller: Stimmt, wir drehen noch bis Mitte März zehn Folgen "Wann sind wir da" in Köln und Umgebung sowie bis Mitte Januar zehn Folgen "Der Bulle und das Biest" in Berlin für Sat.1. Seit Oktober ist außerdem die zweite Staffel unserer Funk-Serie "Druck" im Dreh, die ab 17. Dezember veröffentlicht wird. Und ab März drehen wir dann die zweite Staffel der "SOKO Potsdam" fürs ZDF, diesmal mit zehn statt sechs Folgen. Da sind wir gerade mit den HaRiBos – Hanno Hackfort, Richard Kropf, Bob Konrad – und weiteren Autoren in der Entwicklung der Drehbücher. Übrigens haben wir bei allen vier Formaten mit Lasse Scharpen einen jungen, starken Produzenten an unserer Seite, bei "Wann sind wir da" ist er alleiniger Produzent.

Kromschröder: Unsere Serienaktivitäten sind mehr denn je vom Input junger Autoren, Regisseure und Producer geprägt. Dank meiner Professur an der Filmuniversität Babelsberg sind fünf Absolventen direkt von dort zu uns gekommen und jetzt als Junior Producer, Producer bzw. Produzent in unseren Büros in Köln und Berlin tätig.

Müller: Vom Alter her könnten das unsere Kinder sein! (lacht) Lasse ist 32. Diese frische Perspektive erweitert unseren Horizont enorm. Jan und ich haben inzwischen gelernt, ein bisschen mehr loszulassen.

"Ganz lapidar gesagt, würde sich ein solcher Laden ohne eine gewisse Breite des Portfolios nicht rechnen"

Jan Kromschröder, Geschäftsführer von Bantry Bay Productions

Wie äußert sich der Altersunterschied denn konkret in der Arbeit?

Müller: Lasse und ich haben gemeinsam den "SOKO Potsdam"-Pitch des ZDF gewonnen. Dabei habe ich gemerkt, dass wir unterschiedliche Herangehensweisen haben, die sich wunderbar ergänzen. Ich habe viel über den klassischen "SOKO"-Kosmos nachgedacht und beispielsweise dafür gesorgt, dass wir bekannte Gesichter in den Episodenrollen der ersten Folgen hatten, um der Serie eine Rampe zu bauen. Über Lasse wiederum sind neue Autoren und Regisseure zu uns gekommen – und damit natürlich auch neue, moderne Handschriften, die manche Konvention längst abgehakt haben.

Zu Beginn stand Bantry Bay mit "Weinberg" und "Club der roten Bänder" für junge, innovative TV-Serien. Inzwischen ist Ihr Portfolio so stark gewachsen, dass die Einordnung nicht mehr ganz so leicht fällt.

Kromschröder: Diese Vielfalt war von Anfang an unsere unternehmerische und produzentische Vision. Ganz lapidar gesagt, würde sich ein solcher Laden ohne eine gewisse Breite des Portfolios auch nicht rechnen. Wir haben mit Serien fürs lineare Fernsehen angefangen, also mit dem Feld, auf dem Gerda und ich uns am besten auskannten. Von dort aus sind wir organisch gewachsen. Mit dem von Eva Holtmann produzierten "Wendy – Der Film" kam 2016 das Thema Kino hinzu, das wir im vorigen Jahr mit "Wendy 2" und in diesem Jahr mit "Club der roten Bänder – Wie alles begann" fortgeschrieben haben. Das dritte und jüngste Feld ist die Webserie, wo wir durch die erste Staffel von "Druck" gelernt haben, wie man auch mit einem Minibudget mitreißende Geschichten mit großartigen Talenten social-media-gerecht erzählen kann. Wir sind in der kreativen Führung von Bantry Bay heute vier Produzenten, zwei Frauen und zwei Männer. Jeder von uns steht für eine bestimmte Farbe und darüber hinaus für leidenschaftliches Erzählen mit einer gewissen Emotionalität und Wärme.

Und Sie persönlich stehen besonders für die romantische Farbe?

Meine Mutter ist unmöglich© ARD Degeto
Kromschröder: Kann man so sagen. Mit unserer Romantic Comedy "Meine Mutter ist unmöglich" für die ARD Degeto, geschrieben von Christian Pfannenschmidt, konnten wir das erfolgreichste Freitagsmovie des Jahres im Ersten landen. Wir freuen uns sehr, dass das Einzelstück zur Reihe befördert wurde. Mit Margarita Broich, Diana Amft und Stephan Luca haben wir ein großartiges Ensemble vor der Kamera. Den zweiten Teil, "Meine Mutter spielt verrückt", haben wir im Sommer gedreht. Die Teile drei und vier wollen wir 2019 drehen.

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