Herr Rubenbauer, Sie haben 40 Jahre das Sportgeschehen in aller Welt kommentiert.

Gerd Rubenbauer: Das kommt hin.

Und im Anschluss die vergangenen zehn Jahre zumindest aufmerksam beobachtet.

Eine ziemlich lange Zeit.

Was machen Sportberichterstatter im Fernsehen heute anders als zu Ihrer Zeit?

Ach, es hat früher schon solche und solche gegeben und gibt heute solche und solche. Interessanterweise kann ich meinen Beruf aber jetzt viel besser beurteilen als in meiner aktiven Zeit. Wenn ich vor zehn Jahren über Olympische Spiele berichtet habe, kriegte ich mit viel Mühe ein wenig von anderen Kernsportarten mit, war aber ansonsten auf das fixiert, worüber ich berichte. So gefangen wie damals in meiner Disziplin bin ich heute zum Glück nicht mehr.

Mit welcher Folge?

Alles zu sehen, was öffentlich-rechtlich, privat oder kostenpflichtig gezeigt wird. Ich bin vom eingeengt begeisterten Kommentator zum uneingeschränkt begeisterten Zuschauer geworden. Wenn ich sehe, wie das Produkt Fußball von Sky inszeniert oder wie man in unserer Sprache sagt: verkauft wird, ist das super.

Gilt das für alle Sportarten?

Leider nein. Wer wie Sky Geld verdienen muss, interessiert sich naturgemäß stärker für Fußball, während das olympische Gesamtpaketweiter bei ARD, ZDF und Eurosport landet. Wer wie ich dort hineingeboren wurde, hat sich daher nie nur als Fußballreporter verstanden. Wir waren Sportreporter. Alle. Diese Breite vermisse ich heute manchmal bei den Jüngeren. Was aber noch einen anderen Grund hat.

Welchen?

Die Ausbildung. Aus meiner Sicht sollte jeder Fernsehsportreporter beim Radio begonnen haben, es ist das Nonplusultra. Nichts schult die Augen besser als fürs Hören zu kommentieren. Du musst in Windeseile aus Worten Bilder machen, die alle auch ohne selbst zu sehen verstehen. Deshalb habe ich mich mein Leben lang immer am meisten über die Reaktionen von Blinden gefreut, denen ich das Spiel ohne überflüssige Sprüche, nur dank präziser Beschreibungen nähergebracht habe.

Aber sind am Bildschirm nicht eher Sprüche als Beschreibungen gefragt?

Absolut. Umso mehr stört es mich senderübergreifend, wenn mir als Zuschauer das erklärt wird, was ohnehin zu sehen ist.

Aber genau das tun jüngere Kollegen doch, indem sie das reine Beschreiben von Spielzügen durch Emotionen ersetzen.

Das war zu meiner Zeit nicht anders, ich habe mich auch dank meines süddeutschen Naturells emotional anstecken lassen und wurde für meine Begeisterung nicht selten kritisiert.

Aber es gab doch auch Kommentatoren, die in sonorem Tonfall geschildert haben, wer gerade wem den Ball zuspielt, und wenn ein Tor fiel, klang das wie ein Amtsvermerk.

Da haben Sie Recht, aber nochmals: es gibt und gab solche wie solche. So gesehen hat sich im Grunde nur eins an meinem Beruf grundlegend verändert, und ich beklage das sehr: ein Übermaß an Statistik. Dieses Zumüllen mit Zahlen nervt mich unglaublich, manchmal mitten im Spielzug. Furchtbar!

Ist das auch Geschmackssache?

Nein, das Publikum teilt zu großen Teilen diese Kritik, das weiß ich aus vielen Reaktionen. Fragen Sie mal, wer sich am Tag nach dem Spiel an Statistiken erinnert und wer an Analysen? Ich kenne niemanden, der ersteres im Gedächtnis behält. Interessiert abgesehen von seltenen Ausnahmen halt kein Schwein.