Weil wir gerade auf die Information zu sprechen kommen: Wo sind eigentlich all die "Checks" geblieben, die vor nicht allzu langer Zeit ins Programm eingefallen sind?

Unsere Wirtschafts- und Verbraucherredaktionen haben unglaublich viel Energie und Kreativität investiert, um Servicethemen in der heutigen Zeit adäquat anzubieten. Wir haben damit gleichwohl nicht die Ergebnisse erzielt, die wir uns erhofft haben. Wirklich großes Zuschauerinteresse erzielt man eben nur, wenn es um die bekannten Marken geht, die jeder nutzt. Gleichzeitig gibt es im Verbraucherbereich eine weitere Veränderung: Wer heute Rat braucht, der setzt sich an den Computer und schaltet nicht den Fernseher ein. 

Wie wollen Sie die entstandene Programmlücke am Montagabend füllen?

Wir werden im September zwei Reportagen mit Eckart von Hirschhausen zeigen – diesmal ist er in einem Hospiz und einem Gefängnis unterwegs. Dazu kommen brisante politische Dokumentationen wie "Wohnopoly", der "Bahn-Report" oder eine GroKo-Halbzeitbilanz von Stephan Lamby. Und wir wollen weiter Naturfilme zeigen, uns hier aber thematisch breiter aufstellen. Filme dieser Art muss man heute opulenter machen, was wiederum teurer ist. Tendenziell werden wir daher weniger, dafür aber hochwertigere Stoffe anbieten.

Wie ist es um die aktuelle Information bestellt? Sie mussten in diesem Jahr massive Kritik einstecken, weil Sie beim Feuer von Notre Dame so zögerlich berichtet haben.

Es war ein TV-Korrespondent vor Ort, der als erster live geschaltet wurde, aber in der Kürze der Zeit verständlicherweise nicht alle Anforderungen abdecken konnte. Wir hätten jedoch am Abend noch eine "Tagesthemen"-Extraausgabe ins Programm nehmen sollen, das war sicher ein Fehler. Allerdings lernen wir vor allem etwas anderes daraus, nämlich künftig auch den Hörfunk zu nutzen. Dort arbeiten hervorragende Journalisten, deren Berichte und Reportagen wir etwa mit Livebildern unterlegt im „Breaking-News-Fall“ übernehmen könnten. Für vergleichbare Situationen überlegen ARD-aktuell und der NDR derzeit, wie man eine noch schnellere Vernetzung über das gesamte System und alle Ausspielwege hinbekommen kann.

Die Quoten Ihrer Polittalks waren zuletzt rückläufig. Könnte das daran liegen, dass drei Formate mit ähnlichem Muster schlicht zu viele sind?

Es gibt genug Themen, die drei Sendungen pro Woche tragen, was nicht ausschließt, dass man mitunter an der Form etwas verändern muss.

… so wie bei Sandra Maischberger, die vor der Sommerpause mit einem neuen Konzept experimentiert hat.

Die Ergebnisse werten wir noch aus, ich selbst fand es gelungen. 

"Ich gehöre nicht zu den Jammerern im System, aber ich spüre sehr gut, dass das Geld an allen Ecken und Enden knapper wird."
Volker Herres

Warum wollen Sie jetzt auch den Dienstag mit Talkshows bespielen?

Wir werden ab dem 24. September am Dienstagabend eine ganz andere Talkshow-Farbe probieren – eine, in deren Mittelpunkt das unterhaltende Gespräch steht, das bislang in unserem Programm nicht vorkommt. Acht Sendetermine sind fest eingeplant. Wir beginnen mit der "NDR Talk Show", eine Woche später folgt der RBB, der sich mit dem neuen Format "Hier spricht Berlin" einbringt, was mich sehr freut. 

Mussten Sie viel Überzeugungsarbeit bei den Dritten leisten? Immerhin sind die Talkshows ja große Zuschauererfolge für die jeweiligen Anstalten...

Ich hatte Arbeit im Weinberg des Herrn. (lacht) Es gab zahlreiche Diskussionen im Kreis der Fernsehdirektorinnen und -direktoren, denn der Sendeplatz am Dienstag um 22:45 Uhr ist zwar äußerst attraktiv, aber er ist blank – auf ihm liegt schlicht kein Geld. Und weil additives Geld nicht vorhanden ist, mussten wir eine Koalition der Willigen schmieden. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich gehöre nicht zu den Jammerern im System, aber ich spüre sehr gut, dass das Geld an allen Ecken und Enden knapper wird, schließlich läuft die Koordination hier in der Programmdirektion zusammen.

Welches Quotenziel haben Sie sich für die neuen Talks gesetzt?

Eine Zahl zu nennen, wäre nicht klug. Wir werden genau hinsehen müssen, ob es eine positive Entwicklung gibt oder ob manche Formate besser laufen als andere. Außerdem kommt es darauf an, ob die einzelnen Rundfunkanstalten nach der Teststrecke weitermachen wollen. Wir könnten das jedenfalls sehr schnell entscheiden.

Lassen Sie uns zum Ende hin noch über das Programm abseits der Abendschiene sprechen. Der Vorabend war ja mal als Todeszone verschrien, inzwischen gilt das aber eher für den 16-Uhr-Sendeplatz. Welche Pläne haben Sie hierfür?

Die Erfolge am Vorabend hängen auch damit zusammen, dass wir regelmäßig XXL-Ausgaben am Samstagabend zeigen. Auf diese Weise ist uns eine sehr effektive Crosspromo gelungen. Auch das hat dazu beigetragen, dass Das Erste das erfolgreichste Unterhaltungsangebot im deutschen Fernsehen hat. Was die 16:10-Uhr-Leiste angeht, haben wir das Rezept noch nicht gefunden. Daher bleiben wir vorerst bei den Sendungen, die sich einigermaßen passabel schlagen, also "Verrückt nach Meer", "Verrückt nach Fluss" oder "Die Tierärzte". Wir werden weiter im Factual-Entertainment-Bereich aktiv sein, haben aber darüber hinaus einen Entwicklungstopf geschaffen, mit denen die Dritten Programme etwas ausprobieren können, um dann auf Bewährung ins Erste zu gehen. Das wird noch eine Weile Trial und Error bleiben.

Bleibt zum Schluss noch die "Lindenstraße", die im nächsten Jahr zu Ende gehen wird. Wie weit sind Sie mit den Planungen, wie dieser wichtige Sendeplatz in Zukunft bespielt werden soll?

Die Entscheidung, eine Sendung wie die "Lindenstraße" zu beenden, trifft man nicht leichtfertig, denn man verärgert eine treue Fangemeinde – was ich auf vielen Wegen sehr stark zu spüren bekomme. Klar ist, dass es kein fiktionales Nachfolgeprojekt geben wird. Das hat auch finanzielle Gründe, denn die freiwerdenden Mittel sind bereits für andere notleidende Projekte vorgesehen. Wir werden daher das Schema am Sonntag umbauen und mit vertrauten Formaten gestalten.

Herr Herres, vielen Dank für das Gespräch.