Herr Kraume, ist Ihr Bauhaus, in dem "Die neue Zeit" spielt, das reale oder eher eine Serien-Projektion, was sich die meisten Leute halt darunter vorstellen?

 Die Frage nach Projektion oder Wahrheit stellt sich eher der Kunstgeschichtsschreibung insgesamt. Die wissenschaftliche oder künstlerische Darstellung oft erzählter Orte wie dem Bauhaus überschreibt sich gegenseitig so sehr, dass die Darstellungen Teil der Realität werden. Trotzdem speist sich unsere Erzählung aus so vielen gut recherchierten Quellen über diese Zeit, dass sie der Wahrheit sehr nahe kommen dürfte.

Heißt das, "Die neue Zeit" ist die reine Wahrheit plus fiktionales Gefühl?

Na ja, um einen realistischen Film unterhaltsam zu dramatisieren, muss man immer ein paar Zugeständnisse machen. Das beginnt schon damit, dass Walter Gropius bei uns ins neue Büro zieht, ein Bild nach dem anderen umhängt und dem Minister kurz darauf erstmals vom Bau einer neuen Siedlung für das Bauhaus erzählt. Das alles ist tatsächlich so geschehen, allerdings mit anderthalb Jahren Schulalltag dazwischen. Da musste ich die Zeit als Drehbuchautor zwingend verdichten, bin dabei aber ganz nah an der Realität geblieben.

Also ist in den sechs Teilen letztlich alles historisch verbürgt?

Grundsätzlich ist alles, was erzählt wird, auch so passiert. Spekulativ wird die Serie allerdings bei der Beziehung zwischen Dörte Helm und Walter Gropius. Aber nicht, weil wir uns da was Tolles ausdenken, sondern weil sie nicht ausreichend erforscht wurde. Alles andere ist kunstgeschichtlich verbürgt.

Gilt das auch für die unfassbar freie, anfangs heitere, oft entfesselte Atmosphäre, die in Ihrer Darstellung am Bauhaus herrscht, oder ist sie bloß, was sich das Publikum darunter halt vorstellt?

Wussten Sie zuvor was über die Stimmung am Weimarer Bauhaus? Also ich nicht… Und das gilt vermutlich für weite Teile des Publikums. Die kulturhistorische Bedeutung war mir zwar ebenso bekannt wie ein paar der berühmtesten Werke, in welcher Atmosphäre sie entstanden sind, weniger. Von daher denke ich, dass Leute, die eine Serie übers Bauhaus gucken, nicht unbedingt das erwarten, was wir ihnen zeigen. Wo deren Erwartungshaltung beginnt – primäre Farben, klare Geometrie, flache Dächer –, endet ja unsere Erzählung. Zuvor geht es darum, die Welt nach den Turbulenzen des Ersten Weltkriegs völlig neu zu gestalten.

Die Serie will also erst ein Zeitporträt sein und dann irgendwann ein Bauhaus-Porträt?

Aus dramaturgischer Sicht steht im Kern die Emanzipationsgeschichte einer Frau, nämlich Dörte Helm, allerdings im Kontext ihrer Epoche. Auf dieser Ebene wollen wir eine möglichst spannende Reise durch die erste Phase des Bauhauses in Weimar unternehmen. Danach weiß man selbst ohne tiefere Geschichts- und Kunstkenntnisse ziemlich viel übers Bauhaus und den politischen, sozialen, menschlichen Hintergrund, die Kultur- und Richtungskämpfe, das Suchen nach einer völlig neuen Formsprache und ihre Protagonisten. Selbst, wer von Kunst keine Ahnung hat, wird am Ende verstehen, wie es vom verspielten Experiment zur konkreten, klaren Formensprache kam.

Klingt ein wenig pädagogisch…

Ist aber so nicht konzipiert. Wenn man ein zeitgeschichtliches Jubiläum wie dieses nicht nur als Antiquitätenladen betrachtet, besteht die Aufgabe solcher Serien darin, Unterhaltung mit historischer Akkuratesse so zu erzählen, dass es Spaß macht, etwas hängenbleibt und womöglich sogar aktuelle Bedeutung entfaltet.

Welche Bedeutung wäre das beim Bauhaus?

Dass der Richtungskampf zwischen multikultureller Weltoffenheit und völkischem Traditionalismus in der Kunst auch heute nicht ausgefochten ist. Ein Grund, warum die Rechten dem transnationalen Bauhaus einst den Hahn zugedreht haben, ist ja derselbe, warum die Rechte auch 100 Jahre später noch fordert, die Filmförderung abzuschaffen.