Insofern mir das beim Reservieren deutlich gemacht wird und ich wirklich dort essen möchte, würde das vollkommen in Ordnung gehen. 

Mälzer: Damit stellst du die absolute Ausnahme dar. Die meisten würden das nicht verstehen und fragen, was das denn bitteschön soll. Was auch daran liegt, dass solch ein Thema in der Zeitung ganz flach ausdiskutiert wird: "Mälzer führt Stornierungsgebühr in seinem Restaurant ein, spinnt er jetzt?" Ein sinnhaftes Gespräch über Gastronomie kann so gar nicht erst entstehen. Der Allgemeinheit ist gar nicht bewusst, dass von einem Euro, der bei mir im Restaurant ausgegeben wird, ca. zehn Cent für mich übrig bleiben. Da sind die Abzüge für Miete, Gehälter etc. einberechnet, aber noch nicht die Steuer. Danach bleiben noch fünf Cent. Wenn du also 50 Euro bei mir ausgibst, habe ich, wenn ich glücklich bin, 2,50 Euro verdient. Mein Restaurant in Hamburg trifft das dank der hohen Anzahl an Sitzmöglichkeiten nicht allzu hart, im "Weißen Haus", in dem ich früher gearbeitet habe, gab es aber lediglich 35 Sitzplätze. Ein Sechsertisch war dort eine Arbeitskraft, die ich bezahlt habe. Wenn der abgesagt hat, hatte ich verdammt große Probleme. Und das kommt nicht selten vor, da es diesen unsäglichen Trend gibt, einfach überall zu reservieren und dann nicht einmal abzusagen, wenn man doch nicht kommt. Weil man denkt, dass es egal ist. Es ist aber nicht egal, da dadurch ganze Existenzen ins Wanken gebracht werden können. Nenn mir eine Zeitung, die den Ansatz einer Stornierungsgebühr nur ansatzweise vernünftig erklären kann. Ich möchte für genau so etwas ein Bewusstsein schaffen und dafür ist der Podcast ideal.

Ebenfalls interessantes Beispiel: Jan Böhmermann, der in "Fest & Flauschig" von seinem Abenteuer mit der Deutschen Bahn erzählt und wie sie für ihn einen außerplanmäßigen Halt eingelegt haben. Was sich im Podcast wie eine launige Geschichte anhört, wurde von den Medien zerrissen.

Mälzer: Genau! Es wurde nur darauf rumgehackt, dass die Deutsche Bahn für einen Prominenten anhält und hunderte andere Menschen warten lässt. Dass solch ein Sonderfall aber immer mal wieder eintrifft und dass Jan mit vollkommener Demut von diesem Vorfall spricht oder wie dringlich dieser Stopp war – darum geht es in all den Artikeln komischerweise nicht. Doch auch da kommt der Podcast wieder ins Spiel: Jan konnte das nochmal ansprechen und letzte Fragezeichen auflösen.

Dafür braucht es aber auch Menschen, die in jeden Podcast reinhören möchten.

Merget: Bei uns bleiben mittlerweile 83% der Zuhörer, die einschalten, auch bis zum Ende dran. Nachdem wir mit 37% angefangen haben, ist das bereits ein toller Wert.

Wie sehr kann sich ein Podcast überhaupt entwickeln? Während eine Fernsehsendung die Möglichkeit hat, sich durch ihre Visualität weiter zu entfalten, fällt das bei diesem Medium etwas schwerer.

Mälzer: Als wir den Podcast anfangs geplant haben, hatten wir eine DIN A4-Seite mit Konzeptideen. Innerhalb kürzester Zeit haben wir zigfache Ideen verworfen und implementiert – vom eingesprochenen Intro von Das Bo, den vielfältigen Instagram-Storys und dem Twist, dass der Gast vor seinem Auftritt erst einmal von mir erraten werden muss. Meiner Meinung nach können endlos Ideen gesponnen werden. Wir könnten beispielsweise versuchen, ein Rezept im Podcast darzustellen und zu kochen. Es gibt noch viele Dinge, die bisher nicht einmal angedacht wurden.

Wieso ist der Podcasthype noch nicht auf seinem Höhepunkt angekommen?

Merget: Podcasts spielen derzeit eine unfassbar große Rolle. Im Freundeskreis wird jetzt nicht nur gefragt, was man gerade auf Netflix schaut, sondern auch, welcher Podcast gerade gehört wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich das Medium in den Kinderschuhen befindet. Wenn wir nach Amerika rüber schauen, sehen wir dort einen Denzel Washington der seinen neusten Film in einem Podcast promotet und Podcastmillionäre, die nichts anderes mehr machen. Auch in Deutschland wird es bald den Ersten geben. 

Mälzer: Die Frage stellt sich für mich gar nicht. Ist Musik am Höhepunkt angekommen, nur weil wir jetzt Spotify haben? Musik wird immer gemacht. Es wird auch immer gesprochen und zugehört. Solange gute Geschichten erzählt werden, wird es für immer weitergehen.

Fiete Gastro

Hinzu kommt der zeitliche Aspekt. Während Fernsehsendungen oft Monate im Voraus produziert werden, sind Podcasts meistens up-to-date.

Mälzer: Als ich früher meine tägliche Kochsendung hatte, musste ich im Januar und Februar Gerichte zubereiten, die thematisch zur Fußball-WM gepasst haben. Weil die Episoden erst zu der Zeit ausgestrahlt werden sollten. Ich musste also über die Weltmeisterschaft sprechen und gleichzeitig drauf achten, keine Mannschaften anzusprechen, weil die Qualifikation noch nicht ganz durch war und niemand wusste, wer denn überhaupt alles mitmacht. Andersrum schwitzt du im September wie ein Idiot und musst eine Weihnachtssendung aufnehmen. Da kann man sich vorstellen, wie groß meine weihnachtliche Stimmung in diesem Moment wirklich war.

Viele große Podcasts gehen zusätzlich auf Tour. Wann ist "Fiete Gastro" auf den Bühnen des Landes zu sehen?

Merget: Ich hab' da große Lust drauf. Jedoch wird uns wohl Tims Kalender einen Strich durch die Rechnung machen.

Mälzer: Es funktioniert auch nicht immer. Als Jan & Olli zu einer Jubiläumsshow in Hamburg aufgetreten sind, haben sie danach selbst gesagt, dass sich das nicht komplett richtig angefühlt hat. Ich persönlich finde auch nicht, dass wir unbedingt auf die Bühne müssen. Dafür gefällt mir die private Stimmung, die sich bei unseren Aufnahmen entwickelt, viel zu sehr. Wir hatten einmal ein Kamerateam von RTL dabei, die in der Studiokabine bleiben wollten, während wir uns unterhielten. Das akzeptiere ich für fünf Minuten, aber nicht länger. Deswegen hab' ich sie dann rausgeschmissen, auch weil es RTL war und wenn ich "fuck" sage, die es auf jeden Fall aus dem Kontext gerissen in ihrem Beitrag verwenden würden. Der Podcast hat seine eigenen Gesetze und die verlieren sich, wenn eine Kamera mit dabei ist.

Eines der Podcast-Gesetze ist also, dass man alles sagen darf?

Mälzer: Ich muss in diesen Gesprächen nicht korrekt sein. Das sind meine impulsiven Momentaufnahmen, die gerade deswegen spannend sind, weil sie nicht zensiert werden. Das ist genau der Grund, warum ich einen Joko Winterscheidt noch einmal auf ganz andere Art und Weise kennenlerne – weil er genau das sagt, was er zu sagen hat und nicht nur das, was er bei "Duell um die Welt" sagen kann.