Oder Shiris WG, in der absolut niemand dem heteronormativen Mainstream entspricht.

Solche Figuren bildet das deutsche Fernsehen ansonsten überhaupt nicht ab, im Gegenteil. Bei mir dagegen entspricht es voll und ganz meiner Lebensrealität, mich mit der gesamten Bandbreite menschlicher Unterschiede zu umgeben. Da stecke ich zwar definitiv in meiner Berliner Blase, aber mir wäre es lieb, wenn sie irgendwann mal die Blase des Landes ist, in dem ich lebe.

Ist die Thematisierung von Themen wie Diversität oder Sexismus nur Nebeneffekt Ihrer Filme oder ausschlaggebend, um darin mitzuspielen?

Unbedingt ersteres, ich wähle meine Rollen nach dem Drehbuch aus, nicht nach der Botschaft darin. Trotzdem finde ich es toll, wenn diese Drehbücher meiner Lebensrealität entsprechen – damit sich was ändert und das Unnormale in Deutschland endlich mal normal wird.

Würden Sie ein gutes Drehbuch auch dann annehmen, wenn darin zum Beispiel ein total antiquiertes Frauenbild transportiert wird?

Abgesehen davon, dass es dann vermutlich kein gutes Drehbuch ist, schon. Hängt immer vom Kontext ab, gerade in Komödien. Andererseits habe ich auch schon Castings abgesagt, weil mir das Grundthema der Sachen zu 1950 waren.

Haben Sie selbst schon Castings erlebt wie in „Rampensau“, wo Ihnen Sophie Rois als Theaterregisseurin aus 30 Metern Entfernung die Leviten liest oder ein Filmregisseur aus nächster Nähe zwingt, sich selbst zu erniedrigen?

Obwohl ich fürs Theater weit seltener bei Castings war als beim Film, kommt zumindest das, was Shiri am Theater passiert, der Realität schon sehr nahe.

Auch dieses totale Ausgeliefertsein, bei dem die Schauspielerin zum reinen Objekt der Regisseurin als handelndes Subjekt wird?

Klar. Im hierarchischen Regierungssystem Schauspiel bin ich immer das Objekt.

Und das ändert sich auch nicht, wenn man wie Sie gleich zu Beginn Preise gewinnt, mit Christian Petzold dreht und danach weiter Erfolg hat?

Natürlich ist meine Macht, besser: mein Einfluss größer als zu Beginn. Aber ich bin echt gerne Teil eines Ensembles, das nennt man vermutlich Teamplayer. Am Set ist mir wichtig, dass es allen gleichermaßen gut geht. Da geht es nicht um mich.

Lassen Sie Neulinge umgekehrt manchmal spüren, selbst schon etabliert zu sein?

Das müssten andere beurteilen, aber ich kann es mir nur schwer vorstellen, weil ich so eigentlich nicht ticke. Einfluss versuche ich nur dann zu nehmen, wenn ich damit was Positives bewirken kann. Diese Männermachtspiele sind mir persönlich echt zu doof.

Glauben Sie, dass die jemals beendet sind?

Nein.

Nie?

Auch wenn man stets jeden Einzelfall betrachten muss und die Wachsamkeit dank #MeToo sicher gewachsen ist, werden sich die Verhältnisse auch in ferner Zukunft keinen Millimeter bewegen.

So misanthropisch?

So realistisch. Es darf und muss aus meiner Sicht sogar Hierarchien geben, aber dummerweise werden sie wohl auch weiterhin überwiegend von Alphatieren an der Spitze gelenkt, die meist männlich sind. Wobei Frauen in solchen Machtpositionen schlimmer sein können als Männer. Wir brauchen da gesellschaftliche Veränderung, sonst gibt es keine im Schauspiel.

Sie mussten im Rahmen dieser Machtverhältnisse aber noch keine Erniedrigung ertragen wie Shiri im Film-Casting, wo sie Brotkrümel vom Boden auflecken soll?

Glücklicherweise nicht, aber wenn doch, würde ich wohl reagieren wie Shiri.

Und ihm in die Eier treten?!

Hoffentlich.

Vox zeigt "Rampensau" ab dem 20. November immer mittwochs um 20:15 Uhr in Doppelfolgen. Als Preview stehen die Episoden jeweils sieben Tage vorher schon bei TV Now bereit.