Herr Zamperoni, wir alle bekommen die Auswirkungen der Corona-Krise zu spüren. Wie hat sie sich auf Ihren Arbeitsalltag ausgewirkt?

Die Zuschauerinnen und Zuschauer möglichst umfassend zu informieren, ist oberstes Ziel der Redaktion von ARD-aktuell. Daher setzen wir alles daran, den Sendebetrieb nicht zu gefährden. Das ist natürlich nicht so einfach, denn wir sind eine Redaktion, die unheimlich viel diskutiert – auch unabhängig der Konferenzen. Dieser direkte Austausch von Angesicht zu Angesicht fällt gerade komplett weg. Die Hälfte der Redaktion arbeitet von zu Hause aus und nur eine Rumpfmannschaft bleibt vor Ort im Sender. Ich selbst sitze den ganzen Tag bis kurz vor der Sendung isoliert in meinem Büro und versuche, möglichst wenig Kontakt zu den Redakteurinnen und Redakteuren zu haben. Und wenn ich ins Studio gehe, begrüße ich die Kolleginnen und Kollegen in der Regie nicht mehr persönlich, sondern sehe sie nur noch hinter der Glasscheibe. Das ist schon ein bisschen schräg.

Funktioniert die Kommunikation gut?

Wir haben uns mit der Situation arrangiert. Die Telefonkonferenzen waren anfangs etwas chaotisch, weil erst alle durcheinander sprachen und dann niemand etwas sagte. (lacht) Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist auch die Besprechung mit den Grafikerinnen und Grafikern für die Bilder, die auf unserer großen Videowand zu sehen sind. Inzwischen sind wir dazu übergangen, uns via Videokonferenz auszutauschen. Daneben nutzen wir einen gemeinsamen Ordner, in dem eine Vielzahl an Bilder zusammengestellt wird, die zu meinen Moderationen passen könnten. Ich schiebe meine Auswahl danach in einen anderen Folder, den sich wiederum der Chef vom Dienst ansieht. All das kostet Zeit, aber unterm Strich klappt's doch.

Wie viel Routine ist da überhaupt möglich?

Die Abläufe haben sich gut eingespielt. Trotzdem ist das alles andere als Routine, weil es hier und da schon mal ruckelt – und manches von dem, was man noch besprechen wollte, fällt einem dann erst eine halbe Stunde vor Beginn der Sendung auf. Am Ende bleibt es eine Ausnahmesituation.

Momentan muss in Nachrichtensendungen sehr viel erklärt werden. Gefühlt wird in diesen Tagen vieles weniger kritisch hinterfragt. Stellen Sie da eine Verschiebung fest?

Nicht zwingend, zumindest wäre es mir nicht so sehr bewusst. Natürlich versuchen wir momentan in erster Linie, den Wissenshunger zu stillen. Dennoch wollen wir auch darstellen, welche Einschnitte die Maßnahmen mit sich bringen. Wenn Unternehmen pleite zu gehen drohen, wenn es an Schutzkleidung mangelt und Menschen in Quarantäne müssen, nicht mehr in Geschäfte, Kitas und Schulen dürfen, Freunde nicht besuchen können oder z. B. nicht mehr in ihr Ferienhäuschen an die Ostseeküste fahren können, dann ist der Eingriff in den Alltag der Menschen gewaltig. Solche Fragen haben wir thematisiert – mit Beiträgen, aber auch mit Interviews, etwa im Fall von Mecklenburg-Vorpommerns Reisebeschränkung, als Caren Miosga Ministerpräsidentin Manuela Schwesig dazu interviewt hat.  

"Es ist eine sehr seltsame Situation, dass ausgerechnet die beiden Länder, in denen ich außerhalb von Deutschland Familie habe, derzeit am stärksten betroffen sind."
Ingo Zamperoni

Sie sprachen anfangs davon, möglichst wenig Kontakt zu Redakteuren zu haben. In Österreich ist es so, dass der ORF einige Mitarbeiter inzwischen in die Isolation geschickt hat, darunter Moderatoren wie Armin Wolf. Wäre so etwas für Sie denkbar?

Wenn das notwendig wäre, dann ist das selbstverständlich denkbar, weil die Sendesicherheit absolute Top-Priorität hat. Noch sehe ich dafür keine Notwendigkeit. Sollten die Chefredaktion oder der Sender zusammen mit der Betriebsärztin zu der Einsicht kommen, dass es sinnvoll ist, einige Moderatorinnen und Moderatoren hier einzuquartieren, dann würde ich mich drauf einlassen. Es ist nur die Frage, wie wir das dann machen. Mit Feldbetten vielleicht? Wenn es so weit kommen sollte, werde ich Armin Wolf gerne mal anrufen. Wir sind da offen für Tipps. (lacht)

Sie haben Wurzeln in Italien und eine Verbindung in die USA, also in zwei Länder, die besonders stark von der Pandemie betroffen sind. Was hören Sie persönlich aus diesen Ländern?

Es ist eine sehr seltsame Situation, dass ausgerechnet die beiden Länder, in denen ich außerhalb von Deutschland Familie habe, derzeit am stärksten betroffen sind. Ein Teil meiner Familie lebt in einem der Hotspots Italiens, meine Cousine und ihr Mann sind Anästhesisten. Vor wenigen Tagen habe ich mit meinem Onkel telefoniert, der mir sagte: "Es ist wie im Krieg. Wir sind an der vordersten Front und kämpfen gegen den unsichtbaren Feind." Das ist dann nochmal etwas anderes als wenn man es bloß über die Nachrichtenticker liest. Bei meiner Familie in den USA ist die Situation noch überschaubar, aber wir haben viele Freunde in New York, die gerade versuchen müssen, nicht zu verzweifeln.

Und dann ist da auch noch ein Präsident, der selbst in der schlimmsten Krise noch mit Facebook-Fans prahlt und die Medien beschimpft. Wie beurteilen Sie die Lage?

Das ist, wenn man so will, nur die Variation einer bekannten Strategie. Trumps Angriffe gegen die Medien sind so, wie wir ihn drei Jahre erlebt haben. Es wird jedoch dadurch verstärkt, dass Menschen in der aktuellen Krise zu Schaden kommen. Meine Familie fragt sich verwundert, wie es einen Präsidenten stolz machen kann, mit seinen abendlichen Pressekonferenzen mehr Zuschauerinnen und Zuschauer zu erreichen als irgendeine Reality-Show. In gewisser Weise ist es eine Show, die Trump abzieht. Aber eine, die bei vielen seiner Anhängerinnen und Anhänger nach wie vor ankommt. Durch seine Auftritte will er wahrscheinlich den Eindruck vermitteln, sich um alles zu kümmern. Ob auch tatsächlich das Richtige getan wird, steht auf einem anderen Blatt. 

"Ich habe keinen Satz gesucht, aber gedacht, dass mich irgendwann vielleicht mal ein Satz findet. Und das ist mit 'Bleiben Sie zuversichtlich' geschehen."
Ingo Zamperoni

Lassen Sie uns noch einmal den Blick nach Deutschland richten. Sie sind ein Kind der ARD und sehen ja sicher auch, dass ARD und ZDF in den vergangenen Jahren zunehmender Kritik ausgesetzt waren. Kann diese Krise den öffentlich-rechtlichen Rundfunk womöglich stärken?

Wir sehen derzeit, wie wichtig ein gut funktionierender Staat ist, aber eben auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der die Menschen unabhängig und umfassend informiert und möglichst alle Aspekte dieser Krise abbildet. Die Zuschauerzahlen, die wir mit unseren Nachrichtensendungen seit Wochen erreichen, belegen dieses große Aufklärungs- und Informationsbedürfnis. Manche Dinge werden vielleicht in einer Krisensituation noch mehr wertgeschätzt.

Es musste auch erst eine Krise kommen, damit Sie eine Abschiedsformel für die „Tagesthemen“ finden.

(lacht) Uli Wickert hat mir irgendwann einmal gesagt, ich solle mich nicht stressen. Auch er habe seinen Satz mit der „geruhsamen Nacht“ erst nach Jahren gefunden. So habe ich es dann auch gehalten. Ich wollte mir nicht von Anfang an einen Handschuh anziehen, der vielleicht nach kurzer Zeit drückt. Deshalb habe ich keinen Satz gesucht, aber gedacht, dass mich irgendwann vielleicht mal ein Satz findet. Und das ist mit „Bleiben Sie zuversichtlich“ geschehen. Denn wir sollten trotz aller Belastungen, die diese Krise mit sich bringt, zuversichtlich bleiben. 

Wie genau kamen Sie drauf?

In meiner ersten Sendung nach der Quarantäne sagte ich, dass wir versuchen sollten, zuversichtlich zu bleiben. Am nächsten Tage hatte ich ein Interview mit dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, der in seinem letzten Satz Ähnliches sagte. Da ich dies einen schönen Gedanken fand, habe ich meinen Satz erst mal behalten. Mal schauen, wie lange er bleibt. 

Herr Zamperoni, vielen Dank das Gespräch.