Frau Greifeneder, Sie haben Anfang Mai eine neue Serie namens "Ausgebremst" angekündigt – und gezeigt wird Sie schon ab diesem Dienstag. Wie geht das?

(lacht) Der Druck, den wir uns auferlegt haben, rührt daher, weil wir das Projekt für den guten Zweck, genauer gesagt für die KunstNothilfe, machen. Daher ist es wichtig, möglichst schnell viel Geld zu generieren. Die Menschen sind jetzt in der Not und benötigen sofort Hilfe. Dazu kommt, dass wir keine Einstünder produziert haben, sondern kurze, pointierte Stücke. Außerdem fielen Locationscouting, Maske oder Kostüm weg. Viele Gewerke mussten die Schauspielerinnen und Schauspieler einfach selbst übernehmen. Dadurch war alles ein bisschen anders als bei klassischen Produktionen, bei denen man mit einem langen Vorlauf arbeitet. 


Wer kam bei dem Projekt auf wen zu?

Das ist wirklich eine verrückte Kombi. (lacht) Alles begann damit, dass Maria Furtwängler mich anrief. Denn tatsächlich war es ja so, dass viele Künstler wegen Corona nur wenig bis gar nichts zu tun hatten. Es lag also viel Talent brach, sodass wir innerhalb kurzer Zeit viele bekannte Namen zusammenbringen konnten. Maria hatte sich mit Mark Popp bereits überlegt, eine Art Seelsorgetelefon zu machen – also etwas, das sich quick and dirty umsetzen lässt. Als die Idee stand und wir beschlossen hatten, das Projekt für den guten Zweck zu machen, hat jeder jeden angerufen. So konnten wir Annette Hess, Sebastian Colley und Ralf Husmann als Drehbuchautoren und Lutz Heineking, jr als Regisseur gewinnen. Und mit Maria Furtwängler, Ulrike Folkerts, Monika Gruber, Sabin Tambrea, Alice Dwyer, Annette Frier, Alessandro Schuster, Maximilian Mundt, Leonie Wesselow, Anna-Lena Schwing, Maren Kroymann, Rauand Taleb und Thomas Loibl haben wir ein unheimlich hochkarätiges Ensemble am Start. 

Wie sind die letzten Wochen abgelaufen? 

Wir haben sehr viele Videokonferenzen gemacht. Inzwischen kenne ich von jedem das Wohn- oder Esszimmer. (lacht) Gedreht haben wir Mitte Mai, was auch deshalb möglich war, weil wir keine fertig ausformulierten Bücher hatten, sondern eine Basis, auf der unser Ensemble improvisieren musste. Ähnlich wie bei "Andere Eltern" haben wir gespürt, dass da schnell eine große Spielfreude aufgekommen ist. Wenig später begann dann schon die Postproduktion. Das war alles schon ziemlich eng getaktet. (lacht)

Wie sieht der rote Faden, der sich durch die Serie zieht?

Maria Furtwängler spielt die Fahrschullehrerin Beate, die von ihrem Mann für eine Fahrschülerin verlassenwurde. Aufgrund dessen fährt sie betrunken Auto,wird erwischt und verliert auch noch ihren Führerschein.In einer Mischung aus Verzweiflung und Rache setzt sie sich in den Fahrschulsimulator ihres Mannes und will sich umbringen. Während sie sich Tabletten einwirft, poppt auf einmaldurch eine Fehlschaltung ein Video-Chat einer Seelsorge-Hotline auf– und plötzlich spricht sie mit ganz vielen Menschen, die glauben, mit einer Seelsorgerin zu sprechen. 

Klingt durchaus ernst.

Keine Sorge, es gibt viele lustige Momente. Aber oft entsteht Comedy eben aus dem Drama. Außerdem wollen wir nicht nur eine Haha-Schenkelklopf-Geschichte erzählen, sondern ganz bewusst auf verschiedene Nuancen und Farben setzen. Mir persönlich hat es außerdem großen Spaß gemacht, Maria Furtwängler mal in einer ganz anderen Rolle zu sehen. 

Ausgebremst 

Was erhoffen Sie sich für den guten Zweck? 

Viele der Beteiligten verzichten auf ihre Gage. Neben der Ausstrahlung auf unseren drei TNT-Sendern zeigen wir "Ausgebremst" zusätzlich noch auf den zugehörigen Social-Media-Kanälen. Alle Werbeeinnahmen, die in diesem Jahr im Umfeld der Serie erzielt werden sowie zusätzliche 25.000 Euro von unseren deutschen TNT-Sender gehen direkt an die die Aktion KunstNothilfe . Und ganz generell möchten wir darauf aufmerksam machen, was die Krise für die Kulturwelt bedeutet – wir haben nicht nur unsere eigene Branche im Blick, sondern auch Musiker, Theater oder Kleinkünstler. Ich selbst habe in den vergangenen Wochen noch einmal sehr deutlich gemerkt, wie wichtig Literatur, Film, Musik, Tanz oder Fernsehen sind. Natürlich sind wir, die Unterhaltung machen, keine Neurochirurgen, die die Menschheit retten. Dennoch lebt der Mensch nicht nur von Arbeiten und Schlafen. Dieser Eskapismus, den wir schaffen können, gibt den Leuten Halt und Lebensqualität. Gerade in der Krise ist es wichtig, der Realität auch mal entfliehen zu können. 

Nun haben Sie nicht nur "Ausgebremst" angekündigt, sondern auch noch weitere Serien. Wie ist es angesichts der momentanen Situation um diese Projekte bestellt? 

Wir hatten Glück im Unglück, weil wir uns zum Zeitpunkt des Corona-Ausbruchs in der Buchentwicklung befanden und daher keinen Dreh abbrechen mussten. Außerdem waren wir in der Planung noch nicht so weit, dass Räumlichkeiten gemietet waren oder der Cast schon komplett feststand. Dadurch waren wir in der Lage, sehr flexibel auf die Situation zu reagieren. Letztlich half uns die Pause sogar, noch etwas mehr Zeit in die Entwicklung reinzustecken. Stand jetzt können wir im Herbst zwei Serien und im Februar eine weitere drehen.


Von "Andere Eltern" hat es bislang zwei Staffeln gegeben. Wie soll es damit weitergehen?

Ich liebe "Andere Eltern" – für mich war das eine Art Gruppentherapie. (lacht) Das Kita-Thema ist aus unserer Sicht auserzählt, aber Lutz Heineking, jr. hat noch weitere Ideen, die man rund um die verrückten Eltern erzählen könnte. Eine Entscheidung darüber, ob und wie es weitergeht, ist aber noch nicht gefallen. Unser derzeitiges Ziel ist es, die drei geplanten Produktionen sicher über die Bühne bringen zu können. Ganz davon abgesehen stellt sich auch die Frage, was die Zuschauer nach dieser Krise überhaupt sehen möchten.

Haben Sie schon eine Antwort für sich darauf gefunden?

Ich bin noch zu keinem Ergebnis gekommen. Untergangsszenarien und Apokalypsen stehen allerdings gerade nicht sehr weit oben auf meiner Liste. Da ist mein Bedarf durch die Realität bestens abgedeckt. (lacht) 

Frau Greifeneder, vielen Dank für das Gespräch.

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