Herr Schiwek, fünf Jahre ist es her, dass die VideoDays zuletzt stattgefunden haben. Warum gibt’s jetzt das Comeback. Warum eigentlich?

Weil es jetzt Zeit ist. (lacht) Die Leute wollen sich wieder begegnen. Gerade die originäre Creator-Szene lebt davon, sich und ihre Fans zu treffen. Da hat also echt etwas gefehlt, sodass wir uns in den vergangenen Monaten intensiv um eine Rückkehr bemüht haben. Doch nicht nur wir, sondern die gesamte Creator Economy sehnt sich nach einem Ort des Zusammentreffens und Austauschs. Das bestätigten auch die vielzähligen Gespräche mit Künstler:innen, Managements, Sendern und Plattformen, die von einer Aufbruchstimmung geprägt waren. Einer muss es ja in die Hände nehmen. Als Marktführer nehmen wir uns der Herausforderung an und laden die gesamte Branche dazu ein, Teil dieser Bewegung zu werden.

Es ist von einem Festival die Rede. Was genau zeichnet den Festival-Charakter aus?

Diese Szene hat ihre Eigenarten und ist nicht vergleichbar etabliert wie andere Mediengattungen, auch was Events angeht. Daher erwartet die Szene Andersartigkeit. Aus diesem Grund können die VideoDays auch keine reine B2B-Veranstaltung sein. Gleichzeitig können wir aber auch kein klassisches B2C machen. Wir brauchen letztlich eine gewisse Ausgelassenheit, um über ernste Themen sprechen zu können. Wir zelebrieren die Szene, wollen aber gleichzeitig, dass jeder etwas mitnimmt. Wir sprechen über eine Szene, die drei Dingen lebt: ungezügelter Kreativität, kontinuierlichen Kooperationen und einem ausgeprägten Gemeinschaftsgefühl. Diese Kernwerte werden auf gleich mehreren Bühnen erlebbar. Natürlich kommt dabei auch das Entertainment nicht zu kurz. Besucher:innen erwarten Creator-Stories, Masterclasses, Panels, Live-Acts und eine Award-Show.

Wer genau steht im Mittelpunkt? 

Das Motto lautet: "By Creators for Creators". Letztlich sprechen wir aber drei Zielgruppen an: Einerseits die Creator:innen, die Inhalte schaffen – und zwar über alle Plattformen hinweg. Die zweite Gruppe sind all jene, die aus der Industrie kommen, also Werbung, Plattformen, Fernsehen und Streamer. Und die dritte Gruppe besteht aus den Fan-Communities, die die Künstlerinnen und Künstler brauchen. Sie alle wollen wir zusammenbringen. Als Gäste erwarten wir unter anderem den schwedischen Social-Media-Star Seth Evermann, die Zwillinge und Creators Heiko und Roman Lochmann aka He/Ro, Besteller-Autorin Tupoka Ogette, aber auch den btf-Produzenten Philipp Käßbohrer, der sicherlich viel über modernes Storytelling erzählen kann.

 

"Es wäre heutzutage geradezu anachronistisch, nur noch von der einen Plattform-Community zu sprechen."
Tobias Schiwek

 

Die VideoDays haben seit 2018 nicht stattgefunden. Was ist heute anders?

2018 hätte es gereicht, auf einem solchen Event mit ein oder zwei Plattformen durchzukommen. 2022 werden wir dagegen alle relevanten Plattformen wie TikTok, YouTube, Pinterest oder LinkedIn dabei haben. Das hängt damit zusammen, dass wir die Community neu verstehen müssen. Es wäre heutzutage geradezu anachronistisch, nur noch von der einen Plattform-Community zu sprechen. Stattdessen müssen wir in der Branche viel stärker auf verschiedene Interessengebiete blicken. Dazu kommt der Wille, dass wir als Szene wahrgenommen werden wollen, die längst keine Nische mehr ist, sondern ein wichtiger Bestandteil der Kultur. Abgerundet wird das Programm von einer exklusiven Awardshow am zweiten Veranstaltungsabend.

Was sprach für Köln als Standort? 

Es stand nie zur Debatte, die VideoDays woanders stattfinden zu lassen, schon alleine aus nostalgischen Gründen. Es ist gut dahinzugehen, wo die VideoDays in der Vergangenheit schon gut funktioniert haben. Gleichzeitig ist der Standort ideal. Köln war schon damals das Epizentrum der Szene und noch immer sind wahnsinnig viele Creators hier angesiedelt. Außerdem haben es uns unsere Förderer:innen, die Film- und Medienstiftung NRW und die Staatskanzlei NRW, extrem einfach gemacht. Perspektivisch kann man sicher noch einmal über das Datum nachdenken. Zum Start haben wir das Festival in den September gelegt, aber wir können es uns auch vorstellen, näher an Events wie die Gamescom, dmexco, das Cologne Film Festival oder die C/O Pop zu rücken. Da bieten sich viele Möglichkeiten an, um eine ganze Festival-Woche auf die Beine zu stellen.

Lassen Sie uns über We Are Era sprechen. Die Firma hieß bis ins vergangene Jahr hinein noch Divimove. Was hat sich seither verändert – abgesehen vom Namen?

Die Veränderungen haben schon früher begonnen. Ziel war es, eine hochresiliente Organisationsstruktur zu bauen. Wir haben fünf verschiedene Firmen zusammengeführt, die aus unterschiedlichen Geografien und unterschiedlichen Industrien kommen – jede irgendwie führend in ihrem Bereich wie Produktion, Talent-Management oder Storytelling. Diese unter ein Dach zu bringen und ein gemeinsames Wertesystem zu schaffen, war eine große Aufgabe. Gemeinsam haben wir neue Unternehmenswerte, eine Vision und Mission definiert, die uns jetzt als Kompass für alle Partnerschaften dienen. Heute verstehen wir uns als Studio und Talent Agency, agieren europaweit datengetrieben, um in dieser fragmentierten Medienwelt Antworten zu liefern. Unser neu installiertes internationales Datenteam kann Sendern, Werbern und Künstler:innen heute ermitteln, mit welchen Narrativen und Themen sie bestehende und neue Zielgruppen plattformunabhängig ansprechen.

Wie weit sind Sie auf Ihrem Weg?

Im Bereich der Werbekunden haben wir viele langfristige Kooperationen geschlossen und sind dadurch weggekommen von kleinen einzelnen Kampagnen. Daneben haben wir uns internationalisiert, haben Kunden von einem Land ins nächste und von einem Bildschirm auf den nächsten gebracht. Wir haben unser Portfolio an Langforminhalten erhöht, etwa mit Dokus wie "Bolzplatzkönige - Mein Weg zum Profi" für RTL+. Mittlerweile haben wir ein eigenes Development-Team aufgebaut, welches sich auf non-scripted, talent-driven Development und den Aufbau von Social-Präsenzen spezialisiert hat. Künstlerseitig ist es uns gelungen, viele Talente auf eine neue Plattform zu bringen, auf welcher sie vorher nicht waren. Heute managen wir Künstlerinnen und Künstler in zwölf Ländern. Darunter sind viele aufstrebende Creator wie Clemens Brock, der wirklich reif für den großen Bildschirm ist. Ebenso auch Künstler:innen, die aus etablierten Medien kommen und die wir nun in die sozialen Medien überführen, beispielsweise Katja Burkard, Brix Schaumburg oder Sebastian Klussmann. Sicher hätte ich mir gewünscht, noch mehr TV zu produzieren oder vielleicht noch größere Werbekunden zu holen. Aber vor dem Hintergrund von Pandemie, Krieg und Inflation bin ich mit unserer Entwicklung zufrieden und auf das Team sehr stolz.

Viele Herausforderungen auf einmal.

Wir haben es darüber hinaus in der Branche mit weiteren Herausforderungen zu tun. Wenn sich bei YouTube oder TikTok plötzlich ein Algorithmus ändert und alle unsere Künstlerinnen und Künstler plötzlich kein Geld mehr verdienen, dann müssen wir die Antwort schon haben, bevor sie die Frage stellen. Das zeigt, in welch schnelllebigen Zeit wir leben. Algorithmen kommen und gehen, Plattformen kommen und gehen. Aber ein Grundgedanke bleibt: Menschen folgen Menschen. 

Was bedeutet das für Ihre Firma?

Wir glauben nicht so sehr, dass es einen Mainstream gibt, sondern viele Subkulturen, die keine Nische sind, aber in sich einen eigenen Zeitgeist pflegen. Das ist hochindividuell, aber so, dass sich Gleichgesinnte jetzt viel besser finden können als noch vor einigen Jahren. Wenn Sie so wollen, gilt da der Satz "Gleich und gleich gesellt sich gern". Unser Anspruch ist es, der kürzeste Weg in jede Community zu sein. Ich brauche nicht zwingend Expert:innen für K-Pop in meiner Firma. Aber ich brauche Datenanalyst:innen, die K-Pop als Subkultur erkennen und dann die richtigen Leute im Development, die die richtigen Menschen miteinander zusammenbringen, um neue Projekte auf die Beine zu stellen – für welche Plattform auch immer. 

Herr Schiwek, vielen Dank für das Gespräch.