Herr Kalkofe, eines Ihrer Interviews hatte mal die Überschrift „Ich warte darauf, dass das ZDF eingestellt wird. Warten Sie immer noch?

Wann hab ich das denn gesagt?

2014 kurz nachdem das ZDF „Wetten, dass..?“ mit Markus Lanz eingestellt hatte.

Stimmt. Die Einstellung von „Wetten, dass..?“ und wie es dazu kam, empfand ich damals wie heute schon als ein beschämendes Zeichen der Hilflosigkeit! Das Unterhaltungs-Flaggschiff wurde abgesetzt, weil man es nicht geschafft hatte, es zu modernisieren. Dabei halte ich die Grundidee immer noch für so gut wie vor 40 Jahren, aber man hat außer Markus Lanz als Moderator wenig geändert und dann viel zu schnell die Segel gestrichen und ist vor neun Millionen Zuschauern freiwillig über die Planke gegangen.

Aber wir haben es jetzt ja wieder zurück…

Aber nur einmal im Jahr als nostalgisches Ritual. Erneuert hat man wieder nichts, sondern lebt von den Erinnerungen an damals. Das war bei der ersten Sendung 2021 okay, aber letzten Herbst war die Luft schon wieder raus und man hat sich gefragt: Kann das wirklich alles sein? „Wetten, dass..?“ ist eine der wenigen Show-Erfindungen, auf die wir in Deutschland stolz sein können, aber das ZDF hat es über Jahrzehnte nicht geschafft, es zu modernisieren und der Zeit anzupassen, sondern  stattdessen nur an dem auf Gottschalk zugeschnittenen Konzept festgehalten. Moderne und wirklich zeitgemäße Shows zu entwickeln, ist immer noch ein ziemliches Problemfeld beim ZDF. Inzwischen haben andere Sender  noch größere Probleme, aber alle zusammen setzen gerade ja viel zu sehr auf den Retro-Trend als reine Wiederholung des Vergangenen ohne die Idee auch der Gegenwart anzupassen - ein Stück weit Verzweiflung, weil einem in Wirklichkeit einfach nichts Neues einfällt.

Als Thomas Gottschalk „Wetten, dass..?“ übernommen hat, waren Sie schon Anfang 20. Welche ZDF-Sendungen haben vorher Ihre Jugend geprägt?

Es sind wirklich viele. Wenn man, wie ich, auch gerne mal über das ZDF spottet, so gehört natürlich zur Wahrheit dazu, dass das ZDF in meiner Kindheit und Jugend eine enorm große Rolle spielte. Es gab nur zwei richtige Sender, und das ZDF war damals bei den jüngeren Menschen ganz weit vorne. Wie lustig, wenn man sich das in Erinnerung ruft. Das ZDF wollte jünger und frecher sein als die ARD. Als das Privatfernsehen kam, wurde es dann aber gefühlt immer mehr zum Alte-Leute-Sender mit einem Publikum, das im Schnitt inzwischen älter ist als das ZDF jetzt wird.

Aber was hat Sie denn begeistert?

Was für mich damals interessant war: Das ZDF hat uns in den 70ern vor allem viele Serien aus den USA gebracht. Ich erinnere mich an Comedyserien wie „Mini-Max“, „Mein Onkel vom Mars“, „Drei Mädchen und drei Jungen“ oder „Bezaubernde Jeannie“. Dann gab es „Daktari“,„Raumschiff Enterprise“, Western-Serien wie „Bonanza“, „Die Leute von der Shiloh Ranch“  und „Rauchende Colts“, Krimis wie „Starsky & Hutch“, „Die Straßen von San Francisco“ und „Drei Engel für Charlie“. Legendär auch „Die 2“ aus England mit Tony Curtis und Roger Moore und grandioser deutscher Synchro. All das war das ZDF. Das hat man alles dankbar aufgesogen, weil es damals so wenig Unterhaltung gab. Das waren wichtige Termine, nach denen man den Terminkalender ausrichtete, weil es noch keine Mediatheken und anfangs noch nicht einmal Videorekorder gab. Da musste man genau zu der Zeit vor dem Fernseher sitzen, und ich hab mein Leben danach geplant. Spielen mit Freunden - gerne, aber nicht, wenn meine Serien liefen. 

Das würde heute wohl kaum noch jemand machen, das junge Publikum aber sicher auch nicht für das ZDF…

Damals war das ZDF der Crazy Shit für die jungen Leute! Die waren cool und mutig, die haben sich was getraut. Das ZDF war das ProSieben der 70er und frühen 80er Jahre.

Wegen der US-Serien?

Nicht nur. Bei den selbstgemachten Unterhaltungssendungen hat das ZDF das, was wir sonst nur vom Samstagabend kannten, irgendwann mit „Der Große Preis“ und „Dalli Dalli“ auch am Donnerstag probiert und somit die großen Shows auch in den Alltag geholt. Das war neu, sowas unter der Woche zu sehen. Sowas gab es bei der ARD nicht. Aber natürlich hatten auch im ZDF alle Moderatoren Anzug und Krawatte an, ohne ging das damals nicht, Seriosität war auch in der Unterhaltung sehr wichtig. Bis dann Thomas Gottschalk auftauchte und alles auflockerte.

Bevor wir jetzt in reiner Nostalgie schwelgen: Was ist denn heute der wichtigste Beitrag des ZDF zum deutschen Fernsehen?

Da muss ich natürlich zuerst die „heute show“ nennen, sonst bekomm ich Ärger von meinem Freund und Kollegen Olli Welke, der mir den Podcast aufkündigt. Also: „heute show“, ganz toll. 

 

"Im Bereich Show war das ZDF früher innovativer als heute"

 

Und sonst? Gibt es zum runden Geburtstag mal ein großes Lob vom scharfzüngigen Kritiker oder ist alles schlimm?

Weder noch. Meine realistische Einschätzung des ZDF: Da hat sich definitiv viel Positives getan in den letzten Jahren, aber es ist noch sehr viel Luft nach oben. Man könnte, gerade weil man ja sehr erfolgreich ist, wesentlich mutiger sein und öfter etwas Neues ausprobieren. Es gibt doch genügend Beispiele dafür, dass sich das lohnt. So, wie man es vor langer Zeit mal mit der „heute show“ und dann Jan Böhmermann bewiesen hat - auch wenn der sehr lange darauf warten musste, ins Hauptprogramm zu dürfen. Im Bereich Show war das ZDF früher innovativer als heute, da haben sie es verpasst, mit der Zeit zu gehen. „Die Giovanni Zarrella Show“ ist sehr professionell gemacht und hat ihr Publikum gefunden, aber ist trotzdem Fernsehen von früher, nur frischer in Szene gesetzt. Show-Innovationen findet man heute woanders.

Bei ProSieben, mit ehemaligen ZDF-Gesichtern.

Genau! „Wer stiehlt mir die Show?“, „Joko & Klaas gegen ProSieben“ oder „Joko & Klaas - Duell um die Welt“ - das sind alles Formate, die man damals zu einer Zeit ohne Privatfernsehen vom ZDF erwartet hätte. Entertainment, bei dem man zu jeder Sekunde merkt, wieviel Herzblut und Liebe zum Produkt dahintersteckt. Wenn ich dem ZDF etwas zum runden Geburtstag wünschen würde, dann mehr Mut, auch mal etwas Neues oder Ungewohntes zuzulassen. Hätten sie den früher schon gehabt, wären Joko & Klaas vielleicht nie zu ProSieben gegangen und all deren Shows könnten jetzt im ZDF laufen. Eine goldene Chance verpasst.

Wie bewerten Sie ZDFneo?

ZDFneo begann als die junge Version der alten Mutti ZDF und hatte mal Joko und Klaas, Böhmermann und wirklich viele kleine kultige Programme. Und jetzt? Man gibt immer noch vor, cool und jung zu sein, aber die meiste Zeit laufen Krimi-Wiederholung des Hauptprogramms, „Bares für Rares“ oder alte Serien der 70er und 80er. Da reicht es dann nicht mehr aus, ein paar Newcomern eine kleine Stand Up-Bühne zu bieten. Der Sender war mal als Experimentierfläche gedacht, inzwischen werden aber fast nur noch alte Kamellen aufgewärmt. Das mag erfolgreich sein, ist aber überaus enttäuschend.

Wie viel SchleFaZ steckt im ZDF?

(lacht) Tatsächlich ein bisschen. In den 80ern gab es im ZDF mal die Wunschfilme, wo das Publikum unter drei zur Wahl gestellten Titeln darüber abstimmen konnte, welcher Spielfilm dann am Samstagabend gezeigt wird. Als ich da nochmal recherchiert habe, war ich über die Auswahl teilweise schon sehr verblüfft,: Ich bin ja nun wirklich ein Nerd, der alle halbwegs guten und schlechten Filme kennt, aber da waren Titel dabei, von denen selbst ich  noch nie gehört habe. Und dann war ich auch sehr begeistert, in der Liste „Ator - Herr des Feuers“ zu entdecken. Das war für uns bei „SchleFaZ“ einer der unterirdischsten Filme, die wir je hatten. Aber in den 80ern hat das ZDF ihn für den Samstagabend in Erwägung gezogen. Am Ende wurde er dann aber nicht gewählt. Hoffe ich jedenfalls.

 

"Wir würden dem ZDF auch mit großer Freude ein paar Sondersendungen widmen"

 

Wer hätte gedacht, dass sich ZDF und „SchleFaZ“ so nahe sind…

Wir würden dem ZDF auch mit großer Freude ein paar Sondersendungen widmen, wenn wir beispielsweise ein paar Folgen des ganz fantastisch produzierten „Traumschiffs“ oder alte Samstagabend-Shows oder Serien bekommen würden. Wenn das ZDF so viel Selbstironie besitzen würde, wäre das großartig. Ich starte hier einfach mal den Aufruf: Liebes ZDF, wenn ihr das hier lest: Lasst uns doch gemeinsam lachen. Es macht doch nur sympathisch, wenn man über den Dingen stehen kann und sich nicht so furchtbar ernst nimmt. Wir alle kennen Filme und Serien, die wir früher geliebt haben, auch wenn wir uns heute vielleicht wundern, warum eigentlich. Aber man kann seine Vergangenheit kritisch und humorvoll betrachten und sie trotzdem weiter lieben und als Kult in Erinnerung behalten. Das „Traumschiff“ gehört dazu!

Selten gab es bei inzwischen 150 Folgen „SchleFaZ“ den Griff in die Schatzkiste deutscher Produktionen. Weil die so schwer zu bekommen sind?

Wir hatten ein paar alte Streifen wie „Hausfrauenreport“, „Pudelnackt in Oberbayern oder „Wenn die tollen Tanten kommen“, die tatsächlich mal im Kino liefen. Mit großer Freude würden wir aber häufiger auch deutsches Fernsehen als Kult feiern, wie es nur „SchleFaZ“ mit dieser fantastischen Community kann. Aber das wurde bei vielen Anfragen meist abgelehnt. Beim Kultfilm „Haialarm auf Mallorca“ hat es ewig gedauert bis wir ihn feiern konnten - übrigens unter der Bedingung, dass wir nicht erwähnen, wo der Film ursprünglich lief. Aber das wusste ja eh jeder.

Wohin schaut man denn nach 150 Folgen? Gibt es noch Märkte oder weitere Genres, die sie erobern wollen würden?

Ich bin selbst überrascht, dass ich immer noch ohne Probleme genügend Filme finde, die Quelle an charmanten Scheißfilmen scheint einfach nicht zu versiegen. Man kann nicht jedes Mal ein neues Genre finden, aber wir versuchen, mit jeder Folge zumindest einen neuen Ansatz zu finden. Schwieriger wird es dann oft, die Filme auch für die Ausstrahlung zu bekommen, weil manchmal gar nicht klar ist, wer Jahrzehnte später die Rechte daran besitzt. Mehr Produktionen aus dem Fernsehen fänd ich aber echt toll. Es wäre fantastisch, wenn ZDF, ARD und RTL über ihren Schatten springen könnten und den Spaß mitmachen und dadurch echte Coolness beweisen würden. Wir zerstören ja keine Legenden, im Gegenteil, wir feiern sie, auch wenn wir über sie und mit ihnen lachen.

 

"Für unsere Fans sind wir wie 'Wetten, dass..?' - nur ohne Budget."

 

Angesichts des zehnjährigen Jubiläum von „SchleFaZ“ im Sommer. Es macht Ihnen immer noch Spaß?

Wie am ersten Tag! So lange Tele 5 oder irgendein anderer Sender sagt, dass sie das machen wollen, ist bei Peter Rütten und mir noch keine Ermüdung zu verspüren. Und eigentlich warten wir auch noch immer auf unseren ersten TV-Preis. Aber vermutlich haben sich Preisjurys noch nie wirklich mit unserer Sendung auseinandergesetzt und glauben, wir würden da einfach nur alte Filme ausstrahlen. In Wirklichkeit ist da aber ein Format, eine eigene Kunstform entstanden, bei der sich eine unfassbar aktive Community entwickelt hat, wie es kaum noch Fernsehsendungen schaffen, darauf sind wir zumindest sehr stolz. Jede Folge #SchleFaZ wird von vielen zelebriert wie ein riesiges TV-Events, auf das sich die Fans präzise vorbereiten. Man trifft sich in Gruppen in Kostümen, bereitet spezielle Snacks und Cocktails vor, um beim Trinkspiel dabei zu sein und sich zeitgleich auch über Social Media live darüber austauschen zu können. Das ist echtes Lagerfeuer-Fernsehen, so wie wir es früher von „Wetten, dass…?“ her kannten! So gesehen sind die Programme sich in dieser Hinsicht gar nicht so unähnlich.

Ach, echt?

Ja, allerdings sind wir nicht so teuer wie wir aussehen (lacht) Ich finde, das ist doch für alle Fernsehmacher im Grunde eine frohe Botschaft: Denkt Euch was aus, verrückte Ideen können funktionieren. So wie „SchleFaZ“. Für unsere Fans sind wir wie „Wetten, dass..?“ - nur ohne Budget. Aber die Idee, der Spaß und die Liebe zum Produkt und zu den Fans ist wichtiger als das Geld. Selbst wenn wir kein Flächenbrand sind, sondern nur ein kleineres Lagerfeuer – viele kleine Feuer halten den Topf auch am Kochen! Auf jeden Fall besser als das Fernsehen als große Warmhalteplatte zu sehen und nur alte Ideen im Wasserbad zu erhitzen.

Neulich war Bastian Pastewka zu Gast im Podcast von Herrn Welke und Ihnen. Was mich zu einer dort nicht erörterten Frage bringt: Wird die „Wixxer-Trilogie irgendwann doch noch um den dritten Teil vervollständigt? Da fehlt ja eigentlich noch ein Film…

Ich hörte davon (lacht). Auch wenn wir alle drei wieder gemeinsam Spaß haben können, habe ich keine Ahnung, ob da jemals irgendwie noch der dritte Film kommen wird. Das wird das Schicksal entscheiden. Aber ich muss auch sagen: Mein Leben war nie stressiger, als bei den beiden Filmprojekten, die enorm viel Energie gekostet haben. Gerade habe ich so viele andere Projekte, dass ich mir das schwer vorstellen kann.

An Streamingdiensten, die besonders gerne bestehende IPs benutzen um sie fortzuführen oder neu aufzusetzen, mangelt es immerhin nicht…

Absolut. Die Ideen für Film und auch Serie sind ja da und bereits ausgearbeitet. Sobald jemand ein ehrliches Interesse bekunden würde, wäre alles sofort möglich. Das ZDF hatte ja früher all die Edgar Wallace-Filme, da würde sich das ja im Grunde anbieten – aber wie schon gesagt ist das vor allem eine Frage des Mutes, ob man sich traut den WiXXer und die vielen schrägen Vögel um ihn herum ins Haus zu holen. 

Herr Kalkofe, herzlichen Dank für das Gespräch.