Herr Althoff, wie ist es um das Talent der jungen Generation bestellt?

Es herrscht ein sehr hoher Professionalitätsgrad beim kreativen Nachwuchs. Die handwerklichen Fähigkeiten sind extrem gut ausgebildet. Da ist mir nicht bange.

Ist das Fernsehen für junge Kreative überhaupt noch interessant?

In den letzten Jahren war es so, dass Regisseurinnen und Regisseure, die mit uns Filme gemacht haben, sehr schnell Angebote von Streamern bekommen haben. Es hat uns einerseits gefreut, dass die Talente entdeckt wurden. Aber es gibt auch die andere Seite der Medaille; dass wir im ZDF nicht sofort als zweite Station gefragt waren. Die Erfahrungen mit den Streamern waren allerdings gemischt. Manche Kreative kamen auch deshalb wieder zu uns zurück, weil sie die Freiheiten, vielleicht auch die Zeit, die wir ihnen bieten können, plötzlich wieder mehr zu schätzen wussten. Insgesamt geht die Tendenz wieder verstärkt dahin, dass Talente auch ihre zweiten und dritten Filme bei uns machen. 

Welche Perspektiven können Sie den Talenten bieten?

Wir haben ein Programm, mit dem wir gezielt auf die Talente zugehen und ihnen Möglichkeiten sowohl im Seriellen als auch bei Primetime-Sendeplätzen bieten. Denken Sie an Felicitas Korn, die jüngst mit ihrem Film den Burgemeister-Preis in München gewonnen hat, oder Franziska Hoenisch, die inzwischen "SOKO"-Folgen oder einen "Bergdoktor" gemacht hat und jetzt bei "Doppelhaushälfte" Regie führt. Es gibt viele Beispiele, bei denen der Transfer von Talenten in andere Bereiche des ZDF sehr gut gelungen ist.

Sie bewegen sich mit den meisten Produktionen in der Nische. Wie definieren Sie Erfolg?

Jedes Projekt verfolgt eine andere Zielrichtung. Eine Trilogie wie "Einzeltäter" von Julian Vogel, die sich den Hinterbliebenen der Opfer der rechtsterroristischen Anschläge von München, Halle und Hanau widmet, ist für uns schon deshalb ein Erfolg, weil wir es richtig und wichtig ist, dieser Perspektive eine Bühne zu bieten. In anderen Fällen ist der Erfolg etwa ein Festival-Erfolg. Für uns ist es zentral, dass die jungen Talente Sichtbarkeit erhalten. Dass Festivals, die einen Schwerpunkt auf junge Talente haben, wie das Filmfest München oder das Max Ophüls Preis Festival, unsere Filme zeigen, ist total schön. Und wenn die Arbeit auch noch mit Preisen gewürdigt wird, dann sind das ganz wichtige Momente in einer jungen Karriere. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass dann auch andere hinschauen. 

Wie raten Sie Talenten, die am Anfang ihrer Karriere stehen?

Es gibt häufig die Angst, dass der erste Film zugleich der einzige Film bleiben könnte. Viele junge Filmemacherinnen und Filmemacher wollen deshalb möglichst alles, was sie zu erzählen haben, in diesen einen Film reinpacken. Da versuchen wir zu beruhigen und Vertrauen zu schenken. Dazu kommt, dass der erste Film häufig leichter fällt als der zweite, weil der dann nochmal mit mehr Ansprüchen belegt ist oder seltsamerweise schwieriger zu finanzieren ist. Gerade deshalb ist es wichtig, sich Gefährten auf der Reise zu suchen und Allianzen zu schmieden. Wir selbst sehen uns als Teil solcher Allianzen, weil wir ja häufig den Weg bis zu maximal dem dritten Film mitgehen. 

 

"Die Mediathek ist ein großer Segen für uns."

 

Wer Fernsehen macht, will, dass das Werk gesehen wird. Wie befriedigend ist ein Sendeplatz gegen Mitternacht im Fernsehen – und wie verändert sich die Wahrnehmung durch die Mediathek?

Der Kleine-Fernsehspiel-Platz ist montagnachts, das ist natürlich alles andere als Primetime. Aber der Platz bietet eben auch Freiheit, etwa von Formatierung. Unsere Filme müssen nicht 88 Minuten lang sein, sondern können 40 Minuten oder drei Stunden dauern, denn gerade bei ersten Filmen ist es besonders wichtig, sie nicht in ein Format zu pressen. Daneben ist die ZDF-Mediathek ein großer Segen für uns, weil sie die Möglichkeit bietet, dass das Publikum die Filme findet, die es sehen will. Das spielt uns in die Karten, denn gerade unsere besonderen Projekte, die vielleicht spitzer sind und ein kleineres Publikum ansprechen, werden im Streaming durchaus gefunden und goutiert. Aus diesem Grund schauen wir der Streaming-Zukunft im ZDF sehr freudig entgegen, weil es eine Art Demokratisierung des Zugangs jenseits eines Sendeschemas ermöglicht.

In den zurückliegenden Jahren herrschte ein echter Serien-Hype. Inwiefern haben Sie diesen auch beim Kleinen Fernsehspiel zu spüren bekommen?

Als der große Serien-Hype noch gar nicht richtig losgegangen war, haben wir beim Kleinen Fernsehspiel bereits Serien wie „Lerchenberg“, „Familie Braun“ oder „Just Push Abuba“ gemacht. Das ist weiterhin ein Feld, das uns beschäftigt. So haben wir die Serie „Deutscher“ gemacht, die sehr erfolgreich war, und werden im Oktober eine Miniserie namens „Füxe“ ins Programm nehmen, in der es um Burschenschaftler und Klassismus im Studium geht. Dazu kommt die Spielfläche ZDFneo, bei der wir etwa mit „Deadlines“ oder „Doppelhaushälfte“ immer wieder serielle Projekte redaktionell verantworten. Auf diese Weise können wir Talenten, die sich bei uns gezeigt haben, die Gelegenheit geben, seriell zu arbeiten. Wir spüren, dass serielles Erzählen neue Talente weiter stark beschäftigt und wollen dies auch bewusst fördern.

Demnächst gibt es im ZDF wieder die „Shooting Stars“-Reihe zu sehen. Was erwartet das Publikum?

Wir bieten eine große Vielfalt von Formen und Erzählweisen und starten mit einem Abschlussfilm der Filmakademie Baden-Württemberg von Abini Gold, toll besetzt mit Laura Balzer. Dabei handelt es sich um eine sehr atmosphärische Liebesgeschichte, die im Schaustellermilieu angesiedelt ist. Daneben zeigen wir auch den vielfach ausgezeichneten Film „Berlin, Alexanderplatz“, den dritten Film von Burhan Qurbani, als eine Art Special Guest der Reihe. Hervorzuheben ist auch „Toubab“, ein Film von Florian Dietrich, den wir sogar um 20:15 Uhr im ZDF ausstrahlen werden. Darin spielen Farba Dieng und Julius Nitschkoff ein Kumpel-Paar. Das ist eine Bromance, eine tolle Komödie mit Gehalt, über einen aus der Haft entlassenen jungen Mann, der durch einen blöden Zufall sofort wieder eine Straftat begeht und daraufhin abgeschoben werden soll. Das einzige, das ihn retten kann, ist eine Heirat. Weil jedoch alle Freundinnen das weit von sich weisen, bleibt nur die Heirat mit seinem Kumpel, was die Freundschaft auf eine echte Probe stellt.

Was müssen Produktionen mitbringen, um das 20:15-Uhr-Publikum erreichen zu können?

Letztlich geht es um eine Mischung von Kleines-Fernsehspiel-DNA mit hoher Produktionsqualität und einer Publikumszugewandtheit, die eine solch prominente Ausstrahlung möglich macht. Das alles schließt sich gewiss nicht aus, wie wir in der Vergangenheit beispielsweise mit „Systemsprenger“ gezeigt haben. Der Film erreichte über fünf Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer bei der linearen Ausstrahlung. 

Das kleine Fernsehspiel ist so alt wie das ZDF selbst. Wie bleibt eine 60 Jahre alte Redaktion auch in Zukunft innovativ?

Indem sie sich selbst immer wieder erneuert – und das tun wir auch. Wir sind als Redaktionsteam was Alter und Geschlecht angeht breit und paritätisch aufgestellt. Wir stellen uns darüber hinaus immer wieder Herausforderungen, die im Regelprogramm nicht so leicht auszuprobieren sind, etwa mit Blick auf neue Technologien oder eine neue Produktionsweise, wie wir es beispielweise mit „Clashing Differences“ gemacht haben. Bei kleinen Formaten lässt sich wesentlich leichter experimentieren – und das ist auch eine unserer Hauptaufgaben. Insofern bleiben wir auch deswegen jung, weil wir schauen, wie wir uns vor den jeweiligen Wellen bewegen können.

Mit welchem Gefühl blicken Sie in die Zukunft – abseits der Talente? 

Uns beschäftigt natürlich die Frage, wie die Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Zukunft aussehen wird. Man darf sich keine Illusionen darüber machen: Wenn es keine Bereitschaft gibt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angemessen auszustatten, dann wird das notgedrungen auch Auswirkungen auf das Programm haben. Ich wünsche mir deshalb, dass bei Produzenten, Kinoverleihern und allen, die in der Branche tätig sind, das Bewusstsein dafür wächst, wie wichtig der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die junge Branche und das Ökosystem Medien in Deutschland ist. 

Da ist aber auch die Politik gefragt.

Es wäre gut, innerhalb der Branche mehr Einigkeit herzustellen, um der Politik den Stellenwert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemeinsam besser vermitteln zu können. Noch mehr miteinander und weniger gegeneinander, das wäre toll.

Herr Althoff, vielen Dank für das Gespräch.

Die Reihe "Shooting Stars - Junges Kino im Zweiten" startet an diesem Dienstag um 23:15 Uhr mit "Zwischen uns die Nacht". Bis zum 4. September laufenden auf wechselnden Sendeplätzen weitere Filme, darunter "Berlin Alexanderplatz" am Mittwoch, den 9. August um 20:15 Uhr auf Arte sowie am Dienstag, den 15. August um 22:45 Uhr im ZDF. "Toubab" ist ab 28. August um 20:15 Uhr zu sehen. Alle Filme der Reihe stehen schon jetzt in der ZDF-Mediathek zum Abruf bereit.