Frau Miosga, Herr Fuhst, seit eineinhalb Jahren herrscht Krieg in der Ukraine. Wie gelingt es Ihnen, regelmäßig darüber zu berichten, ohne dass das Publikum des Themas überdrüssig wird?

Caren Miosga: Das geschieht in Wellen. Einer der Gründe, ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn mit unserer Sendung in die Ukraine zu fahren, war tatsächlich dem Eindruck geschuldet, dass die Leute zunehmend müde wurden, was dieses Thema angeht, und dass sich die Diskussion mehr und mehr darauf verlagerte, was eigentlich mit der eigenen Heizung und dem eigenen Geld passiert. Inzwischen sind wir in meiner Wahrnehmung an einem Punkt angelangt, an dem die Menschen gar nicht mehr nur müde sind, sondern sogar schon zweifeln - etwa darüber, wie lange diese Unterstützung in welcher Form weitergetragen werden kann. Das gilt für Deutschland, aber auch für Europa und die USA. Auch deshalb ist es wahnsinnig wichtig, immer wieder den Blick in die Ukraine zu leiten.

Ihre "Tagesthemen"-Ausgabe aus Kiew, für die Sie gerade mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurden, liegt inzwischen schon 13 Monate zurück. Wie weit liegt diese Sendung inzwischen für Sie persönlich zurück?

Helge Fuhst: Seit der Corona-Pandemie, dem Beginn des Krieges und all den damit einhergehenden Krisen haben wir das Zeitgefühl ein wenig verloren. Da fragt man sich manchmal, was in welchem Jahr eigentlich passiert ist. Die Sendung selbst kommt mir persönlich aber gar nicht weit weg. Es fühlt sich allerdings für uns unwirklich an, diesen Preis auf der Bühne entgegenzunehmen, schließlich will niemand von uns diesen Krieg und wir wären froh, es hätte ihn niemals gegeben. Trotzdem gibt es ihn leider – und deshalb muss so viel wie möglich berichtet werden, damit wir auch nur annähernd verstehen, was dort passiert. Es braucht also auch in Zukunft ganz viele Mutige, die weiter berichten.

Worin bestand die größte Herausforderung, eine Live-Sendung in Kiew zu produzieren? 

Miosga: Das ist ganz vielschichtig und bedeutete eine monatelange Vorbereitung. Wenn Reporter in Kriegs- und Krisengebiete fahren, dann müssen sie zunächst ein Sicherheitstraining absolvieren. Sie müssen lernen, mit welchen Waffen sie es womöglich zu tun haben, wie sie sich bei Raketenbeschuss schützen können. Gleichzeitig haben unsere Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine recherchiert und mit Menschen geredet, die vielleicht eine Geschichte erzählen, die wir so noch nicht erzählt haben. 

Gab es kritische Momente?

Miosga: Wir haben am 24. August von einem Hotelbalkon aus gesendet – an einem Tag, von dem wir nicht wussten, ob wir von dort überhaupt senden können. Zur Sicherheit hatten wir uns schon im Keller für eine zweite Sendeposition eingerichtet. Zwei Tage zuvor kam von amerikanischer Seite die Information, bitte das Land zu verlassen, weil es möglicherweise einen größeren Raketenbeschuss geben könnte. Dass wir unter diesen Umständen trotzdem eine Sendung zustande gebracht haben, die reibungslos funktionierte und emotionale Momente hatte, darauf waren wir wahnsinnig stolz. Das wird jetzt mit dem Fernsehpreis gekrönt.

Welchen Unterschied macht es, eine ganze "Tagesthemen"-Sendung vor Ort zu senden, im Vergleich zu einer klassischen Schalte?

Fuhst: Es ist für das Publikum ein Überraschungseffekt, wenn wir nicht aus dem Studio senden. Die Menschen schenken so einer Sendung eine ganz andere Aufmerksamkeit und sie bleibt in Erinnerung. Aber auch für das Team war es wichtig, selbst im Kriegsgebiet zu sein, mit den Menschen zu sprechen und nicht aus dem behüteten Deutschland zu schalten. Das macht den großen Unterschied.

Miosga: Sie verstehen plötzlich sehr viel besser, wie es den Menschen geht. Wenn Sie selber Luftalarm erleben, dann merken Sie: Das ist ja die ganze Zeit Terror. Die Ukrainer sind inzwischen cool und nehmen es womöglich nicht mehr so wahr, aber das liegt die ganze Zeit wie ein mentaler Teppich über dem gesamten Land. Es ist so scheußlich, so schrecklich, das auszuhalten. Das spüren Sie nur, wenn Sie da sind.

Im kommenden Jahr wechseln Sie allerdings komplett ins Studio - für den Polittalk am Sonntagabend. Wie schwer fällt Ihnen dieser Schritt nach 16 Jahren "Tagesthemen"?

Miosga: Es fällt mir wahnsinnig schwer, denn ich habe das so irre gern gemacht. Als ich kürzlich den Rekord gebrochen habe, 16 Jahre zu moderieren - länger als Uli Wickert -, da habe ich sofort gedacht: Wieso? Ich mache das doch erst seit sechs Jahren! (lacht) Dieser Job fühlt sich jeden Tag neu an und wir sind als Redaktion und Team so zusammengewachsen, dass mir der Abschied nun sehr schwer fällt.

Wovor haben Sie am meisten Respekt, wenn Sie an den Wechsel auf den Talkshow-Sendeplatz nach dem "Tatort" denken? Anne Will erzählte jüngst, dass Sie die Aufmerksamkeit, die auf der Sendung lastet, in der Anfangszeit unterschätzt hat.

Miosga: Ich bin selbst gespannt zu erfahren, wie es wird. Ich weiß nur, worauf ich mich freue: Dass ich nach den vielen Schalten aus dem "Tagesthemen"-Studio in Hamburg endlich leibhaftig mit Politikerinnen und Politikern reden kann.

Frau Miosga, Herr Fuhst, vielen Dank für das Gespräch.

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