Frau Emmelius, vor sechs Jahren ist die European Alliance an den Start gegangen, eine Koproduktionsgemeinschaft von ZDF, France Télévisions und der italienischen Rai. Jetzt haben Sie die nächste internationale Allianz angekündigt. Was hat es damit auf sich?

Wie gerade auf der MIA in Rom verkündet, werden wir unter dem Titel "New8" eine neue Partnerschaft starten, hinter der sich die Zusammenarbeit von acht öffentlich-rechtlichen Sendern in Nord- und Westeuropa verbindet. Unser erklärtes Ziel ist es, auf diese Weise jährlich in einen Austausch von acht Dramaserien zu kommen, die sich vorwiegend an ein Publikum im Alter zwischen 18 und 45 Jahren richten sollen.

Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?

Fast zeitgleich zur European Alliance haben die skandinavischen Länder – also SVT aus Schweden, DR aus Dänemark, YLE aus Finnland, RUV aus Island und NRK aus Norwegen – aus einer langen Tradition der Zusammenarbeit im Lizenzgeschäft heraus eine ähnliche Allianz im Seriengeschäft gegründet. Deren Erfahrungen wiederum haben zu der Frage geführt, ob sich dieses Modell ausweiten lässt. Daraus sind nun die "New8" entstanden. Neben dem ZDF sind im Zuge dessen auch NPO aus den Niederlanden und das flämische VRT als neue Partner an Bord, mit denen wir in der Vergangenheit - so wie mit den Kolleginnen und Kollegen aus Skandinavien - bereits eng zusammengearbeitet haben.

New8 © ZDF/NRK
Worin besteht der Unterschied zur European Alliance?

Der Unterschied liegt an der festgelegten Anzahl an Programmen, die jeder Sender pro Jahr für die Gemeinschaft einbringt – mit den Ausstrahlungsrechten für die jeweiligen Territorien. Dieser festgelegte Schlüssel hilft uns dabei, wie wir die Produktionen untereinander abgelten, damit wir die Budgets nicht jedes Mal aufs Neue rauf- und runterrechnen müssen. Unsere Zusammenarbeit ist zunächst auf drei Jahre angelegt. Die Intention ist es allerdings, eine dauerhafte Partnerschaft herzustellen, die in Zukunft auch offen für weitere Partner sein wird. 

New8 in Rom © ZDF Hans-Jørgen Osnes (NRK), Elly Vervloet (VRT), Dr. Simone Emmelius (ZDF), Anna Cronemann (SVT) und Moderator Jon Ola Sand beim Launch der "New8" in Rom.

Bei acht Dramaserien pro Jahr liegt es nahe, dass jedes Land eine Serie pro Jahr beisteuern wird, oder?

Nicht ganz. Im Detail sieht die Zusammenarbeit vor, dass die skandinavischen Länder vier Serien pro Jahr beisteuern. Das liegt daran, dass sich Finnland und Island als kleine Länder jährlich abwechseln werden. VRT und NPO machen wiederum jeweils eine Serie pro Jahr, während vom ZDF als wahrscheinlich größtem Partner zwei Serien pro Jahr kommen. Jeder der Sender hat für die eingebrachten Serien den Hut auf, aber wir stimmen uns natürlich in regelmäßigen Quartalssitzungen mit den Heads of Drama ab, nicht zuletzt was die Leitplanken und Genres anbelangt.

Früher gab es mit Blick auf internationale Koproduktionen den Begriff "Euro-Pudding". Der war nicht gerade lieb gemeint, weil häufig zu viele Köche den Serienbrei verdarben. Welche Lehren haben Sie daraus gezogen?

Das wichtigste Learning ist, dass eine Koproduktion eben nicht bedeutet, dass alle gleich laut sprechen. Am Anfang einer Produktion steht die gemeinsame Überlegung, ob wir die gleiche Vision teilen. Danach muss man allerdings zulassen, dass ein Partner in eine federführende Rolle geht. Dieses Prinzip ist bei den "New8" sehr stark ausgeprägt. Hier ist der jeweils einbringende Sender derjenige, der diese Federführung hat. Die anderen sind beratend mit dabei, rücken aber bei der eigentlichen Umsetzung in den Hintergrund. Auf diese Weise wird es möglich, hochwertige, frei verfügbare Serien nicht nur zu finanzieren, sondern eben auch einem breiten Publikum über Ländergrenzen hinweg zugänglich zu machen.

 

"Die Zahl der Konkurrenten, für die in Bezug auf Budgets und Anzahl von Produktionen lange der Leitsatz 'the sky is the limit' galt, ist spürbar zurückgegangen. Diese Zeiten sind vorbei."

 

Was erhoffen Sie sich inhaltlich?

Der Schwerpunkt soll im Drama-Genre liegen. In unserer redaktionellen Arbeit setzen wir außerdem auf eine möglichst große Varianz. Wir wollen unseren Zuschauern Serienwelten anbieten, die sie unterhalten, in denen sie sich wiederfinden und zu Hause fühlen, die ihre Lebenswelt in der Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln, auch in ihren jeweiligen nationalen oder regionalen Facetten. 

Wann werden wir die ersten Ergebnisse im Programm sehen?

Ich erhoffe mir die ersten Ergebnisse im nächsten Jahr. Nach der Bekanntgabe der Partnerschaft jetzt in Rom wollen wir in einem zweiten Schritt beim C21 in London den ersten Slate an Stoffen bekanntgeben, damit jeder ein Gefühl dafür bekommt, für welche Art von Programmen wir eigentlich stehen.

Eine allgemeine Frage zum Schluss: Wie blicken Sie auf die jüngsten Entwicklungen im internationalen Fiction-Geschäft?

Wir beobachten, dass sich der Markt rasant verändert. Die Zahl der Konkurrenten, für die in Bezug auf Budgets und Anzahl von Produktionen lange der Leitsatz "the sky is the limit" galt, ist spürbar zurückgegangen. Diese Zeiten sind vorbei. Wichtig ist aber auch noch ein anderer Aspekt: Wir als Öffentlich-Rechtliche sehen uns mit unseren Beitragsgeldern in der Verantwortung, auch in der Zusammenarbeit mit den Produzenten für Stabilität zu sorgen. Auch sie profitieren deshalb davon, dass wir uns auf europäischer Ebene stärker denn je miteinander vernetzen. 

Frau Emmelius, vielen Dank für das Gespräch.