So richtig überrascht schien keines der Mitglieder der Produktionsallianz, mit denen das Medienmagazin DWDL.de gesprochen hat, seit am Mittwoch Björn Böhnings Rückkehr in die aktive Politik bekannt wurde (DWDL.de berichtete). Alle, die ihren Geschäftsführer und Vorstandssprecher in den letzten Monaten beobachtet hatten, waren sich sicher, dass dieser Schritt früher oder später kommen würde. Auch wenn manche eher mit dem Kultur- und Medienressort im Kanzleramt als mit dem Finanzministerium gerechnet hätten.

Zu offensichtlich wurde spätestens seit der zweiten Jahreshälfte 2024 der politische Ehrgeiz des 46-jährigen Sozialdemokraten, wenn es darum ging, die Verhandlungen zur Filmförderreform nicht nur als wohlmeinender Lobbyist von außen zu pushen, sondern gezielt den Eindruck zu vermitteln, als setze Kulturstaatsministerin Claudia Roth kein Komma in ihre Novelle, ohne ihn vorab zu konsultieren. Je nach Stand im zähen Ringen um das Gesetzesvorhaben lobte er die Grüne bis kurz vor Erzeugen einer Schleimspur oder trieb die Verhandlungspartner mit geschickt platzierten Indiskretionen vor sich her, ganz so, als sei er Roths inoffizieller, stets ein bisschen zu vorlauter Pressesprecher.

Aus Verbandssicht war Böhnings Taktieren ein zweischneidiges Schwert. Einerseits hätte sich die Produktionsallianz keinen stärkeren und besser vernetzten Vormann wünschen können, um den Interessen der Branche in historisch herausfordernden Zeiten Gehör zu verschaffen. Andererseits entstand durch seine Einlassungen ein nahezu unerfüllbarer Erwartungsdruck, der vom Schmalspurkompromiss der zerbrochenen Ampel-Koalition in Sachen FFG-Novelle nur enttäuscht werden konnte, aber natürlich trotzdem schöngeredet werden musste (O-Ton Böhning: "Was für ein Meilenstein").

Diejenigen im Allianzvorstand, die zumindest hinter vorgehaltener Hand eine gewisse Diskrepanz zwischen der Profilierung ihres Geschäftsführers und der realen Lage ihrer Mitgliedsbetriebe bemängelten, sahen sich kurz darauf bestätigt, als Böhning nach der Bundestagswahl aufseiten der SPD an den Koalitionsverhandlungen mitwirken wollte. Eine entsprechende Freistellung wurde ihm nach DWDL.de-Informationen vom Gesamtvorstand der Produktionsallianz nicht erteilt. Zu groß war die Sorge, dass ein einseitig parteipolitisch verorteter Verbandschef gegenüber einer CDU-geführten Bundesregierung an Einfluss verlieren könnte.

Auch mit einer weiteren Personalie in eigener Sache hatte Böhning offenbar einen Keil zwischen die Vorstandsmitglieder getrieben. Als er sich im vergangenen Herbst zum neuen Präsidenten der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) wählen lassen wollte, gab es dem Vernehmen nach kritische Stimmen im Gesamtvorstand der Produktionsallianz. Mehrere Vertreter äußerten Bedenken, das prestigeträchtige Ehrenamt könne angesichts der krisenhaften Branchensituation zu viel Energie vom Hauptjob rauben und zu viele diplomatische Kompromisse mit Filmverleihern oder Kinobetreibern erfordern, die ebenfalls in der SPIO organisiert sind, aber gerade bei der Förderreform mitunter andere Interessen als die Produzenten verfolgen. Statt vom Gesamtvorstand ließ Böhning sich den Schritt vom kleineren Geschäftsführenden Vorstand absegnen und wurde Mitte Oktober SPIO-Präsident.

Björn Böhning © Produktionsallianz
Selbst Böhnings interne Kritiker erkennen derweil an, dass seine Bilanz der vergangenen drei Jahre an der Verbandsspitze überwiegend positiv ausfällt. Mit dem früheren Juso-Vorsitzenden, Chef der Berliner Senatskanzlei und Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium bekam die damals noch "Produzentenallianz" genannte Lobbyorganisation einen Geschäftsführer, der so manche vormalige Selbstblockade beherzt auflöste, Positionen und Prozesse kräftig durchlüftete und als gewiefter Machtstratege auch die traditionelle Teilung zwischen Geschäftsführung und Vorstandsvorsitz beendete, was die Allianz als wirksame Branchenstimme regelrecht entfesselte.

Angesichts seiner politischen Karriere vor der Produktionsallianz und seiner spürbar gewachsenen Ambition währenddessen sei die Annahme naiv gewesen, Böhning habe im Kampf für die Produktionswirtschaft seine endgültige Bestimmung gefunden, sagt einer, der regelmäßig mit ihm zu tun hat. Als ausgesprochener "Homo politicus" sei er zusehends unruhiger geworden und auf dem Sprung zu höheren Weihen gewesen. Dass der enge Vertraute von SPD-Chef Lars Klingbeil nun Staatssekretär im Finanzministerium mit Zuständigkeit für die Regierungskoordination wird, wie zuerst der "Tagesspiegel" berichtete, dürfte also ganz nach seinem Geschmack sein. Noch lieber als auf Bühnen zu stehen und kämpferische Reden zu schwingen, ziehe er die wirklich bedeutsamen Strippen im Hintergrund, ist aus Böhnings Umfeld zu hören.

Die Mitglieder der Produktionsallianz dürften den Abschied mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen. Einer wie Böhning – politisch bestens verdrahtet und doch willens, sich auf sämtliche Untiefen der Film- und Fernsehproduktion zu spezialisieren – ist nicht so leicht zu ersetzen. Als Gegenpart zum künftigen konservativen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer – in vielerlei Hinsicht eine Art Anti-Roth – wäre er für den Verband aber womöglich nicht mehr die Idealbesetzung gewesen. Es ist nun Aufgabe des Geschäftsführenden Vorstands, eine geeignete Person zu finden und dem Gesamtvorstand zur Berufung vorzuschlagen.

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