Was macht mich traurig?
Der Untergang von Sport1. Ich war dabei als am 1. Januar 1993 aus Tele 5 das Deutsche SportFernsehen (DSF) wurde, praktisch nur mit Leuten wie mir, ohne viel TV-Erfahrung, aber mit viel Liebe für den Sport. Praktisch ohne nennenswerte Sportrechte (außer Tanzturnieren), aber mit viel Fantasie und Leidenschaft wurde eine Marke aufgebaut, ein Publikumsversprechen abgegeben, dass auch die spätere Umbenennung in Sport1 mühelos überstehen konnte. Sport1 machte immer wieder aus der Not, nämlich keine allzu tiefen Taschen zu haben, eine Tugend, etwa wie in den letzten Jahren mit der „Entdeckung“ des Dartsports. Und nun? Will der türkische Gesellschafter Acunmedya bekanntlich einen Unterhaltungskanal („Show1“) daraus machen. Ich hatte das schon in einem früheren Artikel als „nachhaltiges Missverständnis“ bezeichnet. Aber scheinbar wird man in Istanbul aus Schaden nicht klug, sondern rasiert eben mal das gesamte deutsche Sport1-Management, um es mit einem türkischen, angeblich sehr erfahrenen TV-Profi zu ersetzen, der es nun richten soll. Man muss kein Medienexperte sein, um sich die Erfolgschancen dieses Projekts auszurechnen. Ich würde lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Mehr zu den Einzelheiten hier.
Was finde ich interessant?
Dass der deutsche Streaming-Markt sich im zweiten Quartal 2025 fragmentierter darstellt und dennoch von Prime Video und Netflix dominiert bleibt. Laut aktuellen Nutzungsdaten von Justwatch hat Prime Video mit einem Marktanteil von 28 % weiterhin die Spitzenposition inne, allerdings mit einem Rückgang von 1,3 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorquartal. Netflix folgt knapp dahinter mit 25 % und verliert ebenfalls leicht (-0,7 Prozentpunkte). Disney+ bleibt stabil auf dem dritten Platz mit 17 % Marktanteil. Der größte Gewinner im Quartalsvergleich ist Paramount+, das seinen Anteil um 1,7 Prozentpunkte auf 6 % steigern konnte, was vor allem auf lokale Inhalte und verbesserte Sichtbarkeit zurückgeführt wird. Apple TV+ verzeichnet ebenfalls Wachstum (+1,0 Prozentpunkte) und kommt nun auf 8 %. WOW (ehemals Sky Ticket) liegt bei 7 %, während RTL+ bei 5 % und der Bereich „Sonstige“ bei 4 % relativ konstant bleiben. NB: JustWatch-Daten sind ein valider Indikator für die Beliebtheit von Streaming-Angeboten und Marktbewegungen, sie sind aber keine exakten Abbildungen von Zuschauernutzung oder Abonnentenzahlen. Aber beim Streaming-Markt ist man ja dankbar für jede Zahl. Mehr dazu hier.
Was hat mich überrascht?
Dass Amazon sein Podcast-Studio Wondery schließt und im Zuge einer umfassenden Umstrukturierung 110 Arbeitsplätze abbaut. Amazon hat Wondery im Jahr 2021 für 300 Millionen US-Dollar übernommen und seither eine Vielzahl erfolgreicher narrativer Podcasts produziert. Diese werden künftig unter dem Audible-Label weitergeführt, während personality-getriebene Formate in einem neuen „Creator Services“-Team gebündelt werden. Wondery-CEO Jen Sargent verlässt das Unternehmen nach einer Übergangsphase. Hintergrund sind der starke Wettbewerb, hohe Kosten und der Trend zu videofokussierten und creator-geführten Podcasts, getrieben durch Plattformen wie YouTube und Spotify. Der Schritt von Amazon wird von einigen Marktbeobachtern als Eingeständnis gewertet, dass die bisherige Podcast-Strategie nicht erfolgreich war und das Unternehmen seine Audio-Sparte radikal an die neuen Marktbedingungen anpasst. Irgendwie stellt sich mir die Frage, wie konnte es passieren, dass ein Unternehmen mit den finanziellen Möglichkeiten wie Amazon, das sonst so vieles richtig macht, hier offenbar die Trends verschlafen hat? Aber es zeigt eben auch wieder: „too big to fail“ gibt es nicht in der Medienbranche. Mehr zu den Hintergründen gibt es hier.
Was fand ich regelrecht spektakulär?
Die fünfteilige Netflix-Dokuserie „Unreal: WWE.“ Sie funktioniert ähnlich wie „Drive To Survive“ oder „The Last Dance“ und adressiert durchaus nicht nur Wrestling-Fans. Dass die Matches gescripted sind, ist hinlänglich bekannt. Mit welcher Akribie die im Writers’ Room entworfenen Storylines von den Wrestler*innen mit athletischer Exzellenz umgesetzt werden, und wie diese letztlich von Match Producern an der sogenannten Gorilla Position (einer Art redaktioneller TV Regie) live perfekt inszeniert werden, das war mir dann doch so nicht klar. Das Wrestling-Business ist heute eine milliardenschwere, global aufgestellte Unterhaltungsindustrie. Im Jahr 2025 wird der weltweite Markt auf etwa 7,5 Mrd. US-Dollar geschätzt und wächst stetig, bis 2032 wird ein Anstieg auf rund elf Mrd.US-Dollar erwartet. Der größte Player ist die WWE, deren Umsätze 2025 neue Rekorde erreichen: allein im 2. Quartal erzielte WWE einen Umsatz von 556,2 Mio. US-Dollar, was einer Steigerung von 22% im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Ich bin kein Fan des Sports, aber die Professionalität und Kommerzialität mit der US Sportligen ihr Geschäft betreiben, ist nach wie vor global unerreicht. Und wer schon immer wissen wollte, was ein „Heel Turn“ ist, der schaut sich das auf jeden Fall an.
Und wem wünsche ich ganz viel Spaß und Erfolg im neuen Job?
Der geschätzten Kollegin Nadine Gründfeld, der neuen Co-Geschäftsführerin von Brainpool ab September. Sie hat in ihrer langen TV Karriere als EP und Produzentin bereits beachtlich Erfolge vorzuweisen, vom Dschungel bis zu „The Masked Singer.“ Nach dem etwas überraschenden Aus von Cheerio Entertainment dachte ich mir, sie wird nicht lange solo bleiben. Nun kehrt sie also zur quasi alten Wirkungsstätte ins Banijay Reich zurück. Wir lernten uns kennen vor etwa 15 Jahren als ich Geschäftsführer bei der MME in Berlin war und sie mir mit ihrer neugeborenen Tochter auf dem Arm erklärte, wie sie in Zukunft als Producerin arbeiten wolle. Was soll ich sagen, ihr sagte man nicht nein. Ich mochte ihre kluge, heitere und herzliche Art von Anfang an und bin mir sicher, die Brainpool-Kolleg*innen, die sie vielleicht noch nicht kennen, werden ihre Freude an dieser Chefin haben. Also, Nadine, wie du mir geschrieben hattest: „Auf geht’s mit Gebrüll.“ Und ich bin gespannt, welche Show wir als nächste von dir sehen werden.