Dass 2025 für die Bavaria Film kein Jahr wie jedes andere ist, lässt sich schon daran ablesen, dass es Ende August noch keinen offiziell festgestellten Abschluss für das vorherige Geschäftsjahr gibt. In der Regel kümmert sich die Gesellschafterversammlung des öffentlich-rechtlichen Tochterkonzerns in ihrer Juli-Sitzung um die Feststellung des Jahresabschlusses und die Genehmigung des Geschäftsberichts. Doch diesmal standen größere Disruptionen auf der Tagesordnung: Weil Gesellschafter und Aufsichtsrat über die geplante Aufspaltung der Bavaria zu beraten hatten, wurden die Formalien auf Oktober verschoben.

Die Geschäftsführer Christian Franckenstein und Julia Reuter hatten Alarm geschlagen, weil die komplexe Konzernstruktur zu überhöhten Betriebskosten führe, und entsprechend eine "Strategie- und Strukturreform" angemahnt. Der Aufsichtsrat, an dessen Spitze WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn den pensionierten Intendanten Tom Buhrow abgelöst hat, folgte ihnen ebenso wie die Gesellschafterversammlung. Somit ist der Prozess im Gange, der aus vier Geschäftsbereichen unter einem Dach zwei autarke Units machen soll – eine für Content, die andere für Immobilien und Studios.

Als größte Herausforderung im laufenden Geschäftsjahr nennt Bavaria-CEO Franckenstein gegenüber DWDL.de denn auch den "reibungslosen Start unseres Konzernumbaus". Es gehe darum, "jedem Geschäftsbereich die nötige strategische und operative Schlagkraft zu geben, die es in den anhaltend disruptiven Veränderungen in diesen Märkten" brauche. Beim Blick auf die Zahlen wird deutlich, warum etwas passieren muss. Dem Vernehmen nach hat die Bavaria zwischen Februar 2024 und Januar 2025 rund sieben Prozent an Umsatz und vier Prozent an Gesamtleistung eingebüßt, rutscht damit vom vierten auf den fünften Platz der DWDL.de-Produktionsriesen. Auf Basis vorläufiger Zahlen gibt das Unternehmen eine Gesamtleistung von rund 300 Millionen Euro und ein operatives Betriebsergebnis (EBITDA) von etwa 16 Millionen Euro an. Daraus ergibt sich eine EBITDA-Marge von rund fünf Prozent.

Bavaria Film auf einen Blick

  • Umsatz 2024/25: ca. 290 Millionen Euro (Platz 5 der DWDL.de-Produktionsriesen)

  • Gesellschafter: WDR Mediagroup (33,35%), SWR Media Services (16,67%), Bavaria Filmkunst (16,67%), LfA Gesellschaft für Vermögensverwaltung (16,67%), MDR Media (16,64%)

  • Geschäftsführung: Christian Franckenstein (CEO), Julia Reuter (CFO)

  • Produktionsfirmen: Bavaria Entertainment; Bavaria Fiction; Satel Film; Saxonia Media; Story House Pictures; Story House Productions

  • Produktionen 2025 (Auswahl): Besseresser (ZDF); Die beste Klasse Deutschlands (KiKa); Die Drei von der Müllabfuhr (ARD); Die Giovanni Zarrella Show (ZDF); Die Rosenheim-Cops (ZDF); Frieda – Mit Feuer und Flamme (Sat.1); In aller Freundschaft (ARD); Inga Lindström (ZDF); Mozart/Mozart (ARD); Obersee (ZDF); Schloss Einstein (KiKa); SOKO Donau (ZDF); Sturm der Liebe (ARD); Vanished (ZDF); WaPo Berlin (ARD); WaPo Bodensee (ARD); Wunderschön! (WDR)

"Damit haben wir zwar bezogen auf die Gesamtleistung unser selbst gestecktes Ziel, erneut mindestens 300 Millionen Euro zu erwirtschaften, erreicht, aber eine operative EBITDA-Marge von ca. fünf Prozent ist dauerhaft nicht ausreichend", so Franckenstein. "Die erhöhten Anforderungen an Investitionen und Innovationen, die insbesondere aufgrund der umfassenden Transformation in unseren Märkten – Medien und Immobilien – bestehen, sowie die berechtigten Rentabilitätserwartungen unserer Gesellschafter erfordern verlässlich ein deutlich höheres Ergebnisniveau."

Fürs laufende Geschäftsjahr 2025/26 bleibe man "hinsichtlich unserer Erwartungen verhalten" und strebe bei "unverändert herausfordernden Märkten" an, die Vorjahreswerte von Gesamtleistung und EBITDA zu halten. Die Effizienz der Arbeitsprozesse soll – nicht zuletzt durch verstärkten Einsatz von KI-Tools – erhöht werden. Und Wachstum soll "trotz defensiven Nachfrageverhaltens unserer langjährigen Auftraggeber" erzielt werden, indem man mehr Industriekunden gewinnt. Als Beispiele nennt Franckenstein  Check24, dessen "Unvergleichliche Show" in den Bavaria Studios in Geiselgasteig entsteht, ebenso wie das im Oktober anstehende "Bookstock Festival" der Buchhandelskette Hugendubel.

Frieda - Mit Feuer und Flamme © Sat.1/Claudius Pflug Sendeplatz verbrannt: Die Sat.1-Serie "Frieda" aus dem Hause Saxonia Media muss noch warten
Wesentliche Säulen der Gruppe sind und bleiben jedoch die langlebigen Serienformate "Sturm der Liebe", "Die Rosenheim-Cops" (beide Bavaria Fiction) und "In aller Freundschaft" (Saxonia Media) mitsamt Spin-off "Die jungen Ärzte", das in diesem Jahr sein zehnjähriges Bildschirmjubiläum feiert. Zusammengerechnet stehen die drei Marken für ein jährliches Volumen von über 250 Programmstunden. Zu früh gefreut hatte man sich freilich, dass mit der von Bavaria Fiction produzierten Sat.1-Soap "Für alle Fälle Familie" weiteres nachhaltiges Daily-Geschäft ins Haus kommen würde. Auf dem 18-Uhr-Sendeplatz floppte die Serie gewaltig und flog vorzeitig vom Sender, so dass es bei den 80 abgedrehten Folgen blieb. Die ebenfalls 80 Folgen von "Frieda – Mit Feuer und Flamme", die Saxonia Media für denselben Sendeplatz produziert hat, warten immer noch auf ihre Ausstrahlung, obwohl sie eigentlich im Frühjahr kommen sollten.

 

Die Auslastung unserer Studios ist bezogen auf fiktionale Produktionen deutlich ausbaufähig.
Bavaria-Film-CEO Christian Franckenstein

 

Am anderen Ende der Fiction-Skala kann die österreichische Bavaria-Tochter Satel Film mit der fertigen High-End-Serie "Vienna Game" für Disney+ aufwarten, während Story House Pictures in der Postproduktion von "Mozart/Mozart" für ARD und ORF steckt, dessen Weltvertrieb sich Bavaria Media International mit der Beta Film teilt. Bavaria Fiction wiederum bereitet den für Oktober geplanten Drehstart des Prime-Video-Films "Drive – The Pretenders" vor. Die Bavaria Studios hatten im Juli und August die deutsch-amerikanische Kino-Koproduktion "The Weight" mit Ethan Hawke und Russell Crowe im Haus, und auch mit einigen Drehtagen für den jüngsten Constantin-Film-Blockbuster "Das Kanu des Manitu" kann man sich schmücken. "Allerdings", so Franckenstein, "bevorzugen noch immer viele Fiction-Produktionen aufgrund dortiger Steueranreize und niedrigerer Lohnkosten Drehs im Ausland. In der Folge ist die Auslastung unserer Studios bezogen auf fiktionale Produktionen deutlich ausbaufähig."

Was unmittelbar die Frage nach sich zieht, wie attraktiv die Studio- und Immobiliensparte der Bavaria überhaupt für potenzielle Investoren ist. Der Einstieg "neuer, strategisch interessierter Gesellschafter" gehört zum Aufspaltungsplan – bis hin zu einem möglichen Ausstieg der Sendergesellschafter aus dieser künftigen Unit. In diesem Zusammenhang erscheint ein LinkedIn-Post des früheren Bavaria-Geschäftsführers Achim Rohnke aufschlussreich, der zwischen Wehmut und Realismus changiert: "Ende des klassischen, über 100 Jahre alten amerikanischen Studiomodells in Geiselgasteig", schrieb Rohnke Ende Juli, als DWDL.de den geplanten Umbau seines Ex-Arbeitgebers publik machte. Dass man sich für Investoren öffne, sei richtig – "das war und ist seit vielen Jahren der Traum des Managements, denn die öffentlich-rechtlichen Gesellschafter waren für die Studio- und Standortentwicklung wie eine 'Eisenkugel am Bein'." Der Haken an der Sache, so Rohnke weiter, sei nur, dass Deutschland nach wie vor kein planbares Steueranreizmodell wie die meisten Nachbarländer habe: "Was sollte Investoren daher in diesen Zeiten locken, bei nicht wettbewerbsfähigen Standort(förder)bedingungen nach Deutschland zu kommen, um in Studios zu investieren und dort Filme und Serien zu drehen?"

Ganz so weit ist man bei der Bavaria ohnehin noch nicht. Dass der "Münchner Merkur" am vergangenen Wochenende bereits Netflix als neuen Gesellschafter ins Gespräch brachte, war jedenfalls arg verfrüht. Die ursprüngliche Zeitungsüberschrift "Filmreifer Deal: Netflix steigt bei Bavaria ein" wurde online nach wenigen Stunden zu "Bavaria treibt Privatisierung voran" geändert. Auf DWDL.de-Nachfrage verneint Christian Franckenstein, dass bereits konkrete Bemühungen um neue Investoren laufen. Zum jetzigen Zeitpunkt stehe die "substanziell-inhaltliche Vorbereitung" im Vordergrund. Angesichts der Größe des Projekts plane man für die Umsetzung mit einem Zeitraum zwischen 18 und 24 Monaten. "Wichtig für uns ist die Geschlossenheit aller Gesellschafter hinter den Projektzielen." Wer die oftmals widerstreitenden Interessen kennt, hat eine Ahnung davon, wie viel diplomatisches Geschick Franckenstein und Reuter schon an den Tag gelegt haben und wie viel davon noch gebraucht wird.