Er lief ihn schon selber mit - den New York City Marathon. In diesem Jahr hat sich RTL-Anchorman Peter Kloeppel allerdings eine längere Distanz ausgesucht. Mindestens fünfeinhalb Stunden lang wird er in der Wahlnacht zusammen mit dem n-tv-Kollegen Christoph Teuner die US-Wahl live aus New York City begleiten. DWDL.de-Chefredakteur Thomas Lückerath traf Peter Kloeppel am Sonntag kurz nach dessen Ankunft in New York. Die Hotelbar des Hudson Hotel füllte sich an diesem Nachmittag nur langsam - mit vereinzelten, völlig erschöpften Läufern des diesjährigen Marathons. Mancher davon trug stolz einen Obama-Button, so wie es in New York City erstaunlich viele Menschen an diesen letzten Tagen vor der Präsidentschaftswahl tun.
Ist der Wahlkampf hier wirklich mehr Schein als Sein? Wird er zum Personenkult? Peter Kloeppel winkt ab. "Wir Deutschen sind da sehr schnell mit dem Urteilen. Als wenn es den Amerikanern nur darum gehen würde, wer gut aussieht oder charmanter ist. Aber so einfach ist das nicht. Wie intensiv die Bevölkerung im Vorfeld der Wahlen die Personen und Positionen diskutieren - davon könnten wir uns manchmal eine Scheibe abschneiden", wünscht sich der RTL-Anchorman. "Auch wenn es hier manchmal radikale Ideen in die eine oder andere Richtung gibt: Man diskutiert hier offener, öfter mit heruntergelassenem Visier. In Deutschland wiederum redet man viel weniger engagiert über Wahlen. Niemand traut sich mal zu fragen, was der Nachbar wählt. Und hier stellt man ein Obama- oder McCain-Plakat in den Vorgarten. Da ist der Umgang mit Politik deutlich unverkrampfter."
Zögernd kommt dann allerdings die Antwort auf die Frage, ob er sich einen amerikanisierten Wahlkampf in Deutschland wünschen würde. "Ja und nein", grübelt Kloeppel. Er würde sich so manches Mal eine etwas polarisierendere Form der Politikdarstellung wünschen. Auf der anderen Seite "kann ich auf solche Krönungsmessen wie wir sie hier erleben, gut verzichten." Politik in Deutschland sei auch nicht unpopulär, wobei er den Mangel an politischer Distanz zwischen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier im kommenden Wahlkampf durchaus als eine Herausforderung auch für die Medien sieht. Es ließen sich weniger klare Unterschiede herausstellen.
Doch zurück zur Präsidentschaftswahl. Kommt man aus Deutschland in die USA, dann wird einem sehr plötzlich die falsche Euphorie der Deutschen bei dieser US-Wahl bewusst. "Unsere Erwartungshaltung an diese Wahl scheint mir fast größer zu sein als die vieler Amerikaner, wie ich auch in den Gesprächen herausgehört habe, die ich in den vergangenen Wochen hier in den USA geführt habe", erzählt Kloeppel. "Hier ist die Stimmung deutlich abwartender als in Deutschland." Auch die bei uns weit verbreitete Ansicht, dass es gar keine Frage sei, wen man wähle bzw. wählen könnte - sie trifft hier auf einen sehr knappen Endspurt, der inzwischen sogar im traditionell demokratischen New York leise Furcht aufkommen lässt, dass manche zur Schau gestellte Euphorie zu früh gewesen sein könnte.
Gerade diese unterschiedliche Wahrnehmung der Wahl macht es für Kloeppel so wichtig, vor Ort zu sein. Dass man sich für New York City und gegen Washington als Standort entschieden hat - es liegt an der mangelnden Bedeutung der Hauptstadt an diesem Wahlabend. Es steht kein Präsident zur Wiederwahl; beide Kandidaten feiern den Wahlabend woanders. Deshalb - und auch wegen des alles überlagernden Themas "Wirtschaft und Finanzen" - lieber New York City. Die Location des Studios von RTL und n-tv: In den Räumen der Nachrichtenagentur Reuters direkt am Times Square, wo auch der US-Sender ABC eine große Outdoor-Wahlparty feiern will. In klassischer Doppelmoderation führen Kloeppel und Kollege Teuner durch den Abend. "Es ist eine interessante Herausforderung und gute Gelegenheit, die Kompetenzen beider Sender zusammenzuführen - eine solch intensive Zusammenarbeit zwischen RTL und n-tv bei einer aktuellen Geschichte hat es noch nicht gegeben", sagt RTL-Mann Kloeppel.
Neben Studiogästen, Zuschauerreaktionen und Umfragen unten am Times Square "haben wir natürlich unsere Leute bei den Demokraten, bei den Republikanern, jemanden in Washington und auch in Miami." Falls da mal wieder doppelt ausgezählt werden muss? "Who knows", antwortet Kloeppel und grinst amüsiert. "Die Sendung ist bis 6 Uhr geplant, aber wir müssen sehen, wieviel bis dahin schon passiert ist. Wenn der Gewinner dann noch nicht feststeht, werden wir weitersenden", erklärt der RTL-Anchorman. Über die Zuschauerzahlen des nächtlichen Live-Marathons lässt sich im Vorfeld nur spekulieren. Mit mindestens mehreren hunderttausend rechnet der RTL-Anchorman allerdings schon. "Es ist ein Wahlkampf gewesen, der viele Menschen in Deutschland interessiert hat. Und es wird eine Wahlnacht, die durch das Wahlsystem hier ihre eigene Dramaturgie hat", so Kloeppel.
Naheliegend ist die Frage, wieso RTL bei diesen US-Wahlen deutlich ausführlicher berichtet als bei unseren Bundestagswahlen. Kloeppel verteidigt die Entscheidung: "Bei ARD und ZDF ist es doch nicht anders. Da kommt auch an den meisten Wahlabenden pünktlich die "Lindenstrasse" und der "Tatort". Soviel steht vor jeder Wahl bereits fest." Maßgeblich für die kürzere Wahlberichterstattung in Deutschland sei aber vor allem die Tatsache, dass um 18 Uhr meist schon das Ergebnis vorhergesagt werden kann. Mit Ausnahme der letzten beiden Wahlen, wie Kloeppel amüsiert ergänzt und Schröders legendären Auftritt in der Elefantenrunde imitiert. Politik macht Kloeppel größten Spaß. Und die jetzige US-Wahl erst recht.
"Es ist viel Leidenschaft dabei, weil es nach langer Zeit mal wieder eine US-Wahl ist, bei der ich die Kandidatenauswahl höchst spannend finde. Hier werden viele Weichen gestellt. Vor Ort dabei zu sein in so einer Nacht, ist großartig", sagt der RTL-Anchorman, der auch "RTL Aktuell" am Mittwoch weitgehend monothematisch zur US-Wahl live aus New York präsentieren wird. Ein darüber hinaus gehendes Special zur US-Wahl ist am Mittwoch allerdings nicht geplant. Von der eigenen Arbeit zum Konsum von Nachrichten.
Wenn es um die US-Nachrichtensender geht, hat Kloeppel klare Prioritäten: "Ich bin kein Fan von Fox News". Kann man den offensichtlich republikaner-freundlichen Sender überhaupt als Nachrichtensender durchgehen lassen? Ist Fox News überhaupt ein Nachrichtensender? "Nach eigener Definition ja, aber man sollte sich da schon fragen, wie man Nachrichten definiert. Objektivität kennt Fox News jedenfalls nicht. Und auch die Art, wie mit dem politischen Gegner umgegangen wird, gefällt mir nicht."
Dass Kloeppel auf der anderen Seite nette Worte für n-tv-Kooperationspartner CNN findet, hat allerdings weniger mit entfernter Loyalität zu tun. Er teilt die weit verbreitete Auffassung, dass 2008 ein wahres Comeback-Jahr für Ted Turners Nachrichtensender war. Nicht zuletzt durch die schon bei den Vorwahlen legendäre Berichterstattung mit neuer Technik. Oft genug konnte man in den vergangenen Monaten bereits etwas darüber lesen. "Die Wahl wird hier in den USA auch ein Wettstreit zwischen den Nachrichtensendern CNN und Fox News", glaubt Kloeppel - und nicht nur er.