Viel bedeutet Viel
Nicht erst seit der Reich-Ranicki-Kritik wissen wir, dass Fernsehen sehr viel Blödsinn verzapft. Das war schon immer so, und so, wie die Menge an Angeboten gestiegen ist, ist auch die Menge an Minderqualität gestiegen. Doch so einfach sollte man es sich auch nicht machen. Gleichzeitig ist die Menge an Allerbestem eben so gewachsen. Mit arte, 3 Sat, Phoenix und unzähligen Angeboten im digitalen Bereich feuern zum Beispiel die öffentlich rechtlichen aus allen Qualitäts-Rohren. Reportagen, Dokumentationen, teils mit ungeheurem Aufwand gefertigt, befriedigen jeden Wunsch im deutschen Fernsehen.
Wer hier noch motzt, tut das aus Interesse oder ist eben dem Fernsehen abholt und sollte es dann auch nicht konsumieren und kommentieren. Es stimmt eben auch, dass in den letzten Jahren das duale Fernsehsystem aus den Fugen geraten ist. Während die privaten Anbieter sich einen immer kleiner werdenden, trotz allem selbst zu erwirtschaftenden Werbekuchen teilen, scheint es bei gebührenfinanzierten Ausstattung der öffentlich rechtlichen Programme keinerlei Grenzen zu geben. Und das, obwohl sich in der Breite nur noch ältere Menschen diesem System zugeneigt fühlen.
Es ist nicht jedem bekannt, dass bei den unter 50 Jahren alten Menschen in der Bundesrepublik zum Beispiel das ZDF, das mehr als 2 Milliarden Euro pro Jahr als Budget ausweißt , weniger Zuschauer hat als Kabel 1, ein Sender, der mit weniger als 10 % dieser Summe Programm machen muss. Arte und 3 sat verfügen über das 30fache des Budgets von Tele 5, obwohl die Einschaltquoten gleich sind. Bei solchen Rahmenbedingungen sollten sich die Privatsender eigentlich keiner Kritik mehr stellen.
Wichtiger wirtschaftlicher Faktor
Der berühmte Satz, der Henry Ford zugeschrieben wird, nachdem er wisse, dass er 50 % seiner Werbegelder umsonst ausgäbe, nur nicht, welche 50 % das seien, hat heute kaum mehr Bedeutung. Kein Medium ist forschungstechnisch derart transparent wie das Fernsehen und kein klassisches Medium hat eine nachweisbar bessere Wirkung. Natürlich sind Werbebotschaften in redaktionellen Umfeldern unbeliebt. Das ist gängiges Klischee.
Aber jeder, der mal Heidi Klums Sendung auf Pro Sieben gesehen hat, sieht dort auch Werbung, die durchaus unterhaltend ist und ganz sicher in die Lebenswelt des angesprochenen Publikums passt und deswegen sehr wohl bei den Zuschauern akzeptiert ist. Gerade die Konsumartikel, die schnellen Absatz in den Regalen der Supermärkte benötigen, können auf Fernsehwerbung und damit frei empfangbares Fernsehen in den nächsten Jahrzehnten nicht verzichten. Wie anders soll gleichmäßig, millionenfach und einheitlich möglichst schnell eine Botschaft an die „Zielgruppen“ versendet werden.
Ob Joghurt, Taschentücher, Süßigkeiten, Damenbinden oder Flüssigwaschmittel, die meisten der im Fernsehen beworbenen Waren und Dienstleistungen werden ihre Absatzziele ohne dieses Medium nicht erreichen, da Werbung im Internet für die angesprochenen Artikel in den nächsten Jahren keinen nennenswerten Absatz bringen wird. Fernsehen, privates im Besonderen, hat also auch wirtschaftlich eine enorm hohe Bedeutung, denn Unternehmen, die für Ihre Neuigkeiten nicht mehr werben können, werden auch nicht erfolgreich sein.
Die Zukunft ist bunt
Lassen wir uns nicht ins Boxhorn jagen: Deutschland geht es gut! Viele Diskussionen sind Luxus und gemessen an dem, was in der Welt um uns herum passiert, manchmal arg lächerlich. Dazu gehört ganz sicher die Diskussion, ob Fernsehen gut oder schlecht ist. Es ist vor allem da. Es ist demokratisch und interaktiv. Es bietet unglaublich viel Auswahl und gibt die Gelegenheit sich zu informieren, unterhalten zu lassen, aufzuregen oder zu entspannen. Und oft ist es auch furchtbar.
Ja, es gibt viel zu viele Fernsehsender. So wie es viel zu Viele Tageszeitungen und Illustrierte, Radiosender und Internetangebote, Autos, Joghurts, Biersorten, Jeansmarken, Clubs und Buchveröffentlichungen über das Befinden der jungen Frau gibt. Und es ist gut, dass das so ist.
Fernsehen in der bekannten Form wird in den nächsten Jahren vor allem ergänzt. Durch zusätzliche Angebote, die über neue Techniken zuhause im Wohnzimmer genutzt werden oder oft auch nur vorhanden sind. Sehr, sehr viele Verbraucher werden aber auch schlicht dies alles gar nicht haben wollen. Denn das Verhalten und die Wünsche der Menschen ist für die Entwicklung der Technik der Zukunft wichtig, nicht die Technik mit Ihren Möglichkeiten.
Denn trotz allem, was passieren kann, gilt hier ein wichtiger Satz: Es gibt Dinge, die bleiben für immer! Fernsehen!
Der Artikel erschien erstmals im Magazin "High Potential", Ausgabe April/Mai 2009. Ausnahmsweise hat der Verfasser aus Selbsterforschungsgründen auf die im Fernsehen so gängige Verwendung von Anglizismen verzichtet