Erwachsen auf Probe"‘Erwachsen auf Probe‘ ist kein Spiel - es ist eine soziale Reifeprüfung", so verkündet es eine Stimme zu Beginn des umstrittenen RTL-Doku-Formats. Das gilt offenbar nicht nur für die Teilnehmer der Sendung. Bereits im Vorfeld der Ausstrahlung der siebenteiligen Doku-Soap, die RTL ab dem 3. Juni ins Programm nimmt, ist eine heftige Diskussion um das Format entbrannt.  In der Sendung sollen Jugendliche beweisen, dass sie als Eltern geeignet sind, indem sie Kinder - vom Baby bis zum Heranwachsenden - versorgen.
 
Dafür werden ihnen auch wenige Monate alte Kinder überlassen. Von "Babyhandel" war die Rede, einer neuen "Form der Prostitution" und einer "Baby-Quäl-Show". In zahlreichen Mitteilungen von Verbänden und Zeitungs-Kommentaren wurde bereits ein Verzicht auf die Ausstrahlung gefordert. Ein Arbeitskreis am Familiengericht Freising hat in dieser Woche gar Strafanzeige gegen die an der Sendung Beteiligten erstattet. Gesehen hatte das Format abgesehen von den Machern bis dahin noch niemand.


 
Zu einer Diskussion, die offen geführt werden solle, hatte RTL daher Kritiker und Journalisten am Freitag-Nachmittag  in seinen  konspirativ anmutenden fensterlosen Screening-Raum in Köln eingeladen, um sich die Sendung anzuschauen und im Anschluss mit den Machern darüber zu diskutieren. Und vermutlich da begann das Missverständnis. Denn während man beim Sender mit ‚offen‘ wohl eher eine sachliche und dennoch wenig zimperliche Diskussion erwartete, verstand so mancher Kritiker den Begriff ‚offen‘ wohl anders und zeigte sich enttäuscht, als RTL-Generalsekretär Thomas Kreye bereits zur Begrüßung der äußerst gut besuchten Veranstaltung feststellte: "Wir stehen ausdrücklich hinter dem Format". Ein Verzicht auf die Ausstrahlung kommt für den Sender derzeit nicht in Frage.

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"Jugendschwangerschaften in Deutschland sind ein Thema", erklärte RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger. Immer wieder führt er die  redaktionellen Erwägungen vor Augen, die den Sender dazu bewogen haben, die Reihe produzieren zu lassen, da das Thema von Gesellschaftlicher Relevanz sei. Die Kritiker erkennen die gute Absicht an, auch wenn man im Verlauf der Diskussion mit den zu Grunde liegenden statistischen Zahlen nicht einverstanden ist . Doch darum geht es ihnen an diesem Freitag-Nachmittag, wie auch schon die Wochen zuvor, gar nicht in erster Linie. Die Kritik stößt sich zunächst nicht an der Absicht der Sendung, sondern an den Umständen ihrer Produktion: Kleinkinder werden für die Dreharbeiten in fremde Hände gegeben und so unter Stress gesetzt, lautet die Kritik.

Zu sehen bekommt die Runde schließlich einen rund 16-minütigen Zusammenschnitt der ersten Folge, um die Protagonisten kennnenzulernen und das Setting zu begreifen. Folge zwei - in der die Babys zu sehen sind - wird in voller Länge gezeigt. Zu sehen gab es überforderte Jugendliche, meist schreiende bis quengelnde Kinder und die für Doku-Formate mit dem Label Unterhaltung typische Unbeholfenheit der Protagonisten in einer für sie unbekannten Situation. Die Zuschauerschaft verfolgte das Geschehen auf der Leinwand zuweilen heiter, oftmals kopfschüttelnd bis empört. Es gibt Kinder zu sehen, die beinahe vom Wickeltisch fallen, ihr Frühstück ob des Unvermögens des Leihvaters erst am Mittag bekommen und eine Baby-Puppe, mit der zuvor geübt wird und die in der Nacht zu Tode kommt, weil einer der jungen Väter im Schlaf auf auf sie rollte.

RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger verantwortet Bereits vor der Vorführung der Sendung hat Tom Sänger  (Bild) versucht, so manchen Kritikpunkt, der durch die Presse geistert, gerade zu rücken. So seien die die Kinder nicht von ihren Eltern getrennt worden, sondern die Eltern seien stets in unmittelbarer Nähe gewesen. Insgesamt habe man lediglich drei Tage miteinander verbracht, an denen stundenweise gedreht worden sei.

Am Monitor hätten die Eltern das Geschehen stets verfolgt. Zuvor habe man sich ausgiebig kennenlernen können und Fachpersonal in Form von Erzieherinnen sei vor Ort gewesen. Die Aufwandsentschädigung für die Eltern habe im "niedrigen dreistelligen Bereich" gelegen, wird erklärt. Das Format könne "die Probleme, Sorgen und Nöte von Gleichaltrigen zeigen - in einer Form die Jugendliche anspricht und die sie verstehen", argumentiert Sänger.

Laut Basti, einem Teeanger, der an der Sendung teilgenommen hat, könnte das auch funktionieren. "Neunzig Prozent der Teenager, die sich die Sendung anschauen, denken 'Boah, krass'", lautet sein Urteil. Als "zynisch und menschenverachtend" bezeichnete hingegen Robert Wegner vom Bundesverband der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst die soeben gesehene Sendung. Für ihn stellt das Format das Vorführen junger Menschen in einer Not dar, die diese nicht selbst geschaffen hätten. "Da geht die falsche Botschaft raus", sagte er, denn in der Realität stünden keine Nannys bereit.
 
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