Thomas Wagner© SevenOne Media
Zwar war man in der Wirtschaft bereits früh interessiert an den Werbezeiten, doch allzu tief wollte man dafür nicht in die Tasche greifen. "Wir mussten uns gegen die große Nachfrage nach bargeldlosen Gegengeschäften, sogenannten Barter-Deals, durchsetzen", erklärt Wilwerding die IP-Strategie der ersten Jahre in Deutschland. "Wir konnten den Sender überzeugen, dass man bei so etwas schnell seine Programmhoheit abgibt", sagt er. Auch auf Festpreis-Deals, die länger als ein Jahr liefen, hat man sich trotz aller Verlockungen laut Wilwerding nicht eingelassen. Durch die Standhaftigkeit habe man schließlich am Programm festhalten und bei steigender Reichweite schnell die Preise anheben können.

"Eine Preispolitik wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst:", erklärt SevenOne-Chef Wagner (Bild). Dazu zählen für ihn unter anderem Angebot, Nachfrage, Konjunktur, Wettbewerb und Leistung. "Daher war eine wettbewerbsfähige Preispolitik von Anfang an ein Thema", sagt er. In Sachen Gegengeschäft fuhr man bei Sat.1 allerdings eine andere Strategie als bei den Kollegen aus Luxemburg: "Eine große Herausforderung der privaten Fernsehsender lag in den Anfangsjahren darin, genügend Programme zu bekommen, um damit 24 Stunden zu füllen. Entsprechend wurde zu Beginn des Privatfernsehens auch Programm gegen Werbung getauscht", so Wagner. Langlaufende Festpreis-Deals waren laut Wagner allerdings auch bei Sat.1 kaum Thema: "Neunundneunzig Prozent aller Verträge wurden jedes Jahr neu verhandelt".

Ein weiteres Problem, mit dem die Vermarkter, die nun im großen Stil Werbung verkaufen wollten, zu kämpfen hatten: Die Wirkung der Fernsehwerbung war intuitiv einleuchtend, aber nicht wirklich belegbar. "Es gab in den Anfangsjahren keine Nachweise über Zuschauerzahlen, kein Research – es gab…nichts", sagt Heidi Wagner. Auch an eine Presseabteilung war nicht zu denken. "Informationen mussten wir uns zusammensuchen. Interessante Artikel aus Zeitungen haben wir einfach rausgerissen". Erst seit 1988 sind RTL und Sat.1 Teil der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF), in deren Auftrag seit 1963 Einschaltquoten und Fernsehreichweiten erhoben werden.

Der Durchbruch für das Privatfernsehen kam um 1989. Mit dem Mauerfall und der Wiedervereinigung erweiterte sich die Zielgruppe massiv. Der Ausbau von Kabelnetzen und die Verbreitung von Satellitenschüsseln ging deutlich schneller voran als im Westen. "Wir konnten nach dem Mauerfall dire Preise direkt um 30 Prozent erhöhen und die Rabatte verringern", sagt Wilwerding. Bei Sat.1 hingegen hatte das historische Ereignis keinen Einfluss auf die Preise. " Vielmehr haben die Sender, die in den neuen Bundesländern zu empfangen waren, versucht, die TKPs auch auf den Osten Deutschlands zu übertragen", erklärt Thomas Wagner.

Bei RTL konnte man mit Procter & Gamble zudem Anfang der Neunziger den ersten großen US-Konzern als Werbekunden begrüßen – ein Deal, der Sogwirkung auch für deutsche Unternehmen hatte, erklärt Wilwerding. Auch bei Sat.1 war das US-Unternehmen einer der ersten größeren Werbekunden. Erstmals konnte man Anfang der neunziger Jahre Werbegelder von den Öffentlich-Rechtlichen zu den Privaten verlagern.

"In den Jahren 1991 und 1992 konnten wir zum ersten Mal beweisen, dass wir Privaten bei den 14 bis 49-Jährigen einen deutlichen Vorsprung auf ARD und ZDF haben", erinnert sich Jean-Pierre Wilwerding. Jene fast schon magisch anmutetende Zielgruppe, deren Erfindung sich RTL-Gründervater Helmut Thoma gern selbst zuschreibt. Wilwerding erinnert sich anders: "Es waren die für uns sehr wichtigen US-Konzerne, die dieses Thema Immer ansprachen und die in den USA etablierte Zielgruppe auch für Deutschland forderten".

Sat.1 in den 80er Jahren© Sat.1
Auch bei Sat.1 ging die Entwicklung voran. Man machte sich früh daran, erste Sonderwerbeformen zu entwickeln. Die erste: Ein Pseudo-Livespot für einen Finanzdienstleister. Bis zum heutigen Vermarkter SevenOne Media ist es allerdings noch ein langer Weg. Zunächst wird der Bereich Sales & Service im Jahr 1999 als eigenständiges Unternehmen unter dem Namen Media 1 aus dem Sender ausgegründet. Mit dem Zusammenschluss von Sat.1 und der ProSieben Media AG zur heutigen ProSiebenSat.1 Media AG im Herbst 2000 wurde auch die Vermarktung der Sender Sat.1, Pro Sieben, Kabel eins und N24 zusammengelegt. Leo Kirchs Mediagruppe München (MGM) und Media 1 werden zur SevenOne Media in Unterföhring

Bei IP Deutschland steht der Wandel in der Gesellschafterstruktur im Jahr 1998 an. Die IP Deutschland geht von der Havas über die RTL-Mutter CLT-Ufa an RTL Television. Mit dem Gesellschafterwechsel verändert IP Deutschland sein Portfolio, das bis dahin auch Zeitschriftentitel wie "Bravo" und "Playboy" umfasste. Im Zuge der Veränderungen wird auch der Chefsessel neu besetzt. Auf Jean-Pierre Wilwerding folgt Walter Neuhauser.

Spricht man mit den Machern, die das Fernsehen zu einem Werbeträger mit Milliardenumsätzen machten (2009: 3,64 Milliarden Euro netto), so sind das Leuchten in den Augen und die Euphorie nicht zu verkennen. "Es war eine Aufbruchstimmung und die Kunden wollten dabei sein", erklärt Wilwerding die Zeiten. In den ersten Jahren war noch nichts zu merken von den später immer zäher werdenden Verhandlungen um die Rabatte. Entsprechende Listen seien "wie in Stein gehauen" gewesen, erinnert sich Wilwerding. Schwierig wurde es ihm zufolge erst ab dem Jahr 1995, als allmählich unter den Sendern ein Verdrängungswettbewerb einsetzte.

Heidi Wagner, Sat.1-Verkäuferin der ersten Stunde, kann der neuen Zeit allerdings auch angenehme Aspekte abgewinnen. Professionalität, Vielfalt und damit auch Attraktivität des Vermarktungsjobs haben sich ihr zufolge zum Guten verändert. "Der Job wird immer interessanter, weil sich technisch so viel entwickelt. Die Produkte werden auch immer vielfältiger, beispielsweise durch das Ganze Thema der 360-Grad-Kampagnen", sagt sie. Einen Wunsch allerdings hat sie: "Es sollte in der Branche wieder mehr 'menscheln'. Es geht oft nur noch nach den Zahlen. Das ist sehr schade. Wahrscheinlich ist das ein Zeichen der Zeit". Allerdings spürt sie derzeit, wie die Hektik der jüngsten Krise zu verfliegen scheint, und nach und nach wieder der Mensch hinter den Zahlen sichtbar wird.

Lesen Sie am Donnerstag im dritten Teil der Reihe: Einmal Telemesse, United Screening Day und zurück. Die Entwicklung der Vermarkterveranstaltungen.