Die Entwicklung von "Big Brother" in Deutschland zeigt das deutlich: Der Mangel an Formatpfege hat die Realityshow, die einst Spitzenquoten erzielte, entzaubert. Nicht nur, dass das Format von Jahr zu Jahr verändert wurde. Selbst innerhalb der Staffeln wurde zu oft zu hektisch agiert. Immer in der Hoffnung die Quote optimieren zu können, wurden Spielregeln gebrochen oder neue eingeführt, die dann schon wenig später wieder abgeschafft wurden, weil sie nicht wirklich durchdacht waren.
Mit dieser Unzuverlässigkeit verärgerte man immer wieder - und in dieser Staffel besonders - die Stamm-Zuschauerschaft des Formats. Wie kaum eine andere Sendung wird "Big Brother" im Internet von einer zwar immer kleineren, aber erstaunlich eingeschworenen Fangemeinde verfolgt. Doch selbst dieser harte Kern der unbeirrbaren Fans verliert inzwischen das Interesse. Kurioserweise würde es aber jetzt nicht einmal mehr helfen, auf diese letzten Fans zu hören. Denn genau das hat das Format in die Sackgasse geführt, in der es steckt.
Über Jahre hinweg galt die Devise: Wenn wir schon keine neuen Zuschauer gewinnen können, dürfen wir wenigstens die alten nicht verlieren. Damit wurde "Big Brother" aber dann nach falschen Maßstäben gemacht. Denn diese Taktik kann auf Dauer nicht gut gehen. Es ging gar nicht mehr darum, wieviele Zuschauer man hinzu gewinnen kann. Sondern nur noch darum, wie man möglichst wenige verliert - Schadensbegrenzung also. In anderen Ländern hat sich "Big Brother" besser gehalten, weil man nicht der Versuchung zu vieler Spielereien erlegen ist.
Das wird Produzent Endemol mehr ärgern als RTL II. Dort ist Speedy Gonzales alias Holger Andersen in fast schon legendärem Tempo dabei, alles zu testen, was man an Programm so testen kann. Auch für den Vorabend. Nach vielen Jahren in denen RTL II immer aufs Neue davon überrascht schien, dass man nach dem Ende einer "Big Brother"-Staffel plötzlich eine Lücke im Programm zu füllen habe, ist das schon ein Schritt in die richtige Richtung. Mit anderen Worten: Man ist dabei sich unabhängiger zu machen von einem lange Jahre den Sender dominierenden Format, das in diesem Sommer die Erwartungen enttäuschte - die der Zuschauer aber auch die des Senders.