Es ist ein Leuchtturm-Projekt, ohne Frage. Und doch wirft die am Dienstagabend zu Ende gehende zweite Staffel von "X Factor" bei Vox einige Fragen auf. Musikalisch betrachtet wusste die Castingshow in jedem Fall zu überzeugen - insbesondere von den RTL-Überfliegern "Das Supertalent" und "Deutschland sucht den Superstar" hebt sich "X Factor" wohltuend ab, was so manchen auch deshalb überrascht, weil alle drei Formate von derselben Produktionsfirma hergestellt werden. "Wir sind sehr zufrieden mit den 'X Factor'-Kandidaten und insbesondere mit der hervorragenden musikalischen Qualität, die wir auch in dieser Staffel wieder zeigen konnten", zieht Vox-Chefredakteur Kai Sturm gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de Bilanz.
Den Juroren Sarah Connor, Till Brönner und Das Bo attestiert Sturm, einen "sehr kompetenten Job" zu machen. In der Tat: Gerade Das Bo konnte eine neue Farbe in die Show bringen. Doch das war keineswegs die einzige Veränderung, der sich "X Factor" nach dem Erfolg der ersten Staffel unterzog. Das Studio der Live-Shows wirkt inzwischen beinahe ähnlich imposant wie jenes von "Deutschland sucht den Superstar", die Auftritte der Kandidaten wurden noch besser in Szene gesetzt. Sturm sagt, man habe die Talentshow vor allem im visuellen Bild weiterentwickelt. "Die Bühne hat sich vergrößert und somit auch der Platz für die Zuschauer im Studio."
Das Interesse des Publikums vor dem Fernseher ist hingegen nicht größer geworden - im Gegenteil: Mit bislang 10,2 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe bewegte sich "X Factor" auf deutlich geringerer Flughöhe als noch vor einem Jahr. Damals kam die Castingshow, auch durch die anfängliche Schützenhilfe von RTL, im Schnitt auf fast 13 Prozent. Von den vergangenen sieben Live-Shows der aktuellen Staffeln erzielten nur drei einen zweistelligen Marktanteil. Selbst eine Woche vor dem Finale blieb "X Factor" bei 9,9 Prozent hängen. "Für Vox ist es ein Erfolg, aber von den Quoten hätten wir uns etwas mehr erwartet", gibt Chefredakteur Sturm gegenüber DWDL.de offen zu.
Dass "X Factor" zuletzt unter den Werten des vergangenen Jahres blieb, kann jedoch nicht auf ein rückläufiges Interesse der Zuschauer an Castingshows geschoben werden - und schon gar nicht auf ein rückläufiges Interesse an Castingshows, die ihre Teilnehmer ernst nehmen. ProSieben und Sat.1 stellen bei "The Voice of Germany" mit Marktanteilen von bis zu 28 Prozent in der umworbenen Zielgruppe jedenfalls eindrucksvoll unter Beweis, dass sich musikalischer Anspruch und hohe Quoten nicht ausschließen müssen. Bei Vox beobachtet man diese Entwicklung aufmerksam. "Der Erfolg von 'The Voice' bekräftigt unseren Weg", sagt Kai Sturm, "denn 'X Factor' hat den Wert von hoher Qualität zuerst beschritten, unsere Stimmen und unsere Juroren sind extrem gut und kompetent."
Alles andere als eine Fortsetzung von "X Factor" käme daher einer Überraschung gleich, zumal die Castingshow abseits der US-Krimiserien ein echtes Leuchtturm-Projekt für den Sender ist - auch wenn man insbesondere mit Blick auf fehlende Schlagzeilen im kommenden Jahr einen Gang zulegen müsste. "Im großen Show-Finale werden wir verraten, wie unsere weiteren Planungen aussehen", so Chefredakteur Sturm. Mit "Das perfekte Model" steht jedenfalls bereits die nächste Castingshow von Vox in den Startlöchern. Damit möchte der Sender im nächsten Jahr keiner Geringeren als Heidi Klum Paroli bieten. Ob das gelingen kann, bleibt freilich abzuwarten. Doch diese Sorge muss zumindest noch eine Nacht lang beiseite geschoben werden, nun steht zunächst einmal das "X Factor"-Finale auf dem Programm.