Seit mehr als zehn Jahren urteilt Dieter Bohlen mit wechselnden Jury-Kollegen nun schon über Gesangstalente. In der aktuell laufenden Jubiläumsstaffel fungieren die Tokio-Hotel-Zwillinge als Beisitzer des Pop-Titans - den erhofften Aufschwung brachten sie aber nicht mit. Im Gegenteil: Zuletzt tat sich "Deutschland sucht den Superstar" so schwer wie seit Beginn der ersten Staffel nicht mehr. Zuvor hatte schon Thomas Gottschalk nicht geschafft, der "Supertalent"-Suche neuen Schwung zu verleihen. Und so ist es nur die logische Konsequenz, dass sich RTL im Show-Bereich langsam, aber sicher wieder aus der Deckung traut.

"Wenn Sie ganze Showreihen mit durchschnittlichen Marktanteilen weit jenseits der 30 Prozent im Programm haben, ist der Bedarf an Neustarts tendenziell eher gering", sagt RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de. "Es gibt keinen Grund, bekannte, wenn auch weiterentwickelte Formate, mit denen wir ganz offensichtlich den Nerv der Zuschauer treffen, gegen komplett Neues zu tauschen." Tatsächlich lieferten "DSDS" und "Das Supertalent" dem Sender über Jahre hinweg Woche für Woche Traum-Quoten. "Allerdings", weiß Sänger, "kommen auch diese Formate mal in die Jahre, so wie jetzt." Zwar sei "DSDS" mit knapp 23 Prozent "noch immer top", dennoch wolle man verstärkt Neues ausprobieren.

Nachdem sich der Sender in den Wochen um den Jahreswechsel bereits an einer wenig erfolgreichen Neuauflage der "Traumhochzeit" und - mit ungleich größerem Erfolg - an "Alle auf den Kleinen" mit Oliver Pocher versuchte, werden nun gleich drei neue Show-Formate binnen kürzester Zeit getestet. Nach "Shooting Stars" mit Kate Abdo und Bürger Lars Dietrich folgen noch "Cash Crash" mit Allzweckwaffe Daniel Hartwich sowie das von Sonja Zietlow und Marco Schreyl präsentierte "Unschlagbar". "Bei den aktuellen Neustarts sehen wir großes Potenzial und denken, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, sie geballt auszustrahlen, um auch eine schnelle Entscheidung über eine Fortführung treffen zu können", so Tom Sänger zu DWDL.de.

Einzel-Events statt Show-Reihen. Eine erstaunliche Entwicklung im Programm des schwächelnden Marktführers. Doch Sänger betont, dass die nun geplanten Shows durchaus darauf angelegt seien, bei guten Quoten zumindest zu einer kleinen Reihe zu werden. Ein Erfolgsrezept gibt es jedoch nicht. "Erfolgreiche, langlaufende Showreihen sind sicher die Königsklasse des Genres, da sie Woche für Woche eine Magnet für die Zuschauer sein müssen und nicht nur ein paar Mal im Jahr. Umso schwieriger ist es, sie zu entwickeln", erklärt Sänger. "Vor genau dieser Aufgabe stehen derzeit alle großen Sender und Showproduzenten weltweit. 'DSDS' und 'Das Supertalent' sind da nicht nur bei RTL, sondern auch am Gesamtmarkt fast alleinstehend, was Laufzeit und Perfomance betrifft."

Erschwert wird die Situation auch durch die Tatsache, dass neue Hits auf dem internationalen Markt weiter auf sich warten lassen. Gezwungenermaßen ist die Kreativität der deutschen Fernsehmacher in diesen Zeiten wichtiger denn je. Sie müssen quasi aus der Not eine Tugend machen. Deshalb ist es auch keine Überraschung, dass es sich sowohl bei "Cash Crash" als auch bei "Unschlagbar" um Eigenentwicklungen handelt. "Darüber freuen wir uns ganz besonders", sagt der RTL-Unterhaltungschef. "Wir glauben, dass es auch in Deutschland viel Kreativität gibt und dass der Blick ins Ausland nicht immer notwendig ist. Im Gegenteil, ich kann mir vorstellen, dass 'Cash Crash' und 'Unschlagbar' auch international interessant sein können." Da passt es gut ins Bild, dass der US-Sender FOX schon an diesem Wochenende in den Kölner Studios einen Piloten für die Adaption von "Cash Crash" aufzeichnet.

RTL will im Show-Bereich aber verständlicherweise auch weiterhin über den Tellerrand hinausschnauen. Tom Sänger: "Wir fahren aber zweigleisig: Sich hinzustellen und zu warten, dass ein anderer irgendwo auf der Welt die richtige Idee hat ist vielleicht einfach, aber zu wenig. Deshalb entwickeln wir zusammen mit den Produzenten selbst. Gleichzeitig haben wir sehr genau im Blick, was weltweit passiert." Mit Blick auf die neuen Show-Formate wird man bei RTL bereits in wenigen Wochen schlauer sein. Die Zeiten, in denen der Erfolg des Senders im Unterhaltungs-Bereich fast ausschließlich auf den Schultern der Bohlen-Castings lastete, sind jedenfalls vorbei.