Dabei ist auch Marktführer RTL von der eigenen Neudefinition betroffen: Mit einem Marktanteil von 15,5 Prozent liegt man aber auch in der neuen Referenzzielgruppe noch klar in Führung - so gesehen kann man die Umstellung in Köln auch recht entspannt angehen. Profitieren würden vor allem die Öffentlich-Rechtlichen, die mit ihren Programmen bei jüngeren Zuschauern immer häufiger nur noch eine Nebenrolle spielen. So würde Das Erste bei einer Umstellung auf die 14- bis 59-Jährigen im direkten Vergleich zu 14-49 um 1,6 Prozentpunkte auf 8,2 Prozent zulegen, das ZDF käme sogar auf einen Marktanteil von 9,1 Prozent - eine Verbesserung um 2,4 Prozentpunkte. Beim ZDF-Werbefernsehen will man seiner Linie dennoch treu bleiben. Schon seit geraumer Zeit setze man nicht mehr auf altersdeterminierte Zielgruppen, betonte Geschäftsführer Hans-Joachim Strauch gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de.

Marktanteile im Vergleich

  MA
14-49
MA
14-59
+/-

Das Erste
6,6 8,2
+1,6
ZDF
6,7 9,1
+2,4
RTL
16,7
15,5
-1,2
Sat.1
9,0
9,1
+0,1
ProSieben
10,6
8,3
-2,3
Vox
8,1
7,7
-0,4
RTL II
6,5
5,5
-1,0
kabel eins
5,5
5,2
-0,3

Quelle: DWDL.de-Recherche
Datenzeitraum jeweils 01.01.-28.02.2013

"Es kann einem Kunden doch nicht egal sein, ob er viele Kontakte in der sogenannten werberelevanten Zielgruppe, sei es nun 14-49 oder 14-59, erreicht, aber die eigentliche Käuferzielgruppe nicht anspricht, die dann sein Produkt kauft, egal in welchem Alter", so Strauch. Anders sehen das die Kollegen vom ARD-Vermarkter ARD-Werbung Sales & Services, wo man zuletzt bereits auf die 20- bis 59-Jährigen blickte. "Der Werbemarkt benötigt zweifellos eine Referenzzielgruppe für den Leistungsvergleich der Werbemedien", so Uwe Esser, Geschäftsleitung TV-Vermarktung bei AS&S. "Dass die IP ihre Position nun revidiert und sich für den TV-Bereich der Realit ät annähern möchte, ist das sicher ein begrüßenswerter Schritt. Wenn man eine Alterszielgruppe als Vergleichsgröße präferiert, empfiehlt sich auch hier eine Orientierung am tatsächlichen Konsumverhalten der Bevölkerung."

Dies werde wesentlich vom Beginn der Berufstätigkeit und dessen Ende bestimmt. Esser: "Eine sich daran orientierende Alterszielgruppe ist im Fernsehmarkt mit 14-59 jedenfalls zutreffender definiert als mit 14-49." Einer Umstellung der Zielgruppe steht der ARD-Vermarkter daher offen gegenüber. "Wenn es marktseitig eine Verständigung gibt auf die Ausweitung einer neuen Referenzzielgruppe in der Fernsehvermarktung, werden wir uns dem nicht verschließen." Und nicht nur bei AS&S gibt man sich offen. Auch der Privatsender Tele 5, der noch im vergangenen Jahr für eine Neudefinierung der Zielgruppe zugunsten von 20-59 warb, unterstützt den Vorstoß. "Wir stehen der Zielgruppe grundsätzlich positiv gegenüber, da Sie mit sechs zusätzlichen Jahrgängen einen absolut noch größeren Ausschnitt der Realität darstellt als 20-59", sagte Stefan Graf, Leiter Verkauf & Service bei Tele 5, auf DWDL.de-Anfrage.

Und er möchte am liebsten noch weiter gehen: "Theoretisch wäre sogar eine Erfassung bis 65 Jahre demografisch durchaus zu rechtfertigen", so Graf. "Entscheidend und immer drängender bei diesem Thema ist, dass ein Konsens entsteht, den der gesamte Markt akzeptiert, denn ein Referenzwert schafft Orientierung. Der Markt kann von einer einheitlichen Strategie nur profitieren. Die Agenturen selbst planen ihre Kampagnen, wie wir alle wissen, in ganz anderen Einheiten. Die Referenz-Zielgruppe dient dem Blick von oben." Im Tagesgeschäft wolle man aber in diesem Jahr "ganz sicher keinen Schwenk machen", betonte Graf, schließlich habe man die interne und externe Kommunikation sowie das Pricing für das Jahr 2013 auf 20-59 ausgerichtet. Beim RTL II-Vermarkter El Cartel Media sind hingegen erst mal keine Umstellungen geplant.

Zwar sei die demografische Entwicklung evident, doch die Referenzzielgruppe 14-49 entspreche der Positionierung des Senders "auf absehbare Zeit am besten", so El Cartel Media-Geschäftsführer Jan Kühl. "Junge Zuschauer bleiben für einen ausgeglichenen Mediaplan unabdingbar, und RTL II kann hier im Wettbewerb besondere Stärken vorweisen. Vor diesem Hintergrund planen wir keine Vermarktungsmaßnahmen, die sich dezidiert an die Zielgruppe 50+ richten. Denn mit einem Strukturanteil von rund 33 Prozent erreichen wir diese Zuschauer bereits sehr gut." Ob sich die neue Zielgruppe 14-59, wie sie IP Deutschland seit Beginn des Monats anstelle von 14-49 ausweist, tatsächlich durchsetzen wird, muss sich daher freilich erst noch zeigen. Und so bleibt es zum jetzigen Zeitpunkt fraglich, ob sich die bislang deutlich unterschiedlichen Ansichten der Sender und ihrer Vermarkter tatsächlich unter einen Hut bringen lassen. Nur eines ist sicher: Die Zielgruppen-Debatte wird die Medienbranche gewiss noch länger beschäftigen.

Doch was bedeutet das für unsere tägliche Berichterstattung? DWDL.de wird die Entwicklung in den kommenden Wochen und Monaten aufmerksam beobachten - bereits seit einigen Tagen veröffentlichen wir daher zusätzlich zu den 14- bis 49-Jährigen auch die Top 20 der 14- bis 59-Jährigen. Die einseitige Verkündung von RTL ist für uns allerdings kein Grund zum schnellen Umschwenken. Ausschlaggebend bleibt für unsere Berichterstattung daher auch weiterhin erst mal die klassische Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen, wie wir sie seit vielen Jahren kennen.