Seit Ewigkeiten wird bereits über Sinn und Zweck der "werberelevanten Zielgruppe" der 14- bis 49-Jährigen diskutiert - und nach wie vor ist sie bei den meisten Sendern sowohl Grundlage der Preisbestimmung von Werbeblöcken als auch Basis eines Leistungsvergleichs der verschiedenen Kanäle. Über zwei Jahre lang wies der RTL-Vermarkter zusätzlich zu den Zuschauerzahlen der 14- bis 49-Jährigen eine neue Referenzzielgruppe aus: Man wolle damit der demographischen Realität in Deutschland Rechnung tragen, hieß es - und blickte deshalb zusätzlich auf die 20- bis 59-Jährigen. Anfang Februar folgte dann der plötzliche Kurswechsel: 14-59 ist das neue 20-59. Wie ernst man es damit meint, wird seit einigen Tagen deutlich.

Seit dem 1. März ist die alte Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen nämlich für die Sender der RTL-Gruppe völlig gestorben. Angegeben werden ausschließlich Werte der neuen Zielgruppe, die zehn Jahre mehr umfasst als die "klassische", die man seit den 90er Jahren kannte, und sechs Jahre früher ansetzt als die seit Ende 2010 forcierte Referenzzielgruppe. Doch so intensiv man sich mit 20-59 befasste, so überstürzt wirkt die Umstellung auf die neue Zielgruppe. Allerdings war auch bisher nie so recht klar, wieso man die 14- bis 19-Jährigen eigentlich außen vor lassen wollte. Erst der Sky-Vermarkter Sky Media Networks sorgte kürzlich für den Anstoß, der IP Deutschland nun also zum neuen Kurs der 14- bis 59-Jährigen bewegte. Ein Schritt, der aus Sicht beider Vermarkter notwendig ist.

"Aufgrund des demografischen Wandels, verliert die Zielgruppe 14-49 ihre Bedeutung als Referenzgröße für den Leistungsvergleich von TV-Sendern. Aktuell gehören nur noch 44 Prozent der Bevölkerung dieser Altersgruppe an, die über 50-Jährigen werden dabei komplett ausgeklammert", so Martin Michel, Geschäftsführer von Sky Media Network. Dabei habe sich das Kaufverhalten gerade in dieser Gruppe in den letzten 20 Jahren enorm gewandelt. "Ältere Menschen sind heute konsumfreudiger und aufgeschlossener gegenüber neuen Produkten und Marken. Sie sind deshalb längst zu einer attraktiven, werberelevanten Zielgruppe geworden. Eine wirklich tragfähige Lösung für die Zukunft kann deshalb nur lauten: Wir erweitern die bisherige Referenzzielgruppe auf 14-59."

So sieht man das auch bei IP Deutschland. "Im Gegensatz zu den 14- bis 49-Jährigen bildet sie auch auf längere Sicht deutlich über 50 Prozent der Bevölkerung ab, und sie umfasst mehr als 80 Prozent der heutigen Produkt- und Mediaplanungszielgruppen", so Julian Weiss, Geschäftsleiter Marketing bei IP Deutschland, über die neue Referenzzielgruppe, gegenüber DWDL.de. "Aus unserer Sicht hat 14-59 die besten Chancen, sich als neue Referenzgröße zu etablieren." Mit Sicherheit lässt sich also sagen, dass die Zielgruppe 20-59 gestorben ist. Wenn sich der Marktführer von dieser Zielgruppe verabschiedet, wird sie sich gewiss nicht durchsetzen. Doch hat 14-59 das Zeug dazu, zur neuen Maßeinheit zu werden? Bei ProSiebenSat.1 gibt man sich skeptisch. "Es gibt nicht die eine richtige Zielgruppe - weder in der Werbe- noch in der Programmplanung", so Guido Modenbach, Geschäftsführer von SevenOne Media, dem Vermarkter von ProSiebenSat.1.

"Gerade unsere Sendergruppe spricht mit seinem Programmangebot sehr unterschiedliche Zielgruppen an. Eine Referenzzielgruppe, ganz gleich wie sie zugeschnitten ist, zeigt immer nur einen Ausschnitt der Realität." Von einer Umstellung auf 20-59 war man bei ProSiebenSat.1 bekanntlich auch deshalb nicht begeistert, weil ProSieben mit seinem sehr jungen Publikum plötzlich deutlich schlechter ausgesehen hätte als bei 14-49. Doch auch 14-59 ist für ProSiebenSat.1 derzeit kein Thema. "Wir sehen derzeit keinen Grund, einen etablierten Marktstandard aufzugeben, nur um dann ein anderes Stück des Kuchens zu betrachten. Solange der Markt sie nicht fordert, halten wir eine neue, starre Definition einer Referenzzielgruppe daher nicht für sinnvoll." Und so setzen die beiden großen Privatsendergruppen derzeit also weiterhin erst mal auf unterschiedliche Grundlagen.

Das Problem: Nach dem Ausscheren von IP Deutschland aus der bislang üblichen Zielgruppen-Definition ist eine Vergleichbarkeit kaum noch gegeben. Dass ProSieben nicht umschwenken möchte, ist aus Sicht des Senders aber verständlich, wäre er im Falle der neuen Zielgruppe, wie sie RTL ins Auge gefasst hat, doch der große Verlierer. Im Vergleich zu 14-49 fiele der Marktanteil von ProSieben bei den 14- bis 59-Jährigenin den ersten zwei Monaten des Jahres 2,3 Prozentpunkte niedriger aus - mit nur noch 8,3 Prozent läge man nur sehr knapp hinter Vox, das mit seinen Kochshows und Krimiserien ein deutlich älteres Publikum als die Konkurrenz aus Unterföhring anspricht. Dass Sat.1 im Gegenzug minimal zulegen würde, dürfte die Verantwortlichen von ProSiebenSat.1 kaum zu einem Umschwenken überreden.