"Nach den Erfahrungen der ersten Sendung haben wir uns gesagt: Wir machen das Kasperltheater nicht mehr mit und lassen uns nicht vorschreiben, wer auf Augenhöhe ist und wer nicht. Das entscheiden wir einfach selber." So klang es, als Stefan Raab im DWDL.de-Interview vor der zweiten Ausgabe seiner politischen Talkshow "Absolute Mehrheit" über die wenig prominente Gästeliste sprach. Nach dem deutlichen Einbruch der Quoten setzte Raab am Sonntag nun jedoch trotzdem lieber auf bekanntere Namen - und ließ unter anderem Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky und CDU-Politiker Jens Spahn antreten.

Doch nicht sie standen im Mittelpunkt des Interesses, sondern Rapper Sido, der mit bürgerlichem Namen Paul Würdig heißt, und sich in der ProSieben-Show mal eben für die Legalisierung weicher Drogen aussprach. "Entweder man verbietet Alkohol, Tabak und den ganzen Kram oder man ändert die Gras-Gesetze", gab er zu Protokoll. Und machte sich damit ganz offensichtlich beim Publikum so beliebt, dass er am Ende die absolute Mehrheit der Zuschaueranrufe für sich in Anspruch nehmen konnte und die Siegprämie in Höhe von 300.000 Euro mit nach Hause nehmen durfte. Die anderen Diskutanten ließ er damit alt aussehen.

"Haschisch ist nicht wie Fußnägelschneiden", gab SPD-Buschkowsky zu bedenken. Wer schon mit 14 kiffe, laufe Gefahr sich zu isolieren. Die Mehrheit der Zuschauer teilte diese Meinung aber offensichtlich nicht und rief für Sido an. Doch untergräbt dessen Sieg in gewisser Weise nicht das komplette Format? "Meinung muss sich wieder lohnen", heißt es im Untertitel von Raabs Polittalk - allerdings darf man die Frage stellen, ob sich im Falle der jüngsten Ausgabe von "Absolute Mehrheit" tatsächlich Meinung lohnte oder nicht doch einfach nur Prominenz. "Zu Sidos Sieg werden ebenso viele Faktoren beigetragen haben, wie bei jeder Wahl: Man kann spekulieren, ob Prominenz, Kompetenz oder Sympathie den Ausschlag gegeben haben", heißt es auf DWDL.de-Anfrage von Seiten des Senders.

Lieber verweist man bei ProSieben auf die gestiegenen Quoten. "Viel interessanter ist: Stefan Raab ist es mit 'Absolute Mehrheit" erneut gelungen, junge Menschen für politische Themen zu begeistern. 23,6 Prozent der jungen Zuschauer haben sich am Sonntagabend mit Politik beschäftigt." Gemeint sind die 14- bis 29-Jährigen, die sonst tatsächlich nur schwer mit politischen Themen im Fernsehen zu erreichen sind. Sido war dabei sicherlich auch kein typischer Polittalk-Gast - was per sé natürlich nicht schlecht ist. Während sich Spahn und Buschkowsky bei ihren Argumenten oft auf Floskeln beriefen und Grünen-Politiker Boris Palmer einen stillen Auftritt ablieferte, sprach der Musiker offenbar die Sprache vieler Zuschauer - wenn er denn mal sprach.

"Habt ihr denn Angst, die wählen dann die Falschen?", fragte Sido, als CDU-Mann Jens Spahn eine Senkung des Wahlalters ablehnte - so sei gewährleistet, dass die meisten die polititischen Themen "wenigstens ansatzweise" überblicken könnten. "Ich bin dafür, dass jeder wählen kann. Wenn ich mir Gedanken mache und wählen will, ist es doch egal, wie alt ich bin", sagte Sido - und punktete. Dass er sich im Laufe der Sendung zunehmend ausklinkte und kaum noch teilnahm an den Diskussionen, schien für die Zuschauer jedenfalls keine Rolle zu spielen. Als Spahn erklärte, wie er mit einem Familienwahlrecht die Interessen von Familien und Kindern stärken will, antwortete Sido auf eine Nachfrage von Raab lapidar: "Ich habe gerade nicht zugehört." Geschadet hat's ihm ganz offensichtlich nicht.