Stefan Schulz© Watchever
Anders als so viele Beobachter, teilt Stefan Schulz die Ansicht, dass Netflix noch einige Hemmungen vor einem Deutschlandstart hat. Die Zeit bis dahin will Watchever für sich nutzen. Niemand könne sagen, wie Fernsehen in fünf Jahren aussehe, aber auf jeden Fall nicht mehr wie heute, meint Schulz. Einziger Haken bei all der Ideen und Visionen für die TV-Zukunft ist hier, wie auch schon bei der hervorragenden Rede von Kevin Spacey beim Edinburgh Television Festival: Es ist die Sicht auf ein von Serien dominiertes Fernsehen. Ein solches Fernsehen wünschen sich sicher nicht wenige auch in Deutschland, aber in der Realität spielt non-fiktionales Programm in Deutschland eine viel höhere Bedeutung als etwa im US-amerikanischen Fernsehen. Eine Sondersendung zum Orkan über Deutschland, "Schlag den Raab" oder "Circus Halligalli", "Das Supertalent" oder "Sportschau" und all die Informationsangebote der Öffentlich-Rechtlichen - in diesem Wettbewerb sähen SVoD-Anbieter wie Watchever im wahrsten Sinne des Wortes alt aus, weil sie sich auf Archivware stützen. Aber diesen Wettbewerb suchen sie auch gar nicht.

Watchever macht es den "linearen Videotheken" schwer - also jenen Fernsehsendern, die bis vor kurzem noch gut damit fuhren, einfach die beliebtesten Filme der vergangenen Jahre oder Jahrzehnte anzubieten. Und natürlich all denen, die sich mit SVoD-Anbietern um die Deutschland-Premieren neuer Hit-Serien streiten werden. Stefan Schulz lacht diebisch, wenn er über den "Anger Management"-Coup spricht: Während VOX die Serie im Sommer 2012 gekauft hat, aber bis heute keine Idee hat, was man damit machen soll, feierte die Serie mit Charlie Sheen bei Watchever ihre Deutschland-Premiere. Die Kooperation von Watchever mit "Bild" sorgte für die entsprechende Aufmerksamkeit. "Geil, oder?", fragt Schulz. Man kann ihm diese sehr von sich überzeugte Haltung trotzdem einfach nicht übelnehmen, weil es ein erfrischender Optimismus ist, den er damit verbreitet. Wieder so ein Kofler-Moment.

Übrigens führt der "Anger Management"-Coup" auch unweigerlich zu der Frage, welche Bedeutung eigentlich die oft noch als Besonderheit zelebrierte, sogenannte "FreeTV-Premiere" hat - wenn längst schon hunderttausende Zuschauer die Serie gesehen haben, nur eben nicht im linearen Fernsehen. Aber das nur als Einwurf am Rande. Mit Stefan Schulz bekommt die deutsche Fernsehbranche - und allein bei dieser Einordnung bekommt sicher mancher Vertreter linearer Sender sicher schon Falten auf der Stirn - einen, der keine Evolution will. Da will einer die Revolution. Einer, dessen Auftritte irgendwo zwischen sehr überzeugt und sehr überzeugend liegen. So wie einst bei Georg Kofler, der von vielen Menschen die mit ihm gearbeitet haben, als sehr inspirierend beschrieben wurde.

Themenwoche Neues Fernsehen

Am Ende aber - und da wies RTL-Chefin Anke Schäferkordt die Begeisterung über die neuen Möglichkeiten im DWDL.de-Interview völlig zu Recht in die Schranken - sollten auch die Zahlen stimmen. Darüber schweigt Watchever bzw. verrät insofern etwas als dass Wachstum das vorrangige Ziel sei. Profitabilität spielt dabei dann erstmal eine untergeordnete Rolle. An diesem Punkt aber wäre es Stefan Schulz zu wünschen, sich von Georg Kofler zu unterscheiden. Blumige Worte und einen unerschütterlichen Glauben an sich selbst - das kauft man nur ab, wenn die Zahlen stimmen. Für den Anfang würde es der Wahrnehmung eines neuen Marktsegments aber helfen, wenn überhaupt einmal Zahlen vorliegen. So oder so: SVoD ist ein Markt mit viel Bewegung. Schon die kommende Woche verspricht spannend zu werden.