Wenn man von den zahlreichen Projekten auf dem Schreibtisch und im Hinterkopf von Barbara Thielen hört, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie von einem Energieschub getragen wird. Es scheint ein bisschen so, als käme jetzt all das raus, was in über acht Jahren als RTL-Fiction-Chefin nicht raus durfte, weil man beim Sender eben auf ganz andere Dinge konzentriert sein muss.

"Ich finde es angenehm und erfrischend, nach Jahren in Konzernstrukturen nun Teil eines Familienunternehmens zu sein, das mit unglaublicher Intensität an jedes einzelne Projekt herangeht", so Thielen im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Für sie ist es das zweite Leben als Produzentin, nachdem sie vor ihrer RTL-Zeit bereits für die UFA und die Pro GmbH produziert hatte. Und doch gab es leichte Bedenken, wie sie zugibt: "Anfangs bin ich der Aufgabe mit einem gewissen Respekt begegnet und habe mich gefragt: Kann ich das noch? Wie reagiert der Markt auf mich nach acht Jahren RTL? Ich war dann sehr schnell positiv überrascht, als mir von allen Seiten große Offenheit entgegenschlug."

 

Ohne lange Eingewöhnungsphase hat Barbara Thielen einfach das gemacht, wofür heute ihr Herz schlägt: mit Notebook, Handy und glänzenden Kontakten zwischen ihrer Heimat Köln, dem Firmensitz München und der Ziegler-Film-Zentrale in Berlin unterwegs sein, um reihenweise Projekte ans Laufen zu bringen. Es ist kein Geheimnis, dass Regina Ziegler, die große Produzentin, schon länger ein Auge auf Barbara Thielen geworfen hatte. Nicht zuletzt, um sie mit der Mission zu betrauen, mehr serielle Formate ins Haus zu holen. Ehe sie die Wunschkandidatin im April 2014 zur Geschäftsführerin der Zieglerfilm München machen konnte, musste sie freilich drei Jahre warten, bis Thielen ihrerseits zum Abschied von RTL bereit war.

"Regina und Tanja Ziegler sind zwei tolle Frauen und Produzentinnen, vor deren Leistung ich einen Riesenrespekt habe", sagt sie - und lässt in diesem Satz ihre Motivation mitschwingen, den Vertrauensvorschuss nach Kräften einzulösen. Das könnte zunächst mit einer neuen ZDF-Reihe für den Donnerstagabend gelingen - für den Primetime-Platz, auf dem traditionell der "Bergdoktor" und die "Bergretter" kleine Wunder vor Alpenpanoramen vollbringen. Weil das Zweite sich auch hier ganz behutsam modernisieren will, werden unter dem Schlagwort "Neue Heimatfarbe" Stoffe mit weiblicher Hauptfigur und einem Hauch mehr horizontaler Erzählung ausprobiert.

An den kommenden zwei Donnerstagen ist Thielen mit "Lena Lorenz" an der Reihe, zwei 90-Minütern rund um die gleichnamige Hebamme, die aus Berlin in ihre Heimat in den bayerischen Bergen zurückkehrt und sich dort eine neue Existenz aufbaut. Ursprünglich hatte der Sender den Titel "Die Berghebamme" vorgesehen, ist glücklicherweise aber davon abgerückt. "'Lena Lorenz' ist eine moderne Heimatserie, die sich mit den grundlegenden Fragen des Lebens beschäftigt", so Thielen. "Wo gehöre ich hin? Welche Ziele habe ich im Leben? Habe ich diese erreicht oder muss ich umdenken und neu anfangen? Neben einer episodischen Haupthandlung Figuren weiter zu erzählen, Konflikte aufzubauen und diese in all ihren Facetten erleben zu können, bringt ein besonderes Involvement, eine besondere Nähe zu dem Format mit sich."

Drehbücher für vier weitere "Lena Lorenz"-Folgen lässt Thielen derzeit entwickeln und ist auf einen Drehstart im Sommer vorbereitet. Ob es dazu kommt, entscheidet das ZDF voraussichtlich Ende April nach den Quoten der ersten beiden Filme. Gerade abgedreht ist "Das Dorf der Mörder", ein Thriller mit Anna Loos und Alina Levshin, den Thielen gemeinsam mit Regina Ziegler fürs ZDF produziert. Ende April sollen in Prag die Dreharbeiten zum historischen Zweiteiler "Der Puppenspieler" nach dem gleichnamigen Bestseller-Roman von Tanja Kinkel beginnen; bei dem Projekt für BR und Degeto führt Rainer Kaufmann Regie.

Ebenfalls für die Degeto will Thielen im Sommer den 90-Minüter "Frau Pfarrer und Herr Priester" drehen, der im Erfolgsfall zur Reihe werden könnte. Fürs Kino ist die Verfilmung des Sebastian-Fitzek-Romans "Abgeschnitten" in Vorbereitung - mit Christian Alvart als Regisseur, dessen Syrreal Entertainment auch Koproduzent ist. Thielen kümmert sich gerade um die Förderung und hofft, im Herbst drehen zu können. Zu etlichen weiteren Projekten in Entwicklung zählt u.a. ein ZDF-Zweiteiler über den Sklavenmarkt in Europa.

Ein konkretes Projekt für einen Privatsender - gar für Thielens Ex-Arbeitgeber RTL - ist momentan noch nicht darunter. Zwar sei man natürlich in Gesprächen, aber: "Bei den Privaten ist die Etablierung neuer Serien nach wie vor kein leichtes Unterfangen", sagt die Produzentin. "Die Investitionsmittel sind begrenzt und es gibt nur noch wenig eingeführte Sendeplätze." In Richtung Pay-TV und VoD-Plattformen hat die eingefleischte Serienliebhaberin ihre Fühler bereits ausgestreckt.

Langfristig erwartet sie dort einiges, kurzfristig warnt sie jedoch vor verfrühter Euphorie: "Ich glaube, es wäre unrealistisch, wenn wir jetzt sagen würden: Wir machen nur noch mega-innovative, total horizontale Serien. Persönlich finde ich sowas als Zuschauerin toll. Aber der deutsche Markt ist in seiner Breite immer noch von episodischer Erzählung bestimmt. Was natürlich längst nicht mehr heißt, dass man dem Publikum statische Charaktere ohne eine glaubhafte Fortentwicklung von Episode zu Episode vorsetzt."