Dort spielte er u.a. auch Shakespears Richard, der III. in einer Inszenierung von Sam Mendes „Auch wenn es bestimmt eine Menge Menschen gibt, die glauben, dass die direkte Ansprache des Publikums von Ferris Bueller („Ferris macht blau“, Anm. d. Red.) erfunden wurde, so war es ja Shakespeare“, sagt Spacey und lacht. „Shakespeare integrierte es in Richard, der III. Das unterscheidet sich nochmal deutlich von Shakespeares Monologen, bei denen man sich allgemein ans Publikum wendet. Bei der direkten Ansprache geht es buchstäblich darum, einem Zuschauer im Publikum in die Augen zu schauen. Es war eine bemerkenswerte Erfahrung in die Augen des Publikums zu schauen und zu merken wie sehr das Publikum darauf abfährt, die Gedanken des Charakters zu kennen.“
Auch bei „House of Cards“ hat dies einen besonderen Reiz und bringe der Serie eine zusätzliche Ebene, die das Publikum in eine Zwickmühle bringe. „Das ist eine Form der Komplizenschaft. Auch die Fans von ‚House of Cards‘ mögen es, die privaten Gedanken von Frank Underwood zu kennen, auch wenn es im Verlauf der Staffeln sicher irgendwann manchem unheimlich wird, dass man diesen Mann trotz allem mag“, analysiert Spacey. „Das ist diese wunderbare Bigotterie durch die auch das Publikum durch muss.“ Das die Serie weltweit Fans gewinnt, erkläre sich nicht allein mit dem Interesse an amerikanischer Politik, da ist er sich sicher. Viel mehr gehe es um die „Politik des Lebens“. Selbst in China hat „House of Cards“ inzwischen Fans - obwohl Netflix dort nicht selbst vertreten ist.
„Ich habe vor einigen Jahren einen chinesischen Film gedreht und war damals mit meinem Freund und Kollegen Daniel Wu in China unterwegs. Mit ihm dort unterwegs zu sein ist als hätte man Tom Cruise dabei. Er ist ein großer Star. Und neben ihm? Jeder dachte, ich sei sein Bodyguard“, beginnt Spacey seine Anekdote. „Und dann war ich vergangenes Jahr für ein Konzert in Macau und ich bin auf die Bühne und alle sind ausgeflippt als stände ein Rockstar auf der Bühne. Da wurden Selfies ohne Ende gemacht. An dem Abend bin ich nach Hong Kong zurück und habe einige Freunde von mir gefragt: Was zum Teufel ist passiert seit ich zum letzten Mal in China war? Und die Antwort war: ‚House of Cards‘ ist passiert.’“

Spacey weiter: „Ich entgegnete, dass ich mir ja gut vorstellen kann, dass ‚House of Cards‘ der chinesischen Regierung gefällt. Aber mir wurde gesagt: Nein, auch in der Bevölkerung hat die Serie viele Fans. Francis Underwood werde in China wahrgenommen als jemand der gegen Korruption kämpft.“ Da muss Spacey selbst laut lachen. Und mit ihm der ganze Saal in Paris. An den Arbeiten für die kommende fünfte Staffel von „House of Cards“ wird einer nicht mehr beteiligt sein: Showrunner Beau Willimon. Sorgen um die Zukunft der Serie hat Spacey - wenig überraschend - nicht.
„Willimon ist ein bemerkenswerter Mann. Wir hatten eine unglaubliche Zeit. Ohne jede Frage: Ich vermisse ihn jeden Tag“, erklärt Spacey beim Netflix Slate Event. „Aber der Writers Room besteht aus den gleichen Autoren wie bei Staffel 4. Da hat sich nichts geändert. Und wissen Sie, Beau und ich haben wie jedes Jahr etwa zur Halbzeit der Dreharbeiten schon über die nächste Staffel gesprochen. Somit haben wir Einiges noch diskutiert und viele interessante Ideen aufgebracht. Derzeit wird die neue Staffel geschrieben und die Dreharbeiten beginnen bald.“ Die Serie werde dabei weiter versuchen mit ihrem Paralleluniversum nah an der Realität zu bleiben.
"Sind wir diesmal zu weit gegangen? (...) Ich schalte den Fernseher ein, schaue die Nachrichten und denke mir: ‚Wir sind nicht weit genug gegangen.‘“
Was sage er zur realen Politik in den USA, will ein Journalist wissen. Spacey schmunzelt kurz. „Wir müssen dran denken, dass Francis Underwood ein fiktionaler Charakter ist“, sagt er und macht eine kurze Pause. „Einige der Kandidaten im Präsidentschaftsrennen wirken allerdings auch wie fiktionale Charaktere.“ Spacey weiter: „Mehr als nur einmal bin ich nach den Dreharbeiten, in denen wir eine neue Storyline angestoßen haben, ins Hotel gefahren und habe mich gefragt: ‚Sind wir diesmal zu weit gegangen? Haben wir den Rubikon überschritten? Fühlt sich etwas unecht an; ist es schwer zu glauben? Zu verrückt?‘ Und dann schalte ich den Fernseher ein, schaue die Nachrichten und denke mir: ‚Wir sind nicht weit genug gegangen.‘“
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