Versetzen Sie sich mal für einen Augenblick in die Rolle eines Senderchefs. Angenommen, Sie verantworten einen kleinen Spartensender, für den Sie eigentlich gar kein Geld haben, und wollen ihn einstellen. Was tun Sie?

Sie stellen ihn einfach ein, sagen Sie? Keine schlechte Idee – vorausgesetzt, Sie sind nicht gerade Chefs eines öffentlich-rechtlichen Senders. ZDF-Intendant Thomas Bellut erklärte nämlich bereits im Februar 2013 die Absicht, den erst eineinhalb Jahre zuvor mit allerlei Ambitionen aus dem Theaterkanal hervorgegangenen Ableger ZDFkultur aus Kostengründen wieder einstellen zu wollen. Dumm nur, dass sich die Politik reichlich Zeit ließ bei der Ausarbeitung eines neuen Rundfunkstaatsvertrags, in dem ausdrücklich verankert ist, welche Kanäle ARD und ZDF verbreiten dürfen.

Und weil der neue Rundfunkstaatsvertrag erst an diesem Samstag in Kraft treten wird, musste ZDFkultur dreieinhalb Jahre weitersenden, obwohl das Programm nur noch äußerst stiefmütterlich behandelt wurde. Zwei Millionen Euro kostete es jährlich, den Sendebetrieb für Wiederholungen jahrzehntealter "Hitparaden"-Folgen oder der "Wicherts von nebenan" aufrecht zu erhalten. Eine groteske und vor allem teure Schlusspointe, die auf geradezu beeindruckende Weise zeigt, dass die Geschichte der digitalen Spartensender eine Geschichte voller Missverständnisse ist.

Skurril auch die Situation von Einsfestival: Als sich ARD und ZDF darauf einigten, sich für einen gemeinsamen Jugendkanal stark zu machen, ging man beim WDR felsenfest davon aus, dass der bis dato eher unbedeutende Spartensender gemeinsam mit ZDFkultur die Segel wird streichen müssen. Doch weit gefehlt: Einfestival durfte weitersenden – warum auch immer. Und vermutlich wird sich nicht einmal innerhalb der ARD eine Person finden lassen, die diese Entscheidung der Politik schlüssig erklären kann.

Am wahrscheinlichsten ist, dass die politischen Entscheidungsträger der ARD genauso viele Digitalkanäle gönnen wollten, wie dem ZDF. Das war vielleicht gut gemeint, brachte aber ein echtes Problem mit sich: Weil für Einsfestival in der Zwischenzeit kaum noch Anstrengungen unternommen wurden, verlor der kleine Sender vollends den Anschluss. Der Nachteil ist bis heute sichtbar: Während ZDFneo dank einer klaren Strategie inzwischen gerne mal Tagesmarktanteile von drei Prozent erzielt, erreicht One – wie Einsfestival inzwischen heißt – meist weniger als einen halben Prozent.

Erinnen Sie sich noch an EinsMuXx?

Doch es war nicht nur die Politik, die einen Erfolg verhinderte. Pläne, die stets unterfinanzierten Digitalsender Einsfestival und EinsPlus miteinander zu verschmelzen, scheiterten, weil sich WDR und SWR einfach nicht einig wurden. Und so wurstelten beide Anstalten lieber an ihren eigenen Digitalsendern weiter, anstatt mit vereinten Kräften einen guten gemeinsamen Sender auf die Beine zu stellen. Nennenswerte Marktanteile verzeichneten letztlich weder Einsfestival noch EinsPlus - und das, obwohl sie fast zwei Jahrzehnte Zeit hatten, sich ihr Publikum zu erkämpfen.

Ehemalige Logos der ARD-Digitalsender© ARD

Die früheren Logos der ARD-Digitalsender

Überhaupt EinsPlus: Einst aus einem Sender namens EinsMuXx hervorgegangen, von dem heute vermutlich kein Mensch mehr weiß, weshalb es ihn überhaupt jemals gegeben hat, sollte sich EinsPlus ursprünglich dem Thema Service widmen, was den Federführern des SWR jedoch zunehmend Schnuppe wurde. Sie wollten lieber einen Jugendkanal starten, um der öffentlich-rechtlichen Zuschauer-Vergreisung entgegenzuwirken, und zeigten irgendwo im Nirgendwo ein paar hippe Formate, mit denen die auserwählte Zielgruppe auf einem Sender wie diesem jedoch erwartungsgemäß nicht rechnete.

Einige der Ideen, die bei EinsPlus ausprobiert wurden, sollen nun ein Teil von Funk werden, dem neuen Jugendangebot, das ausschließlich online verbreitet wird. Es dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass sie dort besser aufgehoben sind als auf einem Sender, dessen biederer Name nach Streberfernsehen klingt. Der ist von diesem Wochenende an ebenso Geschichte wie ZDFkultur. Nach allerlei Irrungen und Wirrungen. Sollten Sie also einmal Chef einer öffentlich-rechtlichen Anstalt sein und die Einstellung eines Kanals planen, dann bewahren Sie Ruhe - und legen sich für den Fall der Fälle besser mal ein paar Millionen zur Seite.

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