Vor der Kamera sorgte nicht nur Raab 16 Jahre lang mit "TV total", "Schlag den Raab" und all den kreativen Auskopplungen für Erfolg in Serie, sondern auch unvergessene Formate wie "Die Wochenshow", "Ladykracher", "Pastewka" oder "Stromberg", die das deutsche Unterhaltungsfernsehen ein Stück besser gemacht haben.

Hinter den Kulissen war das Geschehen bei Brainpool manches Mal noch spannender als davor. Getrieben von Wachstumsfantasien rund um 360-Grad-Vermarktung und Internationalisierung, ging das Unternehmen 1999 an die Börse. Zwei Jahre später ließ es sich von der ebenfalls börsennotierten Viva Media AG übernehmen – eine Übernahme, die Grabosch betrieben hatte, weil Brainpool allein auf Dauer zu klein war und weil die Talentplattform Viva, die nicht zuletzt Raab hervorgebracht hatte, gut zum Produktionshaus ohne eigenes Outlet zu passen schien.



Der Honeymoon war vorbei, kurz nachdem der MTV-Mutterkonzern Viacom 2004 seinen bisherigen Konkurrenten Viva und damit auch Brainpool schluckte. Entgegen Graboschs Vorstellungen wurden alle Sender in Berlin zusammengelegt; das Szenario, Comedy Central in Köln anzusiedeln und von Brainpool bestücken zu lassen, zerschlug sich. Nun bekam der US-Konzern die Muskeln seiner renitenten Tochter zu spüren. Die Brainpool-Führung um Grabosch drohte intern damit zu gehen. Da Stars wie Raab, Anke Engelke oder Bastian Pastewka eine vertragliche Bindung an die Produzenten-Köpfe hatten, wäre eine halbwegs leere Hülle die Folge gewesen. Ende 2006 einigte man sich auf ein Management-Buy-out, Grabosch und seine Partner Ralf Günther, Andreas Scheuermann sowie Stefan Raab kauften ihre Firma zurück.

Zum zweiten Verkauf kam es im Sommer 2009. Weil Brainpool durch "Beat the Star" alias "Schlag den Raab" zum Star im internationalen Formatgeschäft aufgestiegen war, wollte die französische Banijay Group im Mehrheitsbesitz von Ex-Endemol-France-Chef Stéphane Courbit bei den Kölnern einsteigen. Die Gesellschafter verkauften exakt 50 Prozent der Anteile. Den daraus bis heute resultierenden Zustand beschreibt Grabosch so: "Wir können wirklich nicht ohne die, die können aber auch nicht ohne uns."

Das ging solange gut, wie Brainpool mit immer neuen Raab-Events oder dem Eurovision Song Contest für Wachstum und sprudelnde Gewinne sorgte. Fragen nach den vergleichsweise geringen Synergien für die Gruppe und dem demonstrativen Desinteresse der Deutschen am internationalen Formatkatalog ließen sich so beiseite wischen. Doch 2016 änderte sich alles. Nach Stefan Raabs Abschied vom TV-Bildschirm vor genau einem Jahr brach das Produktionsvolumen ein. Längst war der einstige Viva-Rüpel der einzige noch relevante Kopf nach altem Brainpool-Muster gewesen; Engelke, Pastewka, Pocher & Co. hatten ihre Schwerpunkte schon vorher verlagert. Im DWDL.de-Produzenten-Ranking ist Brainpool nicht von ungefähr der Absteiger des Jahres: Mit "Schlag den Star" und "Luke! Die Woche und ich" schafften es nur noch zwei Shows unter die 100 meistgesehenen Formate der 14- bis 49-Jährigen.

"Jetzt im Moment verdienen wir nicht so viel", räumt Grabosch im "Jahrbuch Fernsehen" ein. "Wenn wir dieses Jahr eine schwarze Null machen, bin ich zufrieden." Der Druck der Gesellschafter wachse, zum Businessplan gäbe es jetzt Fragen, die es vorher nie gegeben habe. Zudem hat sich der Kreis der Gesellschafter 2016 verändert. Durch den Zusammenschluss von Banijay und Zodiak Media ist der drittgrößte Produktionskonzern Europas, hinter Endemol Shine und FremantleMedia, mit rund 900 Millionen Euro Umsatz entstanden. Die französische LOV Group von Hauptgesellschafter Courbit hält nun 37,5 Prozent am neuen größeren Banijay, die italienische De-Agostini-Familie 36 Prozent.

"Wenn wir dieses Jahr eine schwarze Null machen, bin ich zufrieden"

Brainpool-Chef Jörg Grabosch über das schwierige Geschäftsjahr 2016


Neu im Bunde ist seit dem Mega-Merger der französische Medienkonzern Vivendi, dem die Pay-TV-Plattform Canal+, die expandierende Produktionsgruppe Studiocanal oder die Universal Music Group gehören. Vivendi hat zunächst 100 Millionen Euro für 26,2 Prozent der Anteile an Banijay investiert – mit zwei wichtigen Optionen: Für weitere 100 Millionen kann Vivendi innerhalb der nächsten sieben Jahre auf 49,9 Prozent aufstocken, für nochmals 90 Millionen zusätzlich ein Viertel der LOV Group übernehmen. Wenn man sieht, wie aggressiv die Franzosen unter ihrem Mehrheitseigner Vincent Bolloré gegenwärtig auf europaweites Wachstum setzen – etwa mit der feindlichen Übernahme von bislang 20 Prozent am italienischen Fernsehkonzern Mediaset –, erscheint das Maximal-Szenario durchaus als realistisch.

Was heißt das für Brainpool? Die Kölner werden ab sofort nicht mehr darum herumkommen, Formate aus dem Banijay-Zodiak-Katalog in Deutschland an den Mann zu bringen und mit ihrer verkleinerten Produktionsmannschaft umzusetzen. Die ersten Fälle für 2017, über die DWDL.de bereits berichtete, sind die interaktive Gameshow "All Against 1" für Sat.1 und das Nackt-Dating-Format "Undressed" für RTL II. Weitere sollen folgen, um den Umsatz wieder anzukurbeln. Grabosch erwägt, dafür eine eigene Unit unter dem Arbeitstitel 'Zodiak Germany' aufzumachen, weil er die Marke Brainpool offenbar immer noch auf einem hochwertigeren Level verortet.

Auch mit Vivendi direkt ist Brainpool seit kurzem im Geschäft: Die Quizshow "Rate mal, wie alt ich bin", die Brainpool-Geschäftsführer Andreas Viek seit Anfang Dezember für den ARD-Vorabend produziert, stammt nicht aus dem Banijay-Zodiak-Katalog, sondern ist eine Lizenzversion des französischen Formats "Guess My Age" von Vivendi Entertainment. Ganz sicher wird der Druck, von dem Grabosch so offen spricht, mit Bollorés wachsendem Einfluss nicht geringer. Dass sie sich allzu starker Konzernräson nicht gern beugen, haben Grabosch und Partner schon früher bewiesen. Doch sollten sie diesmal den Ausweg suchen, wäre ein Verkauf der eigenen Anteile wesentlich wahrscheinlicher als ein erneutes Management-Buy-out.