Wer nicht aufpasst läuft vorbei. In der südlichen Münchener Innenstadt in vergleichsweise unscheinbaren Räumen sitzt eoTV, ein junger Fernsehsender mit Anspruch, den es so eigentlich nicht geben dürfte weil er so gar nicht in eine Zeit passt, in der lineare Programme längst nicht mehr vom Inhalt sondern der Zielgruppe her konzipiert sind. Jürgen Hörner weiß, dass er ein Anachronist ist. Lange genug war er schließlich für das andere Fernsehen verantwortlich.

Beginnt der Geschäftsführer und Gesellschafter von eoTV erst einmal über sein Baby zu sprechen, ist er kaum noch zu stoppen. Er schwärmt von einzelnen Filmen, von Serien. Manchmal sogar von ganz bestimmten Szenen und ihren tollen Darstellern. Hörner redet über Fernsehen wie andere über Wein. Kaum vorstellbar, dass dieser detailverliebte  Programmmacher zwischenzeitlich die Führung der gesamten ProSiebenSat.1 TV Deutschland inne hatte.

Bei ProSieben begann 1993 seine Fernsehkarriere als Redakteur in der Spielfilmabteilung. Sein Erfolg in der Sendergruppe wurde ihm tragischerweise zum Verhängnis: Mit jedem neuen Job kam mehr Verantwortung, aber weniger Nähe zum eigentlichen Programm. Vor seinem Ausscheiden nach 20 Jahren in Unterföhring war er zuletzt Programmverwalter. Jetzt redet Hörner, der Programmgestalter - und das ohne Punkt und Komma.

Am 22. Dezember 2015 hat Jürgen Hörner beinahe in Eigenregie ein Programmfenster auf Sendung gebracht. Sein eoTV - für European Originals - übernahm die Primetime-Sendefläche beim digital verbreiteten Kindersender Ric. Es folgte die Verbreitung über diverse Online-TV-Anbieter und kürzlich erst ist via Waipu.TV ein zunächst exklusiv nur dort zu empfangendes 24 Stunden-Programm gestartet. Zu sehen gibt es bei eoTV europäische Serien und Filme - mal betagt, mal aktuell.

Meistgesehen im ersten Jahr waren Filme wie die italienisch-französische Produktion „Die Unbekannte“ aus dem Jahr 2006 oder die finnische Serie „Black Widows“. Trotz einer technischen Reichweite von mehr als 32 Millionen Haushalten und der neuen 24 Stunden-Verbreitung meint „meistgesehen“ in traditioneller Quote ausgewiesen: Bis zu 50.000 Zuschauer. Die Quote passt zum Firmensitz: Klein aber fein. Stolz ist Jürgen Hörner auf 9 Millionen Zuschauer, die den Sender im ersten Jahr laut AGF/GfK mindestens einmal gesehen haben.

Auf diese Werte könne man gut aufbauen. Hörner bleibt optimistisch und überzeugend ins eigene Programm verliebt. Eine Eigenschaft, die man nicht mehr oft spürt. Neu im Programm sind ab Anfang 2017 beispielsweise gleich drei französische Filmreihen zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr: „Agatha Christie’s Criminal Games“, „Agatha Christie’s Little Murders“ und „Agatha Christie’s Family Murder“. Der Wettbewerbsvorteil für eoTV: Beim Einkauf des Programms gibt es nur wenig Konkurrenz.

So wie Tele 5 bei seinen Einkäufen gerne Richtung Asien schaut, entdeckt Hörner im europäischen Ausland immer wieder hervorragende Produktionen, die bislang international nicht verwertet wurden - und bei deren Erwerb es kaum Wettbewerb gibt.  Den noch sehr geringen Einschaltquoten von eoTV stehen daher Programmkosten gegenüber, die weitaus geringer sind als das, was Hörner noch aus seiner Zeit beim großen Mainstream-Fernsehen in Unterföhring kennt.

Doch egal wie kräftig eoTV am eigenen Programm arbeitet: Man muss ohne einem Ausbau der klassischen TV-Verbreitung darauf hoffen, dass sich die Fernsehnutzung weiterhin in Richtung Netz verlagert und die Reichweitenmessung dort auch von Werbekunden entsprechend honoriert wird. Immerhin: Der Sender war von Anfang an auch als non-lineares Angebot entwickelt, der weite Teile des Programms auf der Sender-Website auch auf Abruf bereit stellt.

Inhaltlich trifft eoTV zweifelsohne einen Nerv: Nie war das Interesse an Fernsehware aus aller Welt größer und die pure US-Fixierung so gestrig. Der Sender spielt für seine Zielgruppe Trüffelschwein und bietet ein schlüssiges Programm. Würden sich Werbekunden von Umfeldern und Qualität überzeugen lassen, dürfte eoTV keine Probleme bekommen. Nach Reichweite gemessen hat der Sender jedoch noch einen weiten Weg vor sich. Und dann auch noch einen, der derzeit noch unzureichend messbar ist.