Zwei Wochen ist es her, dass Joko und Klaas am Samstagabend ausnahmsweise mal nicht bei ProSieben, sondern im Ersten auf dem Sofa saßen: als Gratulanten von Frank Elstner. Der ließ sich zum 75. Geburtstag mit einer eigenen Show gratulieren – und verteilte die Geschenke kurzerhand selbst. „Es macht Spaß, zu sehen, wie ehrlich ihr euch anstrengt. Das ist ja nicht irgendein Theater, ihr geht da wirklich bis an die Leistungsgrenze“, lobte das Geburtstagskind seine beiden Gäste und beteuerte: „In mir habt ihr einen alten, aber treuen Fan.“ Er werde immer wieder gefragt, ob es im deutschen Fernsehen wieder so etwas wie „Wetten dass..?“ geben könne und sei skeptisch. „Aber ich schließe nicht aus, dass nochmal jemand eine richtig große Idee hat – und die trau ich euch zu.“

Da waren die Herrschaften mal kurz sprachlos. Weil das natürlich eine große Ehre ist. Und gleichzeitig ein bisschen peinlich, vor der versammelten Klasse vom Fernsehlehrer so überschwänglich eine Eins mit Sternchen ins Hausaufgabenheft gemalt zu kriegen.

Dabei hat Elstner Recht: Wer, wenn nicht diese beiden, soll sonst das in alle Richtungen aussuppende Medium mit einem guten Einfall auf den Kopf stellen? Sie üben ja schon regelmäßig in „Die Beste Show der Welt“ – der einzigen Sendung im deutschen Fernsehen, die jedes Mal komplett neu erfunden wird. Und sich durch etwas auszeichnet, das auch Elstners Karriere geprägt hat: die Lust, ständig Neues auszuprobieren.

Ein würdiger "Duell um die Welt"-Ersatz?

Dass die „Beste Show“ ein bisschen zu sehr aus der Fernsehmacher-Perspektive konzipiert ist, ist vielleicht ihr größter Schwachpunkt: In jeder Ausgabe führen Joko und Klaas abwechselnd durch Mini-Shows, deren „Einschaltquote“ bei den Zuschauern im Studio darüber entscheidet, wer am Ende die „Nase vorn“ – Pardon: die Nase vorn hat. Was völlig schnuppe ist, aber den Wettstreit liefert, an den sich viele Joko-und-Klaas-Fans gewöhnt haben.

Die beste Show der Welt© ProSieben

Die eigentliche Besonderheit besteht freilich darin, dass die Redaktion der Berliner Produktionsfirma Florida TV mit Kreativchef Thomas Schmitt den Ehrgeiz hat, einen Abend im Quartal mit einer Kreativleistung zu bestreiten, die andere Sendern über die komplette Saison nicht zustande bringen.

Arno Schneppenheim formuliert es lieber so: "Die Leute bei Florida TV sind etwas anders strukturiert als gängige Fernsehredakteure.“ Schneppenheim ist (erstens) Director Comedy & Light Entertainment beim Kölner Produktionsriesen EndemolShine, sowie (zweitens) Geschäftsführer der dazu gehörenden Joko-und-Klaas-Firma mit dem Flamingo im Logo. Und (drittens) ziemlich froh darüber, sich gerade nicht permanent Gedanken darüber machen zu müssen, ob zwei seiner größten Talente am anderen Ende der Welt auf einem wackeligen Floß einen krokodilverseuchten Fluss überqueren oder sich von irgendwelchen Hochhäusern abseilen. So wie das beim „Duell um die Welt“ regelmäßig der Fall war.

„Die Jungs sind an Ziele geflogen, bei denen alleine die Anreise vier Tage dauerte: Man fliegt in eine größere Stadt, von dort aus fliegt man in eine kleinere Stadt, dann geht’s 24 Stunden mit dem Boot in den Dschungel und dann sind es noch mal ein paar Stunden Fußmarsch zum Ziel“, sagt Schneppenheim. „Man erreicht das Team in dieser Zeit auch nicht. Ich hab mir da teilweise echt Sorgen gemacht.“

„Shitstorm Roulette“ und „Game of Drones“

Die Zuschauer hatten einen Riesenspaß mit den ungewöhnlichen Duellen. Doch der Aufwand ist irgendwann zum Problem geworden. Joko und Klaas mussten enorm viel reisen, der Schnitt hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen – auf Dauer wäre das so nicht weitergegangen. „Die Idee war: Wir brauchen eine Show, die fast ohne Einspielfilme auskommt, um den Aufwand geringer zu halten.“ Eine, die sich im Studio aufzeichnen ließ. Kurz und gut: „Die beste Show der Welt“!

Toll gedacht. Kleines Problem nur: "Inzwischen haben wir gemerkt, dass das eigentlich noch viel aufwändiger ist“, sagt Schneppenheim. Weil nämlich jedes mal Mini-Shows mit komplettem Regelwerk vorbereitet werden, die auch für sich funktionieren würden: „Das Auge kocht mit“, „Game of Drones“, „Die große ProSieben Rückwärtsfußball-WM“, „Shitstorm Roulette XXL“, „Mein Mann kann (das betrunken gar nicht mal so gut)“.

Und weil Klaas für seine Zaubershow als „David Flame“ im Zweifel tatsächlich so lange übt, bis er verhältnismäßig gut zaubern kann.

Die beste Show der Welt© ProSieben

Oder Joko fürs Wrestling so lange trainieren geht, dass er morgen theoretisch eine Zweitkarriere in der WWE anfangen könnte (aber nur sehr theoretisch).

Die beste Show der Welt© ProSieben

Das Publikum hat mitgezogen. Nach hervorragenden Auftaktquoten mit 17,1 Prozent Marktanteil in der klassischen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen und einem ähnlichen Niveau für Ausgabe zwei, hatte es die dritte „Beste Show“ Anfang Februar mit 10,8 Prozent allerdings schon deutlich schwerer. Und ProSieben muss hoffen, dass das kein anhaltender Abwärtstrend wird – immerhin ist das nicht ganz günstige Samstagabendspektakel nach dem beschlossenen „Circus HalliGalli“-Aus im Sommer vorerst die einzige regelmäßige TV-Heimat von Joko und Klaas. (Vom „Duell“ gibt es Ende des Jahres noch ein Spezial; gegenüber „W&V“ hat Senderchef Daniel Rosemann gerade angekündigt, eine weitere Show mit dem Duo zu planen; DWDL.de berichtete.)

Gibt's das schon anderswo?

Für die Vorbereitung jeder neuen Staffel (mit zwei Shows) braucht die Berliner Redaktion ein halbes Jahr Zeit. Komplett neu erfunden wird das Fernsehen zwar auch im „Kreissaal der deutschen Entertainment-Branche“ (wie Moderatorin Jeannine Michaelsen die „Beste Show“ kürzlich nannte) nicht. Die meisten Ideen sind Variationen klassischer Genres: Versteckte Kamera, Quiz, Sport, Joko-und-Klaas-Mutproben. Manchmal reicht aber schon ein kleiner Dreh, damit tatsächlich ein TV-Juwel draus wird.

„Es gibt immer Elemente, die schon mal dagewesen sind, und von denen sich die Kollegen inspirieren lassen“, meint Schneppenheim. „Aber wir starten jedes Mal mit einem weißen Blatt Papier.“ Wenn die neuen Einfälle Gestalt angenommen haben, prüft die internationale Rechtsabteilung von EndemolShine, ob eine ähnliche Idee schon im Ausland umgesetzt wurde, um einen unbeabsichtigten Formatklau zu vermeiden. (Bislang gab es noch keine Doppelung.)

Die beste Show der Welt© ProSieben

Andersherum werden Minishows, die den Zuschauern besonders gut gefallen haben, als eigenständige Sendung ausgekoppelt und in den Formatkatalog übernommen, um sie international anzubieten. „Ich glaube, viele unserer Showkonzepte sind sehr viel reifer als manches, was sonst auf den großen TV-Messen verkauft wird“, meint Schneppenheim. Im November zeigte ProSieben „My Idiot Friend“ in der Langversion (hier geht’s zur TV-Kritik); im Ausland gibt es erste Interessenten.

Dass Bewerber bei einer Stellenausschreibung von Florida TV zuletzt Showideen als „Arbeitsproben“ einreichen sollten, passt nicht so recht ins Bild der aufwändigen Kreativentwicklung. Ist das für die Redaktion eine günstige Möglichkeit, sich die Arbeit zu vereinfachen? „Nein“, versichert Schneppenheim wortkarg. „Sind die Ideen gut, bekommt sie oder er den Job.“

In der ekelfreien Zone

Wenn ProSieben seinen Show-Spielplatz dauerhaft im Programm etablieren könnte, wäre das auch deshalb eine gute Nachricht, weil sich Joko und Klaas damit dauerhaft einem breiteren Publikum öffnen könnten. Also auch Zuschauern, denen es sonst zu krass ist, wenn sich die beiden die Stirn in Donutform aufspritzen oder den Mund zunähen lassen (wie im „Duell um die Welt“). „Das wird eine Hommage an das gemütliche Samstagabendgefühl“, beteuerte Klaas kürzlich zum Auftakt und scherzte, die Show sei ihre Chance, „rauszukommen aus dem Sumpf, den wir uns selber gegraben haben“. Das ist völlig korrekt – und womöglich sogar notwendig, um endlich aus der Nachwuchsnische zu klettern.

„Die beste Show der Welt“ funktioniert nämlich hervorragend als (weitgehend) ekelfreie Zone.

Weiterlesen auf Seite 2: über unberechenbare Kandidaten, das Problem mit Plan B und warum die „Beste Show“ so schwer live zu senden wäre.