Wenn man an bekannte Tierfilmer denkt, dann kommt man an Bernhard Grzimek und Heinz Sielmann nicht vorbei. Letzterer wäre in diesen Tagen 100 Jahre alt geworden. Einer, der ihn zu Lebzeiten kannte, ist Jörn Röver. Der Diplom-Biologe wechselte im Jahr 2001 vom ZDF zu Studio Hamburg, wo er Leiter des NDR-Naturfilms wurde und seit 2010 als Geschäftsführer der Doclights GmbH quasi Sielmanns Erbe verwaltet. Dessen Idee, hochwertige Tierfilme zu produzieren, hat nämlich noch immer Bestand – schließlich wird Sielmanns Reihe "Expeditionen ins Tierreich" nach nach mehr als fünf Jahrzehnten noch immer hergestellt.

Jörn Röver"Heinz Sielmann war damals schon sehr viel professioneller als die meisten seiner Kollegen und strahlt deshalb so über seine Zeit hinaus", sagt Röver (Foto) im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Mit 21 Jahren besaß Sielmann seine erste Filmkamera – keine Selbstverständlichkeit zur damaligen Zeit. Aufgewachsen in Königsberg, der heutigen russischen Enklave Kaliningrad, verließ der Junge das elterliche Haus, um dem Einsatz an der Ostfront haarscharf zu entgehen und mit unglaublichem Glück die späten Kriegstage in Griechenland zuzubringen, schon damals übrigens als Naturfilmer und -forscher.

Die folgende Kriegsgefangenschaft führte über Ägypten ins Zentrum des britischen Empires. Unter den Augen der britischen Besatzer bahnte er sich den Weg zurück nach Deutschland und begann seine Karriere in der TV-Unterhaltungsbranche. Von Beginn an legte Heinz Sielmann hohe Ansprüche an Bildqualität und Erzählweise. "Sielmann wollte gute Geschichten möglichst verständlich erzählen und nahm dafür auch einen großen Aufwand in Kauf. Er war nicht zufrieden, wenn er bloß ein Tier vor die Kamera bekam - die sollten schon etwas machen", erinnert sich Jörn Röver. Regelrecht besessen von Tieren, begab sich Sielmann monate-, manchmal sogar jahrelang auf seine Expeditionen.

Genau diese Liebe zum Detail war es, mit der sich der Weltreisende schnell einen Namen machte – und zwar weit über die deutschen Landesgrenzen hinaus. Fast drei Jahrzehnte lang prägte er die "Expeditionen ins Tierreich", für die er zahlreiche Preise erhielt. Selbst im hohen Alter arbeitete Sielmann an Ideen für neue Produktionen. "Er hat mir zuletzt eine Reihe vorgeschlagen, in der er noch einmal an die Orte zurückkehren wollte, die er 40 Jahre zuvor bereiste", erzählt der heutige Doclights-Geschäftsführer. Durch Sielmanns Tod im Jahr 2006 ist es dazu allerdings nicht mehr gekommen.

Anders als zu Sielmanns Zeiten setzt die ARD heute bei ihren Naturfilmen nicht mehr auf einen Präsentator. Dabei müsste das gar nicht aus der Zeit gefallen wirken, wie die öffentlich-rechtlichen Kollegen erfolgreich vormachen. "Wenn man einen Moderator hat, so wie Dirk Steffens im ZDF, dann ist es leichter möglich, die Themen über das Fernsehen hinaus weiter nach außen zu tragen", räumt Jörn Röver ein, verweist aber auf Einschaltquoten von 50 Prozent, die Sielmann zu Lebzeiten mit seiner Reihe hatte. "Den kannte einfach jeder. Heute ist es schwierig, noch einmal einen solchen Stellenwert zu erreichen."

Heinz Sielmann© NDR/NDR Naturfilm/Doclights GmbH

1948: Heinz Sielmann, unterwegs in Niedersachsen für das “Lied der Wildbahn”.

Solche Quoten werden heute freilich nicht mehr erzielt – und doch ist das Genre mit jährlich etwa 4.000 Ausstrahlungen über alle ARD-Sender hinweg in den Programmen erstaunlich stark vertreten, auch wenn Tierfilme heute nicht mehr so häufig Gesprächsthema seien, wie der Doclights-Chef gegenüber DWDL.de zugibt. Dabei macht den Tierfilmern unter technischen Gesichtspunkten so schnell niemand etwas vor. Die Qualitätsansprüche seien in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. "Früher waren es häufig Kamera-Amateure, die sich gerne Tiere beobachtet haben und von der Fotografie in die Kameraarbeit hineingerutscht sind. Sie haben dann ihre Filme teilweise monatelang in ihren Dachkammern selbst geschnitten. Das läuft heute sehr viel professioneller ab." 

Doch es kommt auch heutzutage nicht alleine auf die Technik an. "Es gibt Tierfilmer, die in der Weltspitze sind und die beste Technik mitbringen, und solche, die relativ konventionell mit nur einer Kamera arbeiten, aber gute Tierbeobachtungen machen", erzählt Jörn Röver. "Es muss nicht immer ein Feuerwerk an Special Effects sein. Oft braucht man einfach Sitzfleisch, um tolle Verhaltensweisen zu filmen." Und freilich ein gutes Gespür für die Interessen der Zuschauer, die sich beispielsweise eher für Säugetiere interessieren als für Insekten. Es gehe schließlich nicht darum, ein Biologie-Buch abzubilden.

Nun, anlässlich des 100. Geburtstages von Heinz Sielmann, soll allerdings noch einmal der Meister höchstpersönlich im Vordergrund stehen. Am kommenden Mittwoch erinnert das NDR Fernsehen an seine Arbeit und zeigt dabei auch Ungewöhnlich, darunter Material des jungen Filmers, das man in den Archiven der BBC entdeckte. "Mir persönlich war wichtig, nicht einfach seine alten Fernsehproduktionen zu wiederholen. Die großen Filme, die Sielmann gemacht hat, waren Kinofilme in den 50ern und 60ern, die teilweise nie im Fernsehen zu sehen waren", sagt Sielmanns Wegbegleiter Jörn Röver. "Genau die haben wir jetzt ausgegraben und mit Hilfe der Sielmann-Stiftung in High Definition abgetastet. Dadurch wird man zum ersten Mal sehen können, welch filmische Qualität die damaligen Produktionen hatten."